Streit zwischen Hovestadt und Herzfeld um eine Brücke
Die zur heutigen Brückenstraße gelegene Halbinsel war 1828 über eine Brücke von der Schlossinsel zu erreichen. Im Norden ist ein großes rechteckiges Gebäude erkennbar, vermutlich ein Wirtschaftsgebäude. Bemerkenswert ist die in Höhe des Ostflügels des Schlosses liegende Insel, die offenbar mit einem Boot bzw. Fähre den Zugang der im Situationsplan von 1912 bezeichnete "Alte Bleiche" ermöglichte.
Ein Vergleich der Flurkarte von 1775 mit der Urkatasterkarte von 1828 zeigt dagegen ein langgestrecktes Gebäude im Süden eines fast rechteckigen Grundstückes, das nur durch eine schmale Gräfte von der Schlossinsel getrennt ist. Das südwestlich gelegene Grundstück ist mit vier rechteckigen Grundstücken, die von Längs- und Querachsen und umlaufende Wege eingefasst sind und möglicherweise ein Pendant der Nutzgartenanlage östlich der Wirtschaftsgebäude war. Im Situationsplan von 1912 wird dieser Teil als Wiese (mit Obstbäumen?) bezeichnet. Noch heute steht gegenüber der Pfarrkirche eine mächtige Esskastanie!
Ein weiterer Vergleich der von Frau Schöpf abgebildeten Flurkarte von 1775 mit der Urkatasterkarte von 1828 und dem Situationsplan von 1912 zeigt die Veränderungen der mit der Lippe verbundenen "Tuche" J. H. Jung zeichnet zwei ungleich längliche Tüchflächen, die zwar mit Wehranlagen zur Lippe verbunden sind, jedoch keine Verbindung zu den Gräftenanlage des Schlosses haben. Möglicherweise war die Verbindung durch Holzrohre aus Baumstämmen unterirdisch, wie dies von den Tüchen im Segenkamp nachgewiesen werden konnte. Bemerkenswert ist ein Tüch in "Sackform am Lippebogen des "Jühler". Danach wäre die von Nord nach Süd reichende Gräftenanlage des Hofes Althoff erst nach 1775 geschaffen worden, die im Situationsplan von 1912 als Weg (?) noch erkennbar ist.
Die Flurkarte des J. H. Jung 1975 zeigt die Furt für die bis 1797 bestehende Fähre über die Lippe nach Herzfeld. Westlich davon ist ein rechteckiges Gebäude mit der Bezeichnung "Schifferhauß" eingezeichnet, Das Urkatasterblatt von 1828 zeigte den Verlauf und die westliche Bebauung der heutigen Brückenstraße, die auf der Flurkarte von 1775 offensichtlich "vergessen" worden ist.
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HV1 Schloß Hovestadt, Flurkarte (Ausschnitt) 1775, Joh. Heinr. Jung.
lav. Federzeichnung, 44x274cm (insg.) StA. Münster, Arch. Landsberg K357
Aus: “Barockgärten in Westfalen” von Regine von Schopf Wernersche Verlagsanstalt Worms, 1988
Mit dem Bau einer Holzbrücke über die Lippe 1792 - 1793 sind offensichtlich die "von a1tersher bestehenden Gegensätze und Ressentiments" verschärft worden. Davon zeugt der im Januar 1922 in der Beilage zur "Glocke und Beckumer Volkszeitung" erschienene aufschlussreiche Bericht "Krieg zwischen Herzfeld und Hovestadt" von Aug(ust) Ahlke, Beckum. Nach einer geschichtlichen Einleitung zitiert A. Ahlke aus Akten der Jahre 1792 bis 1805. Da Ergänzend dazu erschien in den 80er Jahren in den "Heimatblättern für Geschichte, Kultur- und Brauchtum im Kreise Soest" als Beilage des "Soester Anzeiger" (vom ?) , ein erheblich sachlicherer Bericht "Herzfeld gegen Hovestadt", von dem mir ein Teil fehlt.
Das Gebäude "Schifferhauß" gehörte der Familie Koe(h)ne in Hovestadt, die als Pächter des Grafen das Fahrschiff für die Übersetzung schwerer Frachtwagen über die Lippe benutzten. Der Fährbetrieb wurde auch nach der Errichtung der östlich gelegenen Holzbrücke 1792-93 fortgeführt.
Am 1. Oktober 1792 berichtete der gräfliche Rentmeister (Stephan) Schierhölter dem Herzfelder Gografen D.L. Fellings, dass das (über 140 Jahre alte) Fahrschiff schadhaft geworden sei und man bis zur Fertigstellung eines neuen Fahrschiffes das "alte zur Sicherheit der Überfahrt auf Pfosten und Balken (be)ruhen solle und daher eine Erhöhung des Lippeufers durch die Eingesessenen Herzfelds" vorzunehmen, da diese Arbeit ihnen seit "undenklichen Zeiten zur Last" liege. Der Gograf sandte das Schreiben des Rentmeisters an den Amtsdrosten von Nagel zu Vornholz und fügte hinzu, dass durch "die Anlage der neuen Brücke und der deswegen aufzufüllenden Ufer und die Erhöhung des Weges wenigstens 60 Fuder Holz -bisher 30 Fuder- ohne den dazu nötigen Sand beigeschafft werden müßten..." Die Beamten des Amtes Stromberg erstatten der kurfürstlich münsterischen Regierung Bericht darüber, dass die Hovestädter vermutlich auf Geheiß des Grafen ohne Anfrage Sand von dem hiesigen Territorium holen und damit die Ausbesserung der Wege im kölnischen Lande vornehmen und die Pfosten für die Brücke auf dem hiesigen Grund gesetzt und damit eine "Neuerung an hiesigen Landesgesetzen" getätigt haben. Da die Herzfelder Eingesessenen eine Erhöhung des Aufwandes für die Instandhaltung des Herzfelder Ufers befürchten, "erbitten untertänigst en gnädigen Befehl, ob es nicht bei dem sonst fahrenden Schiffe, wovon der Graf von den Überfahrenden das Wegegeld fordert, belassen werden möchte".
Die jahrelangen Streitigkeiten sind in den beiden vorgenannten Berichten nachzulesen. Erst durch den Tod des Grafen Plettenberg und durch die Ernennung des neuen Landrats von Oer -das ehemals bischöfliche Amt Stromberg war von 1803-1806 unter preussischer Herrschaft- trat vorübergehend Ruhe zwischen den streitenden Parteien ein, jedoch musste die Witwe des Grafen beim Landrat von Oer die Verweigerung der schuldigen Kornpacht ihrer Colonen aus Herzfeld einklagen.
In der 1775 von J. H. Jung gezeichneten Flurkarte, von der nur ein Ausschnitt bisher veröffentlicht wurde, ist der Verlauf der Lippe zwischen dem "Jüler" und 1755 mit "A1thoff, Kamp" bezeichneten Grundbesitz östlich der Schlossanlage und dem weiteren Lippebogen westlich des Schlosses.
In der Urkatasterkarte von 1828 wie auch in neueren Karten ist die Fläche mit "Segenkamp" bzeichnet. Die Flurkarte von 1775 weist auf dem nördlich der Lippe gelegenen Gelände die Bezeichnung "Gemeinheit Hertzfeld" und die Flurstücks-Nummern, 237, 238 und 239 auf. Bei dem als „Schifferhaus" bezeichneten Gebäude südlich der Lippe hat J. H. Jung die Flurstücks-Nr. 240 und 241 eingesetzt, dazu eine für "Brücke oder Furt" stehende Doppelstrichelung und eine mit Punkten angedeutete Strichelung. Die Linienführung könnte eine geplante "Begradigung" des Lippelaufes bedeuten, die damals vielleicht geplant, jedoch nicht durchgeführt wurde. Die von Joseph Herold in seinem Band "Die tausendjährige Geschichte des Gemeinwesens Herzfeld" 1886 verzeichnete Nachricht über die im Mai 1775 vom Grafen Plettenberg an die Herzfelder Provisoren verfaßte "Anzeige über das neuerdings ein weggeldt in Hovestadt angelegt" sei, das damals für das Übersetzen ein "Schiffshaber" entrichtet werden mußte dürfte im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Grafen Joseph Clement von Plettenberg stehen. Moglicherweise befinden sich im Archiv Hovestadt Archivalien über die 1775 nachweisbaren Maßnahmen des Grafen Beauftragung des Landmessers Jung mit Vermessungen an der Lippe und Erstellung einer großformatigen Flurkarte (zu der mit Sicherheit eine Beschreibung gehörte), Festsetzung eines (geänderten) Wegegeldes für die Überfahrt mit dem Fahrschiff und möglicherweise erste Planungen für den Bau der 1792/93 erbauten Holzbrücke östlich von der Route der von der Familie Könne gepachteten Überfahrt Hovestadt-Herzfeld.
Am 29. Juli 1805 berichtete der Führer Eisente zu Herzfeld an das Landratsamt zu Stromberg, daß der Graf von Hovestadt östlich der alten Lippebrücke auf dem müsterischen Ufer eigenmächtig eine Schleuse anzulegen im Begriffe sei. Obschon diese Schleuse, wenn sie zur Durchfahrt eines Schiffs die nötige Breite hat, ihren Nutzen haben mag, so ist doch das Attentat dieser eigenmächtigen Anlage auf hiesigem Ufer als eine Verletzung der Territorialhoheit anzusehen. Der Graf möchte hierüber zur Rechenschaft herangezogen werden.
Beilage zur Glocke und Beckumer Zeitung. “Heimatblätter”, Nr.1, Januar 1923
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