Die Lippe
Der 255 km lange rechte Nebenfluss des Rheins entspringt bei Bad Lippspringe am Westabhang des Eggegebirges, durchquert das südliche Münsterland und mündet bei Wesel in den Rhein. Bei Neuhaus nimmt der stark gewundene Fluss die Pader und die Alme, bei Hamm die Ahse und bei Haltern die Stever auf, die zum Halterner Stausee gestaut ist. Von Hamm bis Wesel wird die Lippe vom Lippe-Seitenkanal begleitet, der für das nördliche Industriegebiet wichtig ist.
Im Burghofmuseum Soest wird ein mit Metall beschlagener Eichenpfahl aufbewahrt, der in der Lippe bei »Kesselere« aufgefunden wurde. Er stammt aus der Zeit, als die Römer um die Zeitenwende längs der Lippe feste Militärlager errichteten, wie Ausgrabungen in Haltern, Oberaden und Anreppen bei Paderborn mit zahlreichen Funden beweisen. Die Römer nutzten den »fluvius lupia« als Transportweg, um Proviant, Bau- und Kriegsmaterial zu ihren Lagern zu bringen. Der Fund eines römischen Schiffsankers im Flussbett bei Haltern beweist, dass die Lippe »navigabile«, d. h. schon zur Römerzeit schiffbar war.
Aber auch die germanische Bevölkerung längs der Lippe nutzte den Fluss, wie ein fast sieben Meter langer Einbaum beweist, der 1936 bei Liesborn aus der Lippe geborgen wurde. Er steht im Gustav-Lübke-Museum in Hamm.
Römischer Pfosten. Burghofmuseum in Soest.
Bedeutung eines Stauwehrs
Um Flüsse schiffbar zu machen oder ihre Wasserkraft zu nutzen, wird das Wasser gestaut, um es dann gezielt zu verwenden.
Ein Stauwehr ist im Wasserbau eine Vorrichtung zum Stauen von Wasser, also dem Erzeugen eines Niveauunterschiedes in einem Fließgewässer. Dabei wird der Bereich unterhalb des Wehres als Unterwasser, den oberhalb als Oberwasser bezeichnet. Die Höhe des Oberwasser bezeichnet man als Stauziel. Das überfallende Wasser fällt hinter dem Wehr in ein Tosbecken und wird vor dem Abfließen von einer Gegenschwelle gebremst.
Wehren können verschiedenen Zwecken dienen: Bewässerungszwecke, Schiffbarmachung des Oberwassers, Energiegewinnung für Mühlen und Elektrizitätswerke und Stabilisierung der Sohle des Fließgewässers. Die ersten Wehren gab es schon vor 5000 Jahren.
Das Stauwehr der Lippe bei Kesseler
Vom Vorhandensein einer Schleuse in Kesseler zeugt der im Nordrhein-Westfälischen Staatsarchiv in Münster aufbewahrte »Plan einer Schleuse zur Kesseler Mühle an der Lippe« aus dem Jahre 1773.
Seit dem 17. Jahrhundert ist der Schiffstransport auf der unteren Lippe durch Ziehen, Treideln genannt, nachweisbar. An den Ufern der Lippe waren Treidelpfade angelegt. Mit Pferden, aber auch durch Menschenkraft wurden die Schiffe gezogen, wobei Schiffsknechte auf dem Schiff mit Staken für den notwendigen Abstand des Bootes vom Ufer sorgten und der Schiffsführer am Steuer mit lauten Rufen die Kommandos gab.
Nachdem 1815 der gesamte Flusslauf der Lippe durch Kongressbeschluss von Wien preußisches Staatsgebiet geworden war, regelte seit 1817 eine Strom- und Uferordnung die Ufer- und Leinpfadnutzung. In einer Breite von 10 Fuß (= 3,15 m) mussten die Ufer der Lippe von Bäumen und Sträuchern für einen Pfad befreit werden.
Im Jahre 1818 wurde die Treidelstrecke von Lippstadt bis Lünen-Beckinghausen angelegt. So führte die Treidelstrecke von Lippstadt bis zur Middelburg auf dem linken Ufer und von der Middelburg bis Haaren bei Heessen auf dem rechten Ufer der Lippe.
Frachtschiff, das mit einem Pferd flussaufwärts getreidelt wird. Im Hintergrund Herzfeld mit der alten Kirche, links Schloss Hovestadt. Lithographie aus dem Jahre 1853.
Das erste Frachtschiff, von Wesel kommend, passierte am 28. März 1818 die neue Schleuse bei Kesseler und fuhr über Hovestadt-Herzfeld nach Lippstadt.
Am 4. September 1818 befuhr der preußische Oberpräsident von Westfalen, Ludwig Freiherr von Vincke, zur Inspizierung die Lippe.
Ein Ausbau der Schleusenanlage bei Kesseler erfolgte durch die Preußische Regierung in den Jahren 1827 bis 1829, als der Ausbau der Lippe als Schifffahrtsweg von Hamm nach Lippstadt auf Betreiben des preußischen Oberpräsidenten von Westfalen, Ludwig Freiherr von Vincke, durchgeführt wurde.
Im Jahre 1890 wurde die für die Schifffahrt notwendige Schleusenanlage in Kesseler erneuert und am 18. Oktober von der Gräfin Elisabeth von Plettenberg-Lenhausen auf den Namen »Elisabeth-Schleuse« getauft. Die 40 Meter lange und 4,70 Meter breite Schleusenkammer ermöglichte Schiffen bis zu 120 Tonnen Nutzlast die Fahrt flussaufwärts bis Lippstadt. Es wurden Holz, Getreide, Salz, Kohle Rasenerz, Ziegel und Natursteine auf der Lippe transportiert. Im Jahre 1891 errichtete die Melorationsgenossenschaft Lippstadt-Kesseler mit Hilfe staatlicher Zuschüsse eine 25 Meter lange und 3 Meter breite Brücke über die Lippe. Sie wurde mit drei Wasserdurchlässen mit je vier Schützwehren versehen. Diese konnten mittels Hand- kurbel den Wasserstand der Lippe regulieren. Außerdem wurde ein Durchlass, der sogenannte »Fischpass« gebaut, um den Fischen die Wanderung flussaufwärts zu ermöglichen.
An der Schleuse ließ das Wasserbauamt ein Wohnhaus für den Schleusenwärter Wickenkamp errichten, der für die Wartung der Stauwehranlagen und die Bedienung der Tore der Schleusenkammer und der Klappbrücke über den Schleusenuntergraben verantwortlich war.
Wohnhaus für den Schleusenwärter mit offener Schleuse.
Stemmtor einer alten Lippeschleuse
Als die aus staatlichen Mitteln erbaute Lippebrücke 1891 für den öffentlichen Verkehr geöffnet wurde, musste die Kanalbaudirektion erfahren, dass die hölzerne Joch- brücke über den Mühlenobergraben, von der Melorationsgenossenschaft erbaut, nur als Privatweg den Besitzern der Lippewiesen in Kesseler und Niederbauer den Zugang zu ihren Grundstücken ermöglichte. Im Jahre 1927 beschwerte sich der gräfliche Rentmeister Hubert Dürrefeld namens des Genossenschaftsverbandes bei dem Wasserbauamt in Hamm, dass seit 1925 mehr als 500 cbm Natursteine zur Befestigung der Uferanlagen über die private Jochbrücke angefahren worden seien und die Fuhrwerke den Fahrbahnbelag beschädigt hätten. Offensichtlich ist danach für die Jochbrücke eine Benutzung für die Allgemeinheit vereinbart worden.
Als im März 1945 amerikanische Truppe die nördlich der Lippe gelegenen Ortschaften besetzten, um die Einkesselung der deutsche Truppen im Ruhrkessel zu vollenden, wurde auf Befehl des Soester Bezirks-Kampfkommandanten Oberst Stripp und des Verteidigungskommissars NSDAP-Kreisleiter Ernst die Sprengung der Lippebrücken in Lippborg, Kesseler, Hovestadt und Benninghausen durch den Einbau von Fliegerbomben bzw. Sprengsätzen vorbereitet. In der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag gab Major Heeremann den Befehl zur Sprengung der Brücken, der zwischen 2 und 3 Uhr ausgeführt wurde. Die Brücke in Kesseler blieb von einer Totalzerstörung verschont, weil die Volkssturmmänner Josef Zyprian sen. und Heinrich Cramer-Holtkamp sen. während ihres nächtlichen Wachdienstes in Niederbauer einen Teil der Zündanlagen unbemerkt entfernen konnten.
Gesprengte Wehrbrücke in Kesseler am 1. April 1945.
Wehrbrücke im heutigen Zustand
|