Professor Paul Leidinger führt in seinem Aufsatz "Zur Frühgeschichte Freckenhorsts - Ein Beitrag zur Christianisierung des Ostmünsterlandes", 2044 in der Schriftenreihe des Heimatvereins: FRECKENHORST, Heft 16" treffend aus: ...die in `archaisches Dunkel`gehüllte Geschichte der Christianisierung des Münsterlandes in der Karolingerzeit, die sich im wesentlichen nur durch regionale Einzelstudien ...weiterdurchdringen und zumeist nur an Indizien nachzeichnen läßt..."
Prof. P. Leidinger versucht, die Gründung dest Freckenhorster Stiftes zu datieren und stellt Soest als Ausgangspunkt einer frühen Mission des Ostmünsterlandes vor und untersucht die Bedeutung der Egbertiner für die Christianisierung des Ostmünsterlandes: "Egbert..sich am Hofe Karls des Großen bewährte.. seit 790 mit der Fränkin Ida vermählt... Als Stammsitz gilt das nördlich von Soest am südlichen Lippeübergang gelegene Hovestadt, das sich an seinem Namen als zentrale Hofstätte zu erkennen gibt.
Egberts Gemahlin und er gründeten bereits um 800 auf dem gegenüber liegenden nördlichen Lippeufer in Herzfeld eine Steinkirche, die damit eine der frühesten Steinkirchen des Münsterlandes gewesen sein dürfte."
"Die Bedeutung der Egbertiner als führendes Adelsgeschlecht des sächsisch-westfälischen Raumes kann auf Grund ihrer Nähe zum karolingischen Herrscherhaus für die fränkische Mission im Münsterland nicht hoch genug eingeschätzt werden. In ihrem Einflußbereich lag die von Soest aus über Hovestadt/Herzfeld, Beckum, Freckenhorst und Warendorf nach Osnabrück führende Heerstraße, die Westfalen von Süd nach Nord in der Mitte durchzog und zu den Seehandelsplätzen an Nord- und Ostsee führten....
Für die Mission ...des Ostmünsterlandes bot sich kaum eine andere Route als die von den Egbertinern geschützte Heerstraße von Soest über Hovestadt/Herzfeld, Beckum und Warendorf nach Norden an..."
Prof. P. Leidinger weist darauf hin, dass die Fernstraße von Dortmund über den Lippeübergang bei Mark/Hamm und Ahlen nach Warendorf seine dominantere Ausführung erst mit der Gründung der Burg Mark an der Lippe im 12. Jahrhundert und der Stadtgründung von Hamm 1226 erfahren hat und keineswegs gleıchbedeutsam mit der Könıgstraße Soest - Hovestadt - Beckum - Freckenhorst - Warendorf - Osnabrück in die Karglingerzeit gesetzt werden (kann). (S. 16 Anm. 26).
Professor Paul Leidinger hat in seinem in der Westfälischen Zeitschrift, 149. Band, 1999, erschienenen Bericht "Der Westfälische Hellweg als frühmittelalterliche Etappenstraße zwischen Rhein und Weser" (S. 9-33) die Bedeutung der ca. 200 km langen Strecke der großen europäischen Fernhandelsstraße von Brügge nach Nowgorod untersucht:" Der Westfälische Hellweg bündelte den von Westen kommenden Verkehr am Rhein bei Duisburg und führte ihn über Essen, Bochum, Dortmund und Soest am nördlichen Fuße des Sauerlandes vorbei nach Paderborn und von dort auf kürzestem Weg nach Osten zur Weser bei Höxter..." "... In das Licht der Geschichte tritt der Hellweg jedoch erst mit der fränkischen Eroberung und mit der ihr nachfolgenden Christianisierung des heidnischen Sachsenlandes durch Karl den Großen seit 772. Durch sie wurde Sachsen an die Kultur und Wirtschaft des universalen Frankenreiches angeschlossen, die ihm eine schnelle Entwicklung ermöglichten und es kaum ein Jahrhundert später zur Königslandschaft der Herrscher aus sächsischem Haus im Reich aufsteigen ließen."
"Im Unterschied zu Dortmund stieg das ca. 50 km östlich gelegene Soest auch ohne erkennbare königliche Förderung im Mittelalter zur größten und bedeutendsten Stadt Westfalens auf. Archäologische Untersuchungen der letzten Jahre haben dabei Hausspuren seit der Spätantike, eine vor- und frühgeschichtliche Salzgewinnung...und eine starke Einsiedlung in fränkisch-sächsischer Zeit - seit dem 6. Jahrhundert mit der Gründung einer frühen (Petri)- Kirche und einem ausgedehnten Friedhof seit dem 8. Jahrhundert - ans Licht gebracht."... Hier kreuzte der Hellweg die bis ins 13. Jahrhundert hin bedeutendste Nord-Südachse Westfalens, die von Frankfurt über Siegen und das Sauerland nach Soest und weiter über Warendorf und Osnabrück zu den Handelsplätzen an Nord- und Ostsee führte. An ihr lagen mit Hovestadt und Herzfeld am Lippe-Übergang und Warendorf am bdeutendsten Emsübergang dieser frühen Zeit sowie mit dem 3 km südlich gelegenen, um 854 gegründeten Stift Freckenhorst bedeutende Stätten der Egbertiner, d.h. jenes Grafen Egbert, den Karl der Große zu einem seiner vertrautesten Herrschaftsträger im Sachsenland zwischen Rhein und Weser bestellt hatte..."
"... Anders (als in Erwitte) verlief die Entwicklung im 13 km östlich gelegenen Geseke. Ein 1973 ergrabener frankischer Töpferofen des. 6./7. Jahrhunderts weist den Ort als östlichen Vorort des fränkischen Brukterergaues am Hellweg mit einem spätkaiserlichen Untergrund der Römerzeit aus. In der Karolingerzeit bestand in Geseke und den Nachbarorten am Hellweg ausgedehnter Königsbesitz, den Ludwig der Fromme im Jahre 833 wegen treuer Dienste einem Grafen Ricdag schenkte, der nach der Mitte des 9. Jahrhunderts mit seiner Gemahlin Imhildis die beiden Damenstifte Lamspringe (Bistum Hildesheim) und Meschede (Sauerland) gründete. Im 10. Jahrhundert folgte ihm das Geschlecht der Haholde, das um 946 den Geseker Stammsitz in ein Damenstift als Familienkloster verwandelte...
Eine Bestätigungsurkunde Kaiser Ottos I. spricht Geseke bereits als `civitas` an, die mit einem Mauerring umzogen war.
Diese Nachrichten lassen erkennen, dass die Massierung karolingischen Krongutes am Hellweg gerade zwischen Soest und Paderborn ursprünglich erheblich gewesen sein muß, wobei Wilhelm Winkelmann (1984) eine starke Konfiskation ehemals sächsischen Adelgutes annimmt…“
"...Die Zeit der Sachsenkriege Heinrichs IV. und Heinrichs V. seit ca. 1070, die sich mit dem Streit der deutschen Könige um die Investur der Bischöfe (1070-1122) verbanden, beendete die große Zeit des Hellwegs als Königstraße."
Neue Erkenntnisse über die Karolingerzeit im Raum zwischen Soest und Lippstadt brachten die Grabungen des Amtes für Bodendenkmalpflege auf dem Areal der ehemaligen Abtei Liesborn in den Jahren 1988-1992. Die Aufdeckung von Pfostengruben belegen eine Besiedlung mit einem Haupthof bis in das 8. Jahrhundert. Ein frühmittelalterliches Gräberfeld mit Baumsärgen, Brettersärgen und gemauerten Kopfnischensärgen wurde aufgedeckt; die älteste dendrochronologisch datierte Bestattung weist in die Zeit um oder nach 889. Es wurden Teile der Grundmauern eines großen, zweigeschossigen Steingebäudes freigelegt, das im Zuge der Errichtung des Damenkonventes errichtet wurde. Dieses außerordentlich repräsentative Gebäude könnte den Bewohnern der Stifterfamilie, dem Vogt oder dem Haushalt der Äbtissin gedient haben.
Die zahlreichen Bodenfunde aus Keramik, Glas, Metall, Gerätschaften, Holz, Bein, Textilien und Kleidungszubehör. Architekturfragmente u.a.m. wurden 1993 in einer Ausstellung im Museum Abtei Liesborn gezeigt und dazu ein 281 Seiten umfassender Katalog mit vielen Abbildungen herausgegeben. Die in dem Katalog enthaltenen Aufsätze beschreiben neue Aspekte zur Frühgeschichte des Ortes und der Gründer des Damenkonvents.
So haben neuere Untersuchungen die Kenntnis über verwandtschaftliche Einbindung und soziales Umfeld der Stifter Boso und Bardo beträchtlich erweitert. Sie stützen die Annahme, das Geschlecht des 856 verstorbenen Grafen Bardo habe in enger verwandtschaftlicher Beziehung zu dem Geschlecht der Egbertiner gestanden, die unweit Liesborns in Herzfeld und wohl auch in Freckenhorst Besitzschwerpunkte besaßen.
Zum vorgenannten Königsbesitz in und um Geseke gehörten gewiss auch die Kalksandsteinbrüche und Steinmetzwerkstätten, die das Baumaterial für karolingische und städtische Bauten in Soest und Paderborn, aber auch für die kleine Kirche in Herzfeld geliefert haben. Mit Sicherheit besaß der Königshof in Geseke Pferde und Wagen, die das schwere Frachtgut zu den Baustellen befördern konnten.
Vorläufiger Abschluss, geschrieben im Dezember 2009, dem 325. Jahr der Drucklegung der "Neue Legend der Heiligen" von Dionysius von Luxemburg (+ 11.2.1703),
von August Bierhaus, Ahaus
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