Konrad Stengel
Pressebericht
Lippborger Geschichte(n)
Aus der Geschichte des Bahnhofes Lippborg
Lippetal - Lippborg (kst). Am 22. September 2002 feiert eine Einrichtung den 100. Jahrestag ihrer Baugenehmigung, die ab „Pengelanton" oder „feuriger Elias", zu früheren Zeiten so genannt, heute nur noch einmal im Monat oder zu besonderen Anlassen, wie am letzten Wochenende zum Lippborger Markt, dampfend und schnaubend das nördliche Lippetal durchfährt und Eisenbahn-Nostalgie aufkommen lässt Gemeint ist die frühere Kleinbahn und heutige Museumseisenbahn auf der Strecke Hamm – Lippborg-Heintrop. Dieses Jubiläum ist einer näheren Betrachtung wert!
Als nach der napoleonischen Zeit die europäischen Verhältnisse im Wiener Kongress 1815 neu geregelt waren, setzte nach und nach die Industrialisierung ein. Es mussten neue Verkehrswege erschlossen werden. Ausser der Schiffbarmachung der Lippe und dem Bau der grossen Staatschausseen, den heutigen Bundesstrassen, ging man daran, die Regionen durch Eisenbahnen zu erschliessen. Die „Köln - Mindener Eisenbahn", die 1847 eröffnet wurde und die „Westfälische Bahn", die Hamm 1850 mit Paderborn verband, nahm 1855 die „Dortmund - Soester Eisenbahn" ihren Verkehr auf. Ein preußisches Gesetz regelte den Bau und die Entwicklung von so genannten „Kleinbahnen" mit einer Spurbreite von einem Meter. Der Kreistag in Soest beschloss 1894 den Bau einer Kleinbahnstrecke von Neheim - Niederense - Ostönnen - Soest - Oestinghausen nach Hovestadt, deren Bau 1897 begonnen wurde. Der Ausbau der Kleinbahnstrecke Hamm - Uentrop - Lippborg - Hultrop nach Oestinghausen war 1904 beendet Betreiber war jeweils die „Ruhr-Lippe-Kleinbahn GmbH" (RLK) mit Sitz in Soest, die 1905 in eine AG umgewandelt wurde unter Beteiligung der Kreise und Kommunen des Verkehrsgebietes. Damit auch Waggons mit Regelspur auf der 1- Meter-Schmalspur befördert werden konnten, erfolgte z. B in Soest eine Umladung auf so genannte Rollbockwagen. Zur RLK gehörte ein eigener Steinbruch in Müschede, der u. a. auch das Material für den Staudamm der Möhnetalsperre lieferte, deren Genehmigung 1905 erteilt wurde. Sandladestellen in Lippborg und Uentrop lieferten Sand für die Sperrmauer. In Lippborg wurde der Sand von der Lippe mit Loren auf einem Damm, der sich östlich der heutigen B 475 in Efkers Wiese befand, zum Bahnhof Lippborg-Heintrop gebracht und dort umgeladen.
Der Bahnhof Lippborg und seine Geschichte
Lippetal-Lippborg (kst). Nach der Währungsreform und der Einführung der Goldmarkrechnung begann 1924 zunächst ein allgemeiner Niedergang. Die Besetzung des Ruhrgebietes durch die Franzosen, die Streiks der Bergleute und die allgemeine Arbeitslosigkeit machten der deutschen Volkswirtschaft zu schaffen. Erst mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten setzte eine allgemeine Aufwärtsentwicklung ein. Für den Bau der Reichsautobahn Ruhrgebiet - Hannover wurde 1935 der Bahnhof Uentrop zu einem Umschlagbahnhof umgebaut, um den anfallenden Güterverkehr zu bewältigen. Am Lippborger Bahnhof befanden sich zwei Güterschuppen. An der Regelspurstrecke nach Hamm wurde vom früheren Drahtwerk Rösler, das in Lippborg gegenüber der heutigen Bäckerei Lippling eine Drahtfabrik betrieb und später nach Soest übersiedelte, ein Güterschuppen übernommen, der sich an der Stelle des heutigen Raiffeisenrnarktes befand. An der Schmalspurstrecke Lippborg - Oestinghausen, direkt gegenüber der Bahnhofswirtschaft, befand sich ein weiterer Güterschuppen. Die Schienenstränge führten über die heutige B 475. Das Bahnhofsbüro mit dem Fahrkartenverkauf befand sich in der bahneigenen Bahnhofsgaststätte, deren erste Pächter die Familie Rost, später die Familie Lorenz Mobs war. In der Zeit, als der Strassenverkehr noch in den Anfängen steckte, hatte die Eisenbahn eine enorme Bedeutung. Sie war die einzige regelmässige Verbindung im ländlichen Raum. Entsprechend war auch die Ausnutzung dieses Verkehrsmittels sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr. Am Bahnhof Lippborg wurde Grubenholz und Nutzholz aus den v. Galen'schen Waldungen verladen, ebenso Flachs für die Flachsröste in Bad Gandersheim. Durch die beginnende Mechanisierung der Landwirtschaft wurden Maschinen benötigt, die auf dem Schienenweg an die Händler der Umgebung geliefert wurden, ebenso der erste Kunstdünger, wie Kalkstickstoff aus Troisdorf und Thomasmehl aus Castrop-Rauxel, Furniere für die damaligen Lippborger Möbelwerkstätten und Pflanzkartoffeln sowie Waren für die bäuerlichen Genossenschaften. Die Stückgutverteilung erfolgte durch den Spediteur Theodor Kleine von der Herzfelder Strasse mit Pferd und Wagen. Getreidelieferungen aus Lippborg und Umgebung gelangten über den Bahnhof an die Einfuhr- und Vorratsstelle in Hamm-Mark, die in den Hallen der Zeche Maximilian, die wegen Wassereinbruchs ihren Betrieb eingestellt hatte, Lagermöglichkeiten geschaffen hatte. In der Kriegs- und Nachkriegszeit wurde Vieh verladen, das für die Viehversteigerungen der Westfälischen Herdbuchgesellschaft in den Hammer Zentralhallen bestimmt war. Die Lippborger Viehhändler Anton Korff, Heinrich Kleine oder August Stiproweit aus Eilmsen verluden ihr Schlachtvieh ebenfalls am Lippborger Bahnhof, später übernahm die Spedition Fritz Vehling den Viehtransport per Lkw. (das Thema wird fortgesetzt)
Eisenbahnverkehr im Lippetal Kriegseinwirkungen und Nachkriegszeit Lippetal-Lippborg (kst).
Im Jahre 1940 begann die Kleinbahn, die sich ab dem 01. Januar 1939 Ruhr- Lippe - Eisenbahn AG nannte, an der Lippe wieder mit der Sandbaggerei. Dazu wurden ein Bagger, zwei Schleppkähne, ein Motorboot und eine Ladebrücke nebst Förderband angeschafft. Die ersten Kriegsjahre brachten noch keine nennenswerten Kriegsschäden. Mit der Bombardierung der Möhne-Sperrmauer am 17. Mai 1943 änderte sich das. Die „Organisation Todt" reparierte jedoch schnell wieder Schienenstränge und Sperrmauer. Schwere Luftangriffe der Alliierten, so der Grossangriff auf Hamm am 22. April und auf Soest am 03. Oktober und am 05. Dezember brachten grosse Zerstörungen auch für die Bahn. Für die Instandsetzung mussten Kriegsgefangene und Fremdarbeiter eingesetzt werden, eigene Fachkräfte waren im Kriegsdienst. Um den häufig zerstörten äusserst wichtigen Hammer Reichsbahnhof zu umfahren, wurden Umgehungsgeleise vom RLE-Bahnhof Hamm-Haaren über die Zechenbahn nach Ahlen verlegt, um kriegswichtigen Nachschub zu befördern. Auch auf den RLE-Strecken im Lippetal gab es Schäden und Verluste durch Tiefflieger. Bei Rangierarbeiten am Bahnhof Lippborg-Heintrop kamen zwei Bedienstete durch Beschuss zu Tode, in Lippborg wurde der Gastwirt Josef Willenbrink am 05. Februar 1945 durch Tiefflieger tödlich getroffen. Am Kriegsende kam sämtlicher Eisenbahnverkehr der RLE zum Erliegen. Jedoch verkehrten ab Mitte Mai schon wieder Züge auf den Strecken Hamm - Lippborg -Oestinghausen - Soest. In den ersten Nachkriegsjahren nahm der Personenverkehr auf der Schiene nicht zuletzt durch die vielen Hamsterfahrten der notleidenden Bevölkerung aus dem Ruhrgebiet enorm zu und erreichte 1946 mit über 4,2 Millionen Fahrgästen seinen Höhepunkt. Im Jahre 1950 wurde zwischen Soest und Lippborg bzw. Herzfeld der Omnibusverkehr eröffnet. Die vorhandenen Schmalspurgleise wurden 1953 abgebaut. Zwischen Hamm und Lippborg verkehrte nun ein Triebwagen auf der verbliebenen Normalspur. Dieser leistete seinen Dienst bis zum 27. September 1964, als auch hier der Omnibus den Dienst übernahm. Der Triebwagen behinderte den Schienengüterverkehr zum VEW-Kraftwerk Schmehausen und später zur Firma Du Pont in Uentrop. Der Personenverkehr auf der Schiene war damit bei der RLE zu Ende. Geblieben sind viele Erinnerungen an den so liebevoll als „Pengel-Anton" oder „feuriger Elias" genannten Dampfzug, der auch heute manchmal noch als Kleinbahn bezeichnet wird. Geblieben sind auch Erinnerungen an den „Eierbahnhof“ bei Beerwerths in Bünninghausen, wo das Zugpersonal sich mit Eiern versorgte und gedacht wird noch an die Zeit, wo der Zug in Lippborg - Heintrop nicht eher abfuhr, bis der letzte „Stammgast" eingestiegen war. Die Kleinbahn, in der Heimat fest verwurzelt, gibt es nun nicht mehr. Jedoch einmal im Monat, oder zu besonderen Anlässen, wie zum Lippborger Markt, fährt er noch, der alte Dampfzug der Hammer Eisenbahnfreunde und lädt zum Mitfahren ein.
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