DAS KRIEGSENDE 1945 IN DER GEMEINDE HOVESTADT -2
In der Nacht vom 1. zum 2. April (Ostermontag) wurde ich um 24 Uhr von einem Stabsfeldwebel, der in Begleitung von vier Soldaten war, geweckt und um Unterkunft für 40 Mann sowie die Stellung von zwei Fahrrädern für den nächsten Morgen um 11 Uhr ersucht. Als Unterkunft habe ich das geräumte Gefangenenlager (ehemalige Werkstatt Naumke im Segenkamp?) bereitgestellt. Die Räder stellte Frau Dröllner und Heinrich Hüntemann, der für das neue Fahrrad eine Preis von 86 RM verlangte.
Gegen 9 Uhr begann die Beschießung von Hovestadt bis gegen Abend mit kürzeren und längeren Unterbrechungen. Die Amerikaner feuerten mit Maschinengewehren und Granatwerfern. Schätzungsweise sind etwa 100 Granaten -teils Brandgranaten- auf das Dorf niedergegangen.
Schäden: Haus Wiengarn, Segenkamp 15, niedergebrannt» Haus Hunecke in Nordwald, Kleestraße, niedergebrannt. Haus Fritz Naumke, Segenkamp 10, schwer beschädigt, ferner einige größere Dachschäden an Häusern, darunter das Vikariegebäude.
Von Beginn der Dunkelheit bis zum Morgen des 3. April völlige Kampfruhe., dann einige Granaten von drüben und Maschinengewehrfeuer von hier. Um 8 Uhr morgens setzte dann starkes Granatwerferfeuer von Herzfeld ein, hauptsächlich Brandgranaten und einige Sprenggranaten mit großer Wirkung.
Am meisten wurde das neue massive Haus von Johann Schwartze (an der Bahnhofstraße) beschädigt; die halbe Nord- und Ostseite heraus gedrückt, so daß fast das halbe Haus wieder hergestellt werden muß. Von dem Haus Heinrich Schauff (Bahnhofstraße) ist die Westwand völlig- und die Nordwand zum Teil niedergelegt. Der Anbau des Edmund Lammert mit Schreinerei und zwei Wohnräumen darüber- ist völlig eingestürzt.
Schwere Dachschäden und einige Schäden im Inneren hat das Haus der Witwe. Ziegler (Schloßstraße) erlitten. Eine große Sprengwirkung hatte eine Granate in der Wagenremise des Grafen Plettenberg angerichtet. Zwischen zwei schweren Ackerwagen niedergehend, hat sie die Hinterräder mit den schweren Reifen in Stücke gerissen und an vielen Stellen die Wände durchschlagend schwer beschädigt. Die Brandgranaten hatten nur geringe Sprengwirkung, entwickelten aber eine starke Explosion mit Bränden.
Im Schloßhof, Schloßgarten und im Bereich der Schloßstraße konnte man kaum die Einschlagstellen feststellen. Ein Brand entstand in meinem Holzschuppen. Die Granate durchschlug das Pappdach und setzte Dach, Bretter sowie Faßholz in Brand. Mit Hilfe meines verletzten Bruders Anton, der sofort die bereitstehende Luftschutzhandspritze in Tätigkeit setzte, dessen Tochter Marianne, Hilde Elbracht und meiner beiden Töchter Annchen und Toni ist es gelungen, die Feuer durch bereitstehendes Wasser und Sand im Keime zu ersticken. Besonderen Anteil daran hatte meine Tochter Anna. Im andauernden Granatwerferfeuer hat sie auf dem Pultdach stehend, mit einer Schaufel und Sand das brennende Dach gelöscht. Zum Teil mußten Dachschalung und Teerpappe entfernt werden.
Schätzungsweise sind am 3. April von 8 bis 12 Uhr 300 Granaten, davon etwa die Hälfte auf den Schloßhof und die Schloßstraße zwischen der alten Schule und bis zum Haus Micheel niedergegangen. Von Mittag ab Kampfruhe...
Am Morgen des 4. April war die deutsche Kampftruppe aus Hovestadt verschwunden. Eine Besetzung des Ortes erfolgte aber nicht. Es war jedoch andauerndes schweres Geschützfeuer am 4. und in der Nacht zum 5. April von Herzfeld bis Lippborg und in Richtung Soest zu hören. Dann Ruhe bis zum Einrücken der amerikanischen Kampftruppen in Stärke von 30 Kampfwagen, darunter zwei Panzer, bestückt mit Maschinengewehren und leichten Geschützen um 15 Uhr ohne Gegenwehr.
Abends und in der Nacht zum 6. April war Störfeuer von Maschinengewehren und leichten Geschützen zu hören; Einschläge wurden hier jedoch nicht bemerkt. Am Nachmittag des 6. April rückten die Kampftruppen wieder ab. Am Sonntag Morgen erschienen zwei Lastwagen, um Schuß-, Hieb- und Stichwaffen jeder Art sowie Munition einzusammeln. Die Amerikaner fuhren vor meinem Haus vor, ich mußte einsteigen und die Aufgabe übernehmen, in den Häusern nach Waffen zu fragen....."
Eine mündliche Überlieferung besagt, daß der Nachbarssohn Bernhard Hecker vor dem Haus stand und das Einsteigen in den amerikanischen Jeep verfolgte, gesagt haben soll: "Das wollte ich nicht!
Anmerkung: Die Abschrift aus dem z.T. schwer lesbaren und vergilbten zwei Blättern erfolgte wortwörtlich. Dabei wurden einige Sätze geglättet und in ( ) einige zum Verständnis des Berichtes sinvolle Erläuterungen zugefügt.
Der Bericht deckt sich mit den verschiedenen Berichten über die letzten Kriegstage in der Dokumentation "LIPPETAL - DAMALS 1933-1948”, die im Jahre 2000 von Gerd Oeding herausgegeben wurde. Der Bericht bringt jedoch bisher unbekannte Einzelheiten und die Schilderung der Löschung des Brandherdes auf und im Holzschuppen.
Ahaus, 10. Dezember 2005 - 60 Jahre nach der Niederschrift!
August Bierhaus
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