Nachdem die schwierig herzustellenden und kostspieligen Ledertapeten der 16. und 17. Jahrhunderts durch die gewebte Seidenbespannung der Wände und die Wachstapeten abgelöst waren, kommt Ende des 18. Jahrhunderts die Papiertapete als alleiniger Wandschmuck für die Wohn- und Gesellschaftsräume auf. Große Wandbilder in Grau, Sepia und leuchtender Farbe werden als panoramaartige Landschaften, Städte, Festspiele, Sagen und Geschichtsschilderungen dargestellt.. Mehr als 1500 Handdruckformen und über 80 Farben benötigte man, um diese vielbahnigen Tapetengemälde entstehen zu lassen, die häufig auch noch mit der Hand nachgemalt wurden.
Eine andere Tapete gleicher Art befindet sich in der Gaststätte und Kornbranntweinbrennerei Biele in Hovestadt an der Lippe gelegen. Sie ist noch an mehreren Stellen in Deutschland in Graudruck und in Sepiadruck erhalten .
Das Tapetenwandbild zeigt drei ineinander übergehende Gruppen: Einen Hafen mit Segelschiffen und Booten, dahinter eine Insel mit einer Festung und einem Leuchtturm in einer von Bergen umrahmten Bucht gelegen. Die im Vordergrund handelnden Personen sind in spanische Tracht gekleidet. Unter den Hafenarbeitern sind Neger, und eine Tangotänzerin zeigt ihre Künste.
Dann folgt eine Villa in einem Parke gelegen und anschließend der Marktplatz mit Zeltbühne, Schauspielern und Zuschauern einer Stadt mit spanischer Architektur, im Hintergrund die gotische Kathedrale von Burgos.
Die Abbildungen sind Teilstücke, die vollständige Tapete besteht aus 30 Bahnen von je 48 zu 234 cm; Sie ist auf Bogen gedruckt und wird “Die spanische Küste” betitelt .
Nach Angabe des Kunsthistorikers Henri Clouzot, Paris, ist zu vermuten, daß dieses Tapetengemälde in der von André Girarb de Billette 1787 in Madrid gegründeten Fabrik, die bis 1842 bestand, gedruckt wurde. (Siehe Aufsatz Weilerswift, Beuel, Deutsche Tapeten-Zeitung 1.10.1935). Billette war vorher Mitarbeiter von Réveillon in Paris, dessen Fabrik während der Revolution 1789 durch das Volk zerstört wurde.
Im Deutschen Tapeten-Museum zu Kassel, im ehemaligen Residenzschloß am Friedrichsplatz, befinden sich noch viele solcher Tapetenwandgemälde, wie sie vorstehend beschrieben sind, die erkennen lassen, auf welcher Höhe die Tapetenkunst damals stand, welche Aufgaben sie sich gestellt hatte und wie sie diese zu lösen verstand. Das Museum mit 34 Räumen und vollständig eingerichteten Kabinetten ist eine kulturgeschichtlich bedeutende Sammlung, die einzig in der Welt dasteht. In etwa 90.000 verschiedenen Tapeten birgt es Schätze von Wandbekleidungen aller Arten, Zeiten und Länder in unendlichem Formenreichtum und von wunderbarer Farbenpracht; es zeigt damit, wie jede Zeit ihren kennzeichnenden Niederschlag und Ausdruck auch in der Tapetenkunst findet.
(Heimatkalender des Kreises Soest, 1938)
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