Orangerie Schloss Hovestadt
In der Fachliteratur werden vor allem die Orangerien der Barockzeit in ihrer Doppelfunktion als Schutzhaus der empfindlichen Pflanzen im Winter und als Repräsentationsraum für gesellschaftliche Veranstaltungen beschrieben. Diese Doppelfunktion beschrieb der Klassiker der Gartenliteratur Johann Sigismund Elßholtz in einer Kapitelüberschrift: Ein "Garten-Gebäue zur noht und zur lust".
In dem 1988 zur Ausstellung des Westfälischen Museumsamtes von Kristin Püttmann verfaßten Kataloges "...zur noht und zur lust." wird auf S. 49 die um 1740 entstandene Zeichnung des Renier Roidkin von der Innenansicht des Hertener Orangeriesaales wiedergegeben. Der Aufbewahrungsraum für Pflanzen während der Winterzeit ist hier einem Ballsaal gleich gestaltet.
Frau Kristin Püttmann führt (S. 17) aus: "Im Sommer zierten die empfindlichen Exoten -Pomeranzen, Zitronen, Limonen und Paradiesäpfel- in Kübeln die Ränder der Parterres vor dem Gebäude selbst... oder innerhalb des Gartens.
Da das Haus im Sommer leer stand, konnte es wie ein Gartenhaus genutzt werden. Je mehr man es als Ort des Amüsements nutzen wollte, desto prominenter war die Platzierung innerhalb des Gartens und die architektonische Gestaltung dieser Dependance des Schlosses. Aus der "Noht"-Unterkunft für den Winter war so zusätzlich ein "Lust"-gebäude für den Sommer geworden...
Eine Zeichnung Roidkins (Abb) gibt den Innenraum des Gebäudes wieder; sie ist ein einzigartiges Dokument dafür, wie man in Westfalen eine solche Dependance des Schlosses - dessen Fassade wird durch die weit geöffnete Tür in der Ferne sichtbar - für ein festliches Gastmahl nutzte. Der Aufbewahrungsraum für Pflanzen während der Winterzeit ist hier einem Ballsaal gleich gestaltet: Figurennischen mit aufwendiger Stuckrahmung an den Seitenwänden, zwischen den Fenstern der Fassade kostbare Kandelaber. Über dem umlaufenden, profilierten, konsolenbesetzten Kranzgesims setzt eine reich bemalte Decke an, von der zwei Kronleuchter und eine das Kerzenlicht reflektierende Glas- oder Spiegelkugel herabhängen. Darunter haben sich um drei runde Tische Damen und Herren einer barocken Abendgesellschaft niedergelassen. Sie werden von eilfertigen Dienern umsorgt, die Speisen und Getränke von den seitlichen Büfetts heranbringen. Die Zeichnung hat somit einen über die reine Dokumentation der Innenraumgestaltung - die seitlichen Figurennischen hat es tatsächlich gegeben - hinausgehenden kulturgeschichtlichen Wert, der allerdings in der eher trockenen Beischrift nicht erwähnt wird: “Vue et perspective du jardin et Chateau d'Herten estant dan le font de l'orangerie".
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Innenansicht des Hertener Orangeriesaales, R. Roidkin, um 1740
...Das verkürzte Zitat "...zur noth und zur lust" gibt exakt Auskunft über die Funktionen der Orangerien und Gewächshäuser; sie dienten einerseits dem Schutz der empfindlichen Pflanzen im Winter, andererseits ließen sie sich im Sommer, wenn die Pflanzen im Freien standen, hervorragend für festliche Gelegenheiten nutzen... (Quelle: Text des Vorwortes von Helmut Knirim zum Katalog "...zur noth und zur lust." von Kristin Püttmann, Münster 1988, S. 5.)
In Westfalen setzte man ein Gartenhaus... als Pedant zum Schloß an das Ende der mittleren Weg- und Sichtachse, wenn das Terrain und die Lage des Hauptgebäudes dies erlaubten... (Quelle: Katalog "...zur noth und zur lust" von Dr. Kristin Püttmann. S. 453)
Orangerie Schloss Hovestadt 1900 Orangerie Schloss Hovestadt 1988
Bildausstellung “Schloss Hovestadt” von Felix Bierhaus in der Orangerie
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