Rettet das Fachwerk

FACHWERK beherrschte das Ortsbild von Hovestadt.

Leider sind einige dieser schönen Häuser nicht mehr zu sehen, abgebrochen oder heute “verkleidet”.

“Die hohe Wohnkultur, die auf dem Lande in früherer Zeit selten war, färbte vom Schloss auf die Baukultur des Ortes ab.
Die älteren Häuser haben schöne, harmonische Formen, die Gasthäuser heimelige kultivierte Stuben und verträumte Gärten. Sie sind Schlösser und Schloßparks im kleinen.
Ein Ort, der ein kleines Schmuckkästchen ist.”
                                                                          
(Soester Heimatkalender von 1953, Wilh. Westecker “Das Traumschloß an der Lippe”)


                               “Wir können doch nicht 20 Morgen Land verkaufen”

Denkmalschützer ziehen neuerdings über Land und wollen Höfe sichern.
Doch nur selten haben Landwirte das Geld, ihre alten Gebäude aufzupolieren.

SOEST  Soest ist ein Eldorado an Denkmälern. 600 Bauten stehen in der Stadt unter Schutz. Jetzt ziehen die Denkmalschützer über Land und wollen auch auf den Dörfern Hofanlagen und Einzelobjekte sichern. Der Bauausschuss wird heute über die ersten beiden Höfe befinden; die Eigentümer wehren sich gegen den Denkmalschutz.

„Ein Witz", sagt Ingeborg Müller kurz und knapp. „Seit vier Jahren warten wir auf einen Bescheid aus dem Rathaus." Die Müllers betreiben seit Generationen Hinter der alten Schule einen Hof. Im Eichenbalken über dem Tor ist der 1. Juni 1882 eingeritzt. Nun soll der Sohn (33) den Hof weiterführen - im Nebenerwerb.

Eine Gerümpelkammer von ortsgeschichtlichem Wert

Doch er möchte auch gern auf dem Hof wohnen und würde dazu gern ein Häuschen errichten, wo heute das alte, längst heruntergekommene Backhaus steht. Zuletzt wohnten hier Flüchtlinge im Krieg vor über 60 Jahren; heute dient das kleine, nur fünf mal sechs Meter messende Backsteinhäuschen mit seinen nur 1,70 Meter hohen Geschossdecken als „Gerümpelkammer", schildert Ingeborg Müller.

Aber auch diese „Gerümpelkammer" soll geschützt  werden, finden die Denkmalschützer. „Die Hofanlage ist ein überdurchschnittlich gut erhaltenes Zeugnis bäuerlichen Wohnens und Wirtschaftens im 19. Jahrhundert und damit von ortsgeschichtlicher Bedeutung", finden sie. Dass nur ein Grundstück weiter ein moderner, viel zu groß geratener Klinkerbau das Gesamtbild zerstört, ficht sie nicht an. „Wir können doch nicht 20 Morgen Land verkaufen", um das abbruchreife Häuschen herzurichten, sagt Ingeborg Müller.

Diese Einschätzung teilt auch Helmut Schinkel, der im Rathaus zuständige Fachmann für den Denkmalschutz. „Die Aufwendungen für Denkmäler müssen aus den Denkmälern selber erwirtschaftet werden." Wo das nicht geht, könne den Eigentümern auch nicht zugemutet  werden, ihre Objekte zu pflegen.

Doch Schinkel fügt hinzu: Ob Denkmalschutz zumutbar ist oder nicht, wird, erst „später" geklärt. Heute gehe es allein um die Frage, um die Höfe Schutz genießen sollten oder nicht, weil sie eben von besonderer Bedeutung sind. Und dabei dürften wirtschaftliche Belange keine Rolle spielen.

Sanierung wird zum Fass ohne Boden

Sind sie erst einmal unter Schutz gestellt, beginne die Suche nach Kompromissen, so Schinkel: Was geht, was geht nicht? Am Ende könne dabei durchaus das herauskommen, was die Familie seit vier Jahren möchte: Erhalt des Bauernhauses und zweier Ställe, aber eben auch Abriss des Backs und Neubau.

Um eine wirtschaftliche Lösung geht es auch Georg Dickeduisberg in Hiddingsen. „Ein Verkauf (der alten Hofanlage) steht zur Debatte." Doch jetzt sollen auch diese zwei Bauten unter Denkmalschutz. Der Hiddingser hat die Stadt in anderthalb Zeilen wissen lassen, er sei an einer Erhaltung und Sanierung der Alt-Bauten „nicht interessiert". Seit Jahren stehen die Objekte leer und spielten keinen Ertrag ein. Sie jetzt zu schützen und in sie zu investieren, „ist ein Fass ohne Boden".  hs

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          Fast 300 Jahre alt:
          Dieses leerstehende Bauernhaus in
          Hiddingsen soll ebenfalls unter Schutz.
          Ein Fass ohne Boden?





 

 

 


                                                               Denkmalschutz auf Dörfern

Denkmalschutz ist auf den Soester Dörfern noch ein Fremdwort. Nur zwei Dutzend Bauten stehen in den 18 Ortsteilen unter Kuratel, sagt Denkmalschützer Helmut Schinkel. In einem dreijährigen Arbeitsbeschaffungs-Projekt haben Fachleute die Dörfer nach schützenswerter Substanz inspiziert. 140 Objekte haben sie auf eine „Verdachtsliste" gesetzt. Nun haben die Denkmalschützer die Liste durchgearbeitet und werden -voraussichtlich im kommenden Jahr - der Politik vorschlagen, 30 bis 40 Bauten unter Schutz zu stellen. Weil auf den zwei Höfen in Ampen und Hidd ingsen jetzt Veränderungen anstehen, sind diese beiden .Kulturgüter" vorgezogen worden. Sie vermitteln, so die Experten, „einen plastischen Eindruck von der    „bäuerlichen Lebenswelt" im 19. Jahrhundert. Für die Eigentümer freilich bleibt die Sorge, dies beim Erhalt der Höfe mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts in Einklang zu bringen.  hs

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          Gestörte Optik:
          Rechts das alte Backhaus,
          daneben ein zu groß geratener,
          moderner Klinkerbau in Ampen.





 


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Lohnendes Anschauungs-Objekt für den örtlichen Kindergarten, aber auch für die Denkmalschützer: Der Hof Müller mitten in Ampen.
Die Familie will die Anlage weitgehend erhalten und Pflegen, nur nicht das einstige Backhaus.

Aus: Soester Anzeiger vom 18.10.2007.  3 Fotos: Strumann