Das “Schloß zu Brockhuysen”:

Heute in alle Winde verstreut

Altes Rittergut um 1700 auf Eichenpfählen erbaut - 1969 gesprengt

  Das Brockhauser Schloß in einer Federzeichnung von der letzten Erbtochter, Auguste von Krane (1859).

von Hugo Benrath
Lippetal-Brockhausen.
Eine dichte aber triste Fichtenschonung - das ist alles, was der interessierte Besucher heute auf dem Standort des ehemaligen Brockhauser Schlosses vorfindet. Im Umkreis finden sich zwar noch etliche Bauwerke mit ähnlichem Entstehungsdatum (Beginn des 17. Jahrhunderts), die Remisen und Stallungen ebenso wie die noch ältere Mühle am ehemaligen Bachbett der Ahse, doch das Schloß - es ist unwiederbringbar ausgelöscht. Spätestens seit dem jüngsten Heimatabend im Brockhauser Dorfkrug stellt es jedoch wieder ein Gesprächsthema dar - ein Grund für den ANZEIGER, die Geschichte noch einmal aufzurollen.

Bei einer historischen Betrachtung sind die verschiedenen Keimzellen der heutigen Bebauung zu unterscheiden, denn auch schon zu Anfang der Besiedlung war das Dorf „Brockhuysen", wie es damals hieß, vom Schloß nicht bloß räumlich entfernt. Anhand alter zeitgeschichtlicher Zeugnisse über die Soester Börde wird das Dorf 1167 in der Freigrafschaft Heppen erstmals erwähnt. Es ist dabei übrigens durch das beigefügte Lütgenbrockhausen relativ sicher von anderen Dörfern gleichen oder ähnlichen Namens, etwa Bruchhausen, zu unterscheiden. Das älteste bekannte Relikt stellt eine Glocke aus dem Jahre 1608 dar, die zeitweilig als Uhrglocke im Schloß hing und mittlerweile ihren Ehrenplatz beim heutigen Besitzer Friederich Hautkapp gefunden hat.

Von dieser kleinbäuerlichen Subsistenzbesiedlung zu unterscheiden ist die Entstehung der herrschaftlichen Behausungen. Die ersten Herren zu Brockhausen waren Castellane in Hovestadt, die sich aufgrund räumlicher Enge - immerhin ein siebenköpfiger Verwaltungsstab des Grafen von Arnsberg mitsamt Gesinde - ein Burglehen nahmen und sich fortan Herren von Brockhausen nannten. Gottschalk von Brockhausen ist da zu erwähnen, der mit Heinrich Schultheiß von Soest verwandt war.

Diese Zeiten waren geprägt von höchst komplizierten Verhältnissen, auch multinationalen Beziehungen, was sich unter anderem an der Geschichte der dazugehörigen Mühle dokumentiert, die zwar zu dem in preußischem Besitz befindlichen Gebiet gehörte, selbst aber jenseits der Ahse auf Cöllnischem Besitz lag - ein beredtes Beispiel deutscher Vielstaaterei.


                                     Ein Teil der alten Gemäuer steht und ist noch in Funktion: So die alte
                                     Mühle, heute mit maschinengetriebenen Werk.             Foto: Benrath


Wahrung des Familienbesitzes durch Fideikommiß

Der Standort dieser Mühle ist wohl dokumentiert, doch läßt sich nicht genau rekonstruieren, wo sich das damalige Schloß befunden hat. Auch das genaue Entstehungsdatum des Barockschlosses ist nicht belegt, es lag um 1700. Die vielfältigen alten Dokumente sind genauso verstreut, wie einige erhaltene Bruchstücke aus diesem Schloß. Von der Existenz des Treppenhauses wird berichtet, wie von der jetzigen Unterkunft der Stuckdecken im Erbdrostenhof in Münster. Dokumente befinden sich sowohl in Privatbesitz als auch im Archiv Schloß Cappenburg.

Bei den wechselnden Besitzverhältnissen des Brockhauser Schlosses - oft auch als Rittergut erwähnt - ist besonders die Einrichtung des sogenannten „Fideikommiß" bemerkenswert: Steht kein männlicher Nachfolger der Sippe zur Verfügung, darf nicht verkauft werden, sondern eine weibliche Erbin wird ernannt -eine erstaunliche Einrichtung zur Wahrung kontinuierlicher Besitzverhältnisse.

Ob der Verkauf von Sturm von Kleinsorgen an Friederich Hautkapp sr. und dessen vergebliche Mühen zur Erhaltung des immer schwieriger zu unterhaltenden Gebäudes letztlich Grund für die Zerstörung waren oder ob nicht schon mit der Einquartierung vieler, vielleicht zu vieler Menschen in den Kriegsjahren der Untergang begann, läßt sich heute nicht mehr belegen. Möglicherweise spielte auch die Ahse-Regulierung 1958 mit den Folgen für die Grundwasserverhältnisse eine Rolle, da das Gebäude auf Eichenbalkenfundamenten ruhte.

Ändern läßt sich rückwirkend nichts mehr, und Tonius Neu, der „Schloßgeist", wie er oft liebevoll genannt wird, wohnt wie ehedem in den Nebengebäuden. Wie viele andere, so ist auch er stets bemüht, Auskunft zu erteilen beim Bemühen, die Geschichte von Dorf und Schloß Brockhausen möglichst lückenlos zu rekonstruieren.
Die Arbeit von Heimatpfleger Otto Peters wird dabei nicht zuletzt durch das erfreuliche Interesse gerade auch der jungen Menschen gewürdigt.





     Zwei wertvolle Leuchter sind auf diesem Bild zu sehen,
     das in der im Nordteil des Schlosses untergebrachten
     Kapelle entstand. Dazwischen befindet sich ein Schrein
     mit einer aus dem Jahr 1846 stammenden Reliquie der
     Hl. Jungfrau Agathe. Vermutlich sind diese Stücke,
     deren Aufbewahrungsort an einen kirchlichen Raum
     gebunden ist, heute in der Oestinghauser Kirche zu
     suchen.




 

Schloßgeschichte in Zahlen

1282 - 1295
Gottschalk Conrad von Brockhausen siedelt aus dem siebenköpfigen Ritterstab des Schlosses Hovestadt auf ein Lehen aus.

1370
Kunigunde von Brockhausen heiratet Bernhard Wulf von Lüdinghausen.

1412
Nach dem Aussterben des Geschlechtes taucht als nächster Besitzer der Patrizier Joan von Altenbreckerfeld auf.

1511
Joan von Esbeck führt den Fiedeikommiß ein.

1679
Anna Maria Elisabeth von Esbeck heiratet als Erbtochter Johann Florenz von Krane.

um 1700
Bau des 1969 gesprengten Schlosses (Zeitpunkt rekonstruierbar anhand von Baurechnungen).

1867
Auguste von Krane heiratet Maximilian von Kleinsorgen, den Großvater vorletzten Besitzers Sturm von Kleinsorgen.

1925
Plan zu einer weitgehenden Renovierung und Ausbau wird aus verschiedenen Gründen nicht durchgeführt.

1958
Friederich Hautkapp sr., industrieverdrängter Landwirt aus Bochum, erwirbt den Gutsbetrieb.

1963
Der letzte Pächter Ewald Breiskorn verläßt den Betrieb.

Sommer 1969
Sprengung des Schlosses.
 

                                                                                                                     Aus: Soester Anzeiger v. 26/27.03.1988