Chronik des Kirchenbaus

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Neuen Auftrieb brachte 1926 die Aufwertung mit 26,5% der auf der Sparkasse verfallenen 25.000 Mark zu 6.600 Mark und die Auslösung einer Kriegsanleihe von 20.000 Mark mit ca. 3.300 Mark. Beantragt wurde zum Kirchenbau eine Kirchenkollekte. Paderborn bewilligte eine halbe. Sie brachte 3.300 Mark. Unsere große Hoffnung auf einen ausschlaggebenden Betrag der bewilligten halben Hauskollekte bekam einen Dämpfer. 1929 war das Geld rar. Die auswärtigen Kollekteure schickten nur geringe Beträge von ca. 100 Mark und weniger. Als dann ein Kollekteur nur 10 Mark einsandte, warf Vikar Holthaus die gesamte Kirchenbausache hin.

An einem Sonntagmorgen im Garten bei Ziegler erklärte er uns, er wolle mit der ganzen Kirchenbausache nichts mehr zu schaffen haben. Alle unsere Einwendungen, dass wir doch in den naheliegenden Dekanaten selbst die Kollekten unentgeltlich abhalten würden, nutzten nichts, Am anderen Morgen hatte ich sämtliche Vorgänge über den Kirchbau im Hause. Sechs Baupläne mit Kostenvoranschlägen lagen vor. Aber auch dieser Rückschlag konnte unseren Entschluss nicht schwächen.

Franz Adrian übernahm die Kollekte im Dekanat Belecke. Er wohnte dort bei seiner Tochter, Fritz Herold im Dekanat Hüsten, bei seinem Schwager in Herdringen wohnend. Anton Herold Dekanat Geseke, teils zu Hause und bei seiner Schwester in Eickelborn wohnend, ich selbst übernahm das Dekanat Soest, mit Rad oder Kleinbahn nach Hause zurückkehrend. Unsere Erwartungen wurden erfüllt. Franz Adrian brachte ca. 900 Mark, Fritz Herold ca. 1.100 Mark, Onkel Tönne ca. 1.500 Mark und ich in der Gemeinde selbst und den umliegenden Dörfern sowie in der Stadt Soest den ansehnlichen Betrag von mehr als 2.200 Mark.

Enttäuscht war ich bei dem Herrn Grafen, den ich als Letzten aufsuchte und ihm die Zeichnungsliste vorlegte, in der eine ganze Reihe Zeichnungen über 25 Mark vermerkt waren. Er erklärte, er gebe den monatlichen Betrag, den er bisher gegeben habe, 10 Mark. Dieser Betrag ergab sich aus einer Besprechung, die der Graf mit dem Herrn Bischof persönlich geführt und den Kirchenbau nach besten Kräften zu fördern versprochen hatte.

Diese Besprechung zwischen Graf und Bischof war die Folge einer Konferenz auf Einladung des Bischofs an den Kirchenvorstand zur Besprechung der ganzen Kirchenbaufrage. Graf Plettenberg hatte der Kirchengemeinde zum Bau einer Kirche das Grundstück gegenüber der Schlossbrücke, auf dem das Haus des Vikars stand unter der Bedingung angeboten, dass für die gräfliche Familie ein besonderes Nebengelass an der Kirche mit eigenem Eingang, gebaut würde, ferner Belassung des Sakramentes in der Schlosskapelle, das Protektorat, Lesung sämtlicher gestifteter gräflicher Messen in der Schlosskapelle und erst Bau der Kirche, wenn das ganze Baugeld vorhanden war.

Der Einladung waren wir mit 6 Mitgliedern und Vikar Leutfeld gefolgt. Der Bischof äußerte Bedenken, dass in einer so kleinen Gemeinde 600 - 700 Einwohner, drei Mal das Sakrament aufbewahrt würde. Das vorn Grafen angebotene Grundstück sei nur durch die Straße, etwa 50 m von der Schlosskapelle entfernt, demnach zweimal das Sakrament auf einem Grundstück, das sei ausgeschlossen.

Bei einer Errichtung der Kirche auf dem jetzigen Platz würde Rom auf Vorschlag von Paderborn auch der dritten Aufbewahrung des Sakramentes in der Schlosskapelle zustimmen. Bedingung sei dann aber, dass der Graf Außerordentliches zum Bau der Kirche beitrage. Auf unseren Einwand, dass der Graf keine größeren Geldmittel, aber das Holz ohne Schwierigkeiten, Wert etwa 6.000 Mark, hergeben könne, antwortete der Bischof: "Das ist aber das Mindeste." Tatsächlich hergegeben wurde eine seit 2 Jahren unverkäuflich im Wald gelegene Eiche für die Windbretter unter der Dachrinne.

1930 waren wieder 65.000 Mark zusammengekommen. Alle Anstrengungen Keimers, den Kirchenbau zu verhindern, waren gescheitert. Seine Schwarzmalerei, die Kirchengemeinde würde sich in große Schulden stürzen, hatten zwar insbesondere die Grundbesitzer in Nordwald und auch Josef Biele wankelmütig gemacht, sodass dort jahrelang nicht mehr gesammelt wurde. Der größte Einwand gegen den Bau, die Erklärung der Sparkasse, sie könne das Geld nicht aufbringen, konnte ich als Mitglied des Sparkassenvorstandes wegräumen und erklären, dass die Sparkasse bereits wieder größere Kredite gebe und somit auch in der Lage sei, das Kirchenbaugeld nach Kündigung wieder zurückzugeben.

Günstig für den Baubeginn waren die niedrigen Preise, der Zement kostete 60 Pf. der Sack, die zweite Sorte Steine, die zum Bau vorgesehen waren, wurden fast verschenkt, das Holz scharfkantig, oberrheinisches Flößholz wurde der cbm für 36,50 Mark geliefert, der Fußboden, 1 1/4 Zoll stark, kostete 1,95 Mark der qm. Besonders fiel ins Gewicht die totale Arbeitslosigkeit im Baugewerbe. In Hovestadt waren allein ca. 25 Bauarbeiter arbeitslos. Stundenlohn stand bei 60 Pf.

Jetzt begann das Studieren der Baupläne, die alle auf der Grundlage von 65.000 Mark aufgestellt waren. Besonders gefiel uns der Plan des Architekten Kötter aus Soest. Dieser erklärte, etwaige Mehrkosten auf sein Konto zu übernehmen. Seine Gebühren könne er nicht senken, aber wir könnten ihm 1/3 abziehen. Ich hatte mit ihm die neuerbaute Kirche in Waldliesborn besichtigt, die ich mit meinen Freunden schon bei einem Sonntagsausflug per Rad als Vorbild angesehen hatte. Übereinstimmung herrschte nicht darüber, zwei Beichtstühle wie dort neben den Seiteneingang aufzustellen, sondern wir wollten einen Beichtstuhl in einer Nische gegenüber dem Seiteneingang haben.

Vikar Henkel, der inzwischen Vikar Holthaus abgelöst hatte, nahm sofort die Zügel in die Hand. Mit 6 gegen 4 Stimmen, die des Grafen und der drei Nordwälder, wurde der Baubeginn beschlossen. Inzwischen hatte Architekt Wibbe, Studienfreund von Vikar Henckel, einen Entwurf eingereicht. Bei seinem Vortrag bezeichnete er den Plan als etwas Außerordentliches, Gott habe ihn bei der Aufstellung erleuchtet. Anstatt zu sagen, der Plan sei phantastisch sagte ich, Wibbe sei ein Phantast, was mir eine Rüge Vikar Henkels einbrachte.

Der Plan sah vor, die Ostseite mit drei Eingangstüren zu versehen, darüber die ganze Front mit Fenstern, die das 29 m lange Schiff erleuchten sollten. Der Turm nach Westen mit einem Schacht, der 6 m hohe Fenster in Höhe von 12 bis 18 m haben sollte, wodurch kaltes Licht auf den Altar fallen sollte. Dagegen sollten die Seiten ohne Fenster sein. Das Innere der Kirche sollte nur aus Gewölbe bestehen, dessen Rippen schon bei 30 cm Höhe in den Seitengängen ansetzten. Zwei Beichtstühle waren neben den Kinderbänken an der linken Seite vorgesehen. Die Orgel über der Sakristei neben den Altar, wodurch der Blick vom Altar abgelenkt worden wäre. Außen sollten die Backsteinmauern verputzt werden. Das Dach, bis etwa 4 m über der Erde herabreichend, sollte mit Schiefer gedeckt werden. Von diesem Plan ist höchstens übriggeblieben der Hahn oder das Huhn, von dem man nicht wüsste, ob eines Tages ein Ei vom Kirchturm herunterfallen würde. (Frei nach Kirchenvorstandsmitglied, Winterseel).

Mein Antrag, dem Architekten Kötter den Bau zu übertragen, fand die Mehrheit. Aber acht Tage später abermals Versammlung. Vikar Henkel beantragte, den ersten Beschluss umzuwerfen und dem Architekten Wibbe den Bau zu übertragen. Meine Erklärung, dass ich, wenn der Bau nach den Plänen Wibbes ausgeführt würde, kein Bauherr sein würde, rief bei Graf Plettenberg Entrüstung hervor. "Sie Bauherr ?!" konnte ich parieren mit: "das heißt, dann bin ich nicht im Kirchenvorstand." Meine Freunde stimmten dann um des lieben Friedens willen dem Antrage Henkels zu. Am nächsten Morgen gab ich sämtliche Vorgänge über den Kirchenbau, die mir Vikar Holthaus übergeben hatte, in der Vikarie ab. Brieflich erklärte ich meinen Austritt aus dem Kirchenvorstand. Zwar hat Wibbe die Kirche gebaut, aber zu 75 % nach den Plänen Kötters.

Nicht verputzter Backsteinbau, ohne Fenster an den Seiten, der Turm über dem Altar nach Westen mit Schieferdeckung. und das Innere nur aus Gewölbe bestehend wie sein Entwurf, sondern in Anlehnung an Kötters Plan aus Bruchsteinen mit Seitenfenstern, die aber nicht wie bei Kötters Plan über das ganze Schiff regelmäßig verteilt sind, sondern in der Mitte zusammengedrängt sind. Auch ist die Front nach Osten mit den kleinen angeklebten Seitenkapellen nicht so wuchtig wie bei Kötter, der die ganze Breite der Kirche durch einen Rundbau an den Turm heranbringen wollte. Gänzlich danebengeraten ist die Heizung. Bei der ersten Beheizung hob sich der Chorbelag in die Höhe und war so heiß, dass den Betretenden die Schuhsohlen verbrannten. Der Einbau einer Isolierdecke war erforderlich. Die Luftzufuhr geschieht vor der Kommunionbank, sodass die kalte Luft von den Türen erst durch die ganze Kirche zwischen den Beinen der Kirchenbesucher vorbeizieht und die Warmluft 1 m höher auf dem Chor ausströmt, anstatt wie bei Kötter die kalte Luft bei der Tür im Turm einzufangen und durch einen Kanal unter dem Bodenbelag der Heizung zuzuführen, um alsdann die Warmluft vor der Kommunionbank ausströmen zu lassen. Die Chorwand war so durchlässig, dass alsbald eine Innenwand mit Luftschicht eingebaut werden musste.

Wibbe hatte es abgelehnt, eine Bodenuntersuchung machen zu lassen, auch als Adrian und Herold mehrere Löcher gegraben hatten. Die Folgen zeigen sich seit Jahren. Der Turm steht auf einer Betonplatte, das Schiff nicht. Bei westlichem Schlagregen läuft das Wasser am Turm herunter, die hinteren Bänke an der Frauenseite überschwemmend.

Wegen Schwemmsand ist außer den höher gelegenen Teilen in Hovestadt kein wasserfreier Keller zu bauen. Im benachbarten Amtsbau liegt der Kellerraum nur zwei Stufen unter dem Erdboden. Aber ein „gotterleuchteter“ Architekt hat es nicht notwendig, in der Nachbarschaft nach den Bodenverhältnissen zu fragen, besonders bei dem Bau einer Kirche!

Unser Ziel aber, das wir als unsere Lebensaufgabe betrachteten, haben wir erreicht! Zwar hat leider Josef Biele, der eigentliche Urheber das Gedankens, eine eigene Kirche zu bauen, die Fertigstellung nicht mehr erlebt. In etwa hat Franz Adrian für seine selbstlose, nie erlahmende Arbeitsbereitschaft den Lohn im liebgewordenen Küsteramt gefunden, das seinen Lebensabend ausfüllt. Fritz Herold ist in etwa für seine großen Geldopfer und unermüdliche Arbeit beim „Frohsinn“ durch den Auftrag zur Herstellung der Inneneinrichtung in der aller-schlimmsten Zeit der Arbeitslosigkeit wenigstens materiell entschädigt worden.

Onkel Tönne aber, der fanatischste aller Kirchenbauer hat sich ein Denkmal für Jahrhunderte gesetzt. Er, der zeitlebens gegen Gesellenlohn bei seinem Bruder den Schreinerhobel geschoben und sich durch Sparsamkeit seit der Inflation, bei der er einige tausend Mark restlos verlor, wieder mehr als Tausend erspart hatte, sprach wiederholt beim Pfarrvikar vor, um Erlaubnis, eine Antoniusstatue stiften zu dürfen. Als dieser aber lieber ein Kreuz über den Altare wünschte, entschloss er sich auch dazu. Graf Bernhard von Plettenberg erbot sich, die Arbeit für ca. 1.000 DM zu machen.
Das geeignete Holz dazu konnte dessen Vater, der zu dem Corpus Modell gestanden haben soll, trotz seiner mehreren tausend Morgen Waldes nicht liefern. Zufällig hatte ich völlig spint-, ast-, kern- und rissfreie jahrelang abgelagerte Balken, die ich für eine Wand an meiner Werkstatt gebrauchen wollte, zur Verfügung.
Als wir nach der Kreuzanbringung, bei der wir geholfen hatten, das Werkzeug des Grafen Bernhard weggebracht hatten, sagte er zu mir auf der Schlossbrücke: ,,Nun lass, o Herr, deinen Diener in Frieden fahren, meine Augen haben das Heil gesehen."
Ob sich noch Wohltäter finden, die zu dem Kreuz eine Gruppe stiften? Platz wäre vorhanden.
Wären die Familien Adrian und Herold nicht gewesen, gingen wir heute noch nach Herzfeld zur Kirche.


Geschrieben März - Juni 1961


Josef Bierhaus V