HEERSTRASSE und POSTWEG an der Lippe

Während Erinnerungen an die alte Heerstraße an der Lippe und an allem, was sie für frühere Generationen an Not und Leid gebracht hat, kaum noch im Volksbewußtsein vorhanden sind, hat sich die Erinnerung daran, daß diese Straße einst ein wichtiger Postweg gewesen ist, schon eher erhalten. Es gibt an dieser Straße mehr als einen „Gasthof zur Post"; in Eickelborn hat man sinnvoll eine Straße „Postweg" genannt.

Die Einrichtung der Post, der Nachrichtenübermittlung, geht bis ins graue Altertum zurück. Im römischen Weltreich war es Kaiser Augustus, der die Nachrichtenübermittlung einheitlich gestaltete, dazu Wagen einführte, die auch Staatspersonen mitnahmen, cursus publicus genannt. Solche römischen Postwagen dürften auch die Heerstraße an der Lippe benutzt haben, und auf diesem Wege dürften reitende Boten die Nachricht von der Niederlage des Varus und der Vernichtung der drei Legionen im Teutoburger Wald dem Kaiser Augustus überbracht haben. Im Mittelalter gab es im Deutschen Reich nur gering entwickelte Einrichtungen für die Überbringung von Nachrichten, fast nur Botenposten.
Erst zu Beginn der Neuzeit entstand allmählich das uns geläufige Postwesen, beginnend mit der vom Deutschen Kaiser im Beginn des 16. Jahrhunderts privilegierten Thurn- und Taxis'schen Reichspost. Der Kaiser beanspruchte damals die Einrichtung der Post als ein Königsrecht, als ein Regal, von dem also die Landesherren ausgeschlossen waren. Als diese allmählich erkannten, welche Vorteile die Einrichtung einer eigenen Post hatte, vor allem auch in finanzieller Hinsicht, versuchten sie, das Regal zu umgehen, abzulösen oder zu beseitigen. Das gelang als erstem dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, dem „Großen Kurfürsten". Er begann im Jahre 1646 mit der Einrichtung einer preußischen Post zwischen seinen weit auseinander gelegenen Landesteilen Cleve im Westen und (Ost-) Preußen im Osten; diese Postlinie hatte folgenden Verlauf: Cleve - Wesel - Hamm - Lippstadt - Bielefeld - Minden - Magdeburg - Berlin - Stettin - Danzig - Königsberg - Memel, für unsere Gegend näher bezeichnet: Wesel - Olfen - Lünen, dort die Lippe überschreitend südlich des Flusses: Hamm - Uentrop - Hultrop - Pockes/Ecke - Hovestadt - Eickelborn - Benninghausen - Hellinghausen - Lippstadt. Wir sind hier also wieder auf unserer alten Heerstraße.

Nach Einrichtung der ganzen Strecke verkehrten hier zunächst zweimal wöchentlich reitende Postillone, die Briefpost beförderten, später Fahrposten, auch Personenposten genannt, eben die viel genannten Postkutschen, zu Beginn des vorigen Jahrhunderts noch Schnellposten und Extraposten für außergewöhnliche Personenbeförderungen. Die Beschwerlichkeit des Reisens in jener Postkutschen-zeit ist oft genug beschrieben worden; man darf es ohne Übertreibung im Vergleich mit dem heutigen Reisen in der Eisenbahn, im Kraftwagen oder im Flugzeug als ein Martyrium bezeichnen. Die Postwagen waren zunächst ungefedert und ohne Überdachung, so daß die Reisenden den Unbilden jedes Wetters ausgesetzt waren; später gab es eine Überdachung und eine Aufhängung der Sitze in Lederriemen. Vor allem aber waren die schlechten Wegeverhältnisse schuld; größtenteils Sandwege, die nur streckenweise eine Steinpackung hatten, dazu viele Schlaglöcher. Für die Instandhaltung der Straßen waren die Städte und Gemeinden verantwortlich, und zahlreich sind die „Anhaltungen" der preußischen Könige an Magistrate und Drosten (Bürgermeister) zur Instandsetzung der Straßen, so an den Drosten zu Erwitte 1701, 1711 und 1739; eine solche „Anhaltung" lautete:

„. . . Wie nun an den bemelten Gegenden (Benninghausen und Eickelborn) sich einige grundlose Oerter befinden, so daß Postwagen, Chaisen, Karren, noch auch jemand durchkommen kann, sondern gänzlich versinken und liegen bleiben müssen, absonderlich beim Schulzen zu Westhof im Benninghauser Distrikt ein so abominales (abscheuliches), grundloses Loch vorhanden, daß der Postwagen oder eine Chaise mit acht Pferden daraus nicht gebracht werden kann: als ersuche Ew. Hochedelgeboren hiermit inständigst, insbesondere aber dem Schulzen zu Westhof durch einen Ambtsdiener ansagen zu lassen, daß der abominale Ort seines Distriktes sofort mit Holz ausgefüllet und sonsten die übrigen Oerter bestmöglichst repariert werden mögen. Dieser Ort tut dem Churfürstlichen Zoll zu Benninghausen entsetzlichen Schaden, weil die Fuhrleute, so den Zoll daselbst abgeben müssen,, die Gegend verfluchen und alle Welt davor warnen wollen . . ."
                                                                                                                      
(Gräfl. Landsbergisches Archiv.)

An gefährdeten Stellen der Straßen drehte sich der Schirrmeister nach den Fahrgästen um und rief: „Mine Herrens, nehmt Se seck in acht; hier ward umsmeten!"

Das größte aller Übel in alter Zeit bis in das vorige Jahrhundert hinein war die Unsicherheit auf den Landstraßen; Raubüberfälle auf Postwagen und Reisende waren nicht selten; machte eine Räuberbande eine Gegend unsicher, so wurden Soldaten zu Pferde den Postwagen zum Schütze beigegeben.

Zugleich mit der fortschreitenden Bedeutung der Post für den Personenverkehr gewinnt eine Person immer mehr Leben und Farbe: der Postillon mit seinem Posthorn. Postkutsche und Postillon sind in Liedern und Gedichten, besonders in der romantischen Zeit vor reichlich hundert Jahren, beschrieben und besungen worden. Der Postillon hatte eine besondere Dienstkleidung, trug das Posthorn an einer farbigen Schnur vor der Brust, das Wappen des Landes- oder Dienstherrn in einem Schilde auf dem Ärmel oder auch auf der Brust; er hatte den „Postzettel" bei sich zu führen, welcher zugleich als Ausweis diente. Jeder Postillon mußte die vorgeschriebenen Signale blasen können; besondere Geschicklichkeit im Blasen wurde mit der Verleihung eines Ehrenposthorns belohnt. Es war der Ehrgeiz der Postillone, die Reisenden mit lustigen Posthornstücken zu erfreuen; große Tonkünstler, wie Beethoven, Händel und Bach, haben sich von ihnen zu schönen Tonbildern begeistern lassen. Goethe, Eichendorff, Wilhelm Müller und andere Dichter haben die Romantik des Posthorns in Gedichten verewigt.

Der Bau der Eisenbahnlinien um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hat der Postkutschenzeit ein Ende bereitet, aber bis in die ersten Jahre unseres Jahrhunderts sind noch einzelne Personenposten in unserer Gegend gefahren, an die sich alte Leute noch gut erinnern.

 



                  An der Lippe

 

 

 

 


Schrifltumsnachweis:

1.   P. Graebner, Die Post im Paderborner Raum in den letzten 150 Jahren. Westfälischer Heimatkalender 1952.

2.   W. Kleffner, Der alte Postweg Hamm-Lippstadt. Heimatborn, Monatszeitschrift für Heimatkunde,
     Paderborn. 1923, Nr. 6.

3.   Gerhard Hoischen, „Am krummen Ellenbogen" in   Friedhardtskirchen.   Heimatblätter,   Beilage zum „Patriot". 
     Lippstadt. Nr. 10 vom 23. 10. 39.

4.   Dr.  Wilhelm Knorrenschild, Römische Militärstraßen an der Lippe.   Heimatblätter,   Beilage zum „Patriot". Lippstadt. 
     Nr. 4/1957.

5.   Friedrich August Graf von Plettenberg-Lenhausen, Aus der Geschichte von Hovestadt. Auszugsweise Wiedergabe 
     von Bergassessor a. D. Karl Göbel in Essen.

6.   Prof. Dr. Jakob Schneider, Die römischen Militärstraßen an der Lippe und das Castell Aliso. Düsseldorf 1878.

7.   Derselbe, Heerstraßen. Monatsschrift für die Geschichte Westdeutschlands. S. 513. 1879.

8.   Prof.  Dr.  August  Stieren,  Das  neue  römische Lager bei Holsterhausen und die römische Feldforschung.
     Auf Roter Erde. Heimatblätter der Westfälischen Nachrichten. Münster. Nr. 4 vom 21. 3. 1953.

9.   Friedrich Wiegelmann, Aus der Lippstädter Postkutschenzeit. Postgeschichtliche Blätter der Gesellschaft für 
     Deutsche  Postgeschichte.  Bezirksgruppe Dortmund. Nr. 10 vom Mai 1957.

10.  Günther, H. Tausch, Als noch die Postkutsche über Sandwege fuhr.
      Heimatblätter. Beilage zum „Patriot". Lippstadt. Nr. 1, Januar 1944.