DORF - PORTRAIT
Ruhiges Dorfleben fernab der Hauptverkehrsstraßen
Lippetal-Brockhausen. (hb) Die Brockhauser selber bezeichnen ihren Heimatort als „Dorf ohne Mittelpunkt". Diese Beschreibung für einen der kleinsten Lippetaler Dorfgemeinschaften ist aber keineswegs negativ gemeint, umschreibt sie doch lediglich die großflächigen Ausmaße Brockhausens. Wer weiß schon, daß zu Brockhausen Häuser und Straßen gehören, die auf den ersten Blick eindeutig mit Oestinghausen verbunden sind? Das „Oestinghauser Vordorf“, aus Soest kommend rechts und links der Bundesstraße 475, gehört so zum Beispiel mit Häusern, Höfen und Tankstelle zu Brockhausen. Auch weitläufige, ausschließlich land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen gehören zu Brockhausen, ebenso wie da eigentliche Dorf, das sich längs der Kreisstraße zwischen Oestinghausen und Weslarn befindet. So kommt Brockhausen mit fast 660 Hektar auf die größte Fläche bei den kleineren Dörfern. Nur die beiden Lippetaler Schwerpunkte Herzfeld und Lippborg übertreffen die Flächengröße. Von der Fläche gesehen ist Brockhausen mehr als doppelt so groß wie Oestinghausen, und auch Hovestadt macht weniger als die Hälfte aus. Genügend Platz also für die 135 männlichen und 133 weiblichen Einwohner Brockhausens.
Auch auf das gesellschaftliche Zusammenleben soll die Umschreibung „Dorf ohne Mittelpunkt“ nicht passen, hat hier Brockhausen doch auch Aktivitäten zu bieten. Zwar gehört der Schützenverein Brockhausen 1933 e.V. nicht zu den ältesten Schützenvereinigungen, das Jahresfest gehört aber trotzdem immer wieder zu den Höhepunkten im Jahresprogramm. Einer alten Tradition verbunden fühlen sich die Schützen dabei immer wieder beim traditionellen Vogelschießen: Nicht über Kimme und Korn wird der Adler erlegt, sondern mit Pfeil und Armbrust wird der Kampf um die Königswürden ausgetragen. Aktiv auch die Freiwillige Feuerwehr Brockhausen, die eine eigene Löschgruppe stellt und dem Löschzug Oestinghausen angeschlossen ist. Seine Ursprünge in Brockhausen findet auch der Sauerländische Gebirgsverein Lippetal, der sich aus dem SGV Brockhausen-Weslarn entwickelte. Wilhelm Nigge aus Brockhausen steht heute dem SGV Lippetal vor.
Da sich aufgrund der kleinen Einwohnerzahl das Vereinsleben auf diese wenigen größeren Vereinigungen beschränken muß, zeigt sich die Brockhauser Bevölkerung besonders verbunden mit den Nachbardörfern. So verstärken Kicker aus Brockhausen die Schwarz-Gelben in Oestinghausen; Sänger und andere Vereine werden durch Brockhausen unterstützt. Auch über die Gemeindegrenzen hinweg wird die Geselligkeit gepflegt, fühlt sich Brockhausen doch auch mit Weslarn in der Gemeinde Bad Sassendorf verbunden. Ebenso wie das Vereinsleben paßte sich im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte auch das kirchliche Leben an die Nachbarorte an. Die evangelischen Kirchgänger, im Vergleich zu anderen Lippetaler Dörrern in Brockhausen besonders häufig zu finden, gehören so der Kirchengemeinde Weslarn an, während die Katholiken die Oestinghauser Pfarrkirche als ihren Gemeindemittelpunkt haben. - Während auch die Schüler die Angebote aus den Nachbarorten annehmen müssen - die nächste Grundschule befindet sich in Oestinghausen, die Lippetaler Hauptschule ist in Herzfeld - können die jüngsten Brockhauser in ihrem Heimatort bleiben.
Besonderes Engagement für Kinder
Einem besonderen Engagement der Erwachsenen haben es die Kleinen zu verdanken, daß es in Brockhausen einen Kindergarten gibt. Maßten die Kinder bis 1968 nach Borgeln in den Kindergarten gefahren werden, befindet sich heute in der ehemaligen Schule ein eigener Kindergarten. Der Kindergartenverein 1968 hat sich für die Umwandlung der ehemaligen Schule eingesetzt. Obwohl damals Gemeinde und Experten das Projekt sehr kritisch betrachteten und der Einrichtung keine Zukunft gaben, erfreut sich der Kindergarten auch heute noch großer Beliebtheit. Der Kindergartenverein sorgt auch heute noch für die finanzielle Unterstützung und auch für eine besondere Verbindung zwischen Kindergarten und Bevölkerung. So fühlen sich auch heute noch viele Bürger dem Kindergarten verpflichtet, obwohl sie schon längst keine Kinder mehr unterbringen müssen: So bleibt die Mitgliederzahl weiterhin konstant. Die äußere Verbundenheit wird besonders Jahr für Jahr in der Karnevalszeit deutlich. Am Rosenmontag ziehen groß und klein verkleidet durch den Ort. Kleine Handwagen, Musik und karnevalistische Laune prägen diese Veranstaltung, die zugunsten des Kindergartens stattfindet.
Hoch her geht es im Brockhauser Kindergarten: Eltern und Kinder feiern gerne und oft gemeinsam mit den Kindergärtnerinnen. Träger der Einrichtung ist der Kindergartenverein.
Der Blick in die Brockhauser Geschichte reicht bis in das Jahr 1244. Aus diesem Jahr ist eine Urkunde datiert, die den Kauf eines Hofes in Brockhausen perfekt machte. Den Geschichtsschreibern half bei den Recherchen ein Hofgelände in Lütken-Brockhausen, konnte doch nur mit dieser Zusatzbeschreibung Brockhausen von ähnlich klingenden Namen wie Bruchhausen, Bruckhausen und, ähnlichem unterschieden werden. Brockhausen verfügte lange Jahre über eine eigene Schloßanlage, dem Haus Brockhausen, das 1960 wegen Baufälligkeit abgebrochen wurde. Dort, wo heute noch die alte Mühle zwischen Nordwald und Brockhausen zu finden ist, hat sich dieses Schloß befunden. Auch der älteste Hof der Soester Börde ist in Brockhausen zu finden. Die Anlage Wietis soll bereits im Jahr 1068 erwähnt worden sein. Wie bereits vor Jahrhunderten wird Brockhausen auch heute noch durch die Rosenau und durch die Ahse geprägt. Neben diesen beiden Bächen prägen viele Teiche die Gebiete um Brockhausen.
Gefahr durch Hochwasser: Keller sucht man vergeblich
Der hohe Grundwasserspiegel beschert der Bevölkerung Jahr für Jahr immer wieder größere Probleme mit dem Hochwasser, das vor Straßen, Häusern und Kellern natürlich keinen Halt macht. So sind zumindest bei allen älteren Häusern in Brockhausen auch keine Keller zu finden.
Waschtag Anno dazumal: Die Rosenau bot sich für die tägliche Wäsche geradezu an. Der Bach wurde angestaut, und schon konnte gerubbelt und gewaschen werden.
Ein Teich prägt auch den Kern des eigentlichen Dorfes. Als Löschteich konzipiert wirkt dieser Teich mittlerweile auch ortsverschönernd. Besondere Bedeutung wird diesem Teich so auch in der Mängelanalyse zuerkannt, die im Zuge der Ortskernsanierungen in der Gemeinde Lippetal erstellt wurden. Die Dorfgemeinschaft verschönerte diesen Teich durch ein kleines Entenhaus, daß sich im schmucken Fachwerkstil den Nachbarhöfen anpaßt.
Mit dem Wasser verbunden sind auch zwei alte Sagen, die ihren Ursprung in Brockhausen gefunden haben sollen. Zwar sind auch in der Bevölkerung die Namen dieser Sagen - „Brotkuhle“ und „Spielmannsschemm“ - noch bekannt, der Inhalt dieser Sagen ist aber nicht mehr überliefert.
Fährt man heute durch Brockhausen, fallen einem sofort die vielen Autos auf, die vor den Wohnhäusern parken. Brockhausen trägt mit Sicherheit mit seinem hohen Motorisierungsgrad für den Rekord der Gemeinde Lippetal bei: In der Flächengemeinde gibt es auf die Bevölkerungszahlen bezogen die meisten Autos im Soester Kreisgebiet. Aber diese hohe Motorisierung ist leicht zu verstehen, blickt man sich in Brockhausen weiter um. Kein Bäcker, kein Metzger und auch kein Lebensmittelgeschäft ist in Brockhausen zu finden. Die Geschäfte aus den Nachbardörfern und aus Soest müssen die Bevölkerung mitversorgen.
Millionen für Naturschutz
Auch wenn Brockhausen auf dem ersten Blick landwirtschaftlich geprägt ist, gibt es auch in diesem Teil der Gemeinde immer weniger Vollerwerbshöfe. Der Trend zur Landwirtschaft als Nebenerwerb greift auch hier durch: Die Probleme in der Landwirtschaft machen auch Brockhausen nicht halt. Die kleiner werdende Bedeutung der Landwirtschaft bietet auch Möglichkeiten für den Naturschutz, der in Brockhausen durch eine großangelegte „Renaturierungaktion“ besonders groß geschrieben wird. Von Weslarn aus wurde und wird in einem Millionenprojekt die Rosenau wieder in ein natürliches Flußbett gelegt. Ein geschlängelter Flußverlauf und Altarme sollen Pflanzen und Tiere wieder einen Lebensraum verschaffen.
Der Herbshof vor Oestinghausen: Auch dieses alte Gehöft gehört zu Brockhausen.
Besonders angesehen war und ist in Brockhausen Otto Schulze-Weimann. Er war von 1948 bis zur kommunalen Neugliederung des Kreises Soest im Jahre 1969 Bürgermeister der ehemaligen Gemeinde Brockhausen. In seiner langjährigen Amtszeit fiel unter anderem auch der Bau der ehemaligen Volksschule Brockhausen, in der heute der Kindergarten untergebracht ist. Auch um die Feuerwehr machte er sich verdient. Schulze-Weimann sorgte dafür, daß Brockhausen Ende der 50er Jahre ein Feuerwehrgerätehaus und der Gegenwart entsprechende Geräte erhielt. Der FDP-Mann zählte zu den Mitbegründern des Schützenvereins, außerdem hat er den Wasser- und Bodenverband mitbegründet. Heute spiegelt sich in den Wahlergebnissen die politische Situation in Lippetal wider. Den Großteil der Stimmen bekam die CDU, ein Drittel der Wähler votierte für die SPD, im Vergleich zu den anderen Lippetaler Orten wählten bei den Bundes- und Landtagswahlen relativ viele Brockhauser die FDP. Im Gemeinderat wird Brockhausen durch Wilhelm Behrens von der SPD vertreten. Aus: Soester Kreisanzeiger, 15/16. August 1987
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