Im Jahre 1910 wurden vermutlich die ersten Gespräche über eine Weiterführung der Strecke der Ruhr-Lippe-Eisenbahn von Soest nach Hovestadt über die Lippe nach Herzfeld geführt.
Eine Akte des Kanalbauamtes in Hamm enthält 65 Blätter und beginnt mit einem Schreiben der Ruhr-Lippe-Kleinbahnen vom 9.10. 1910, mit dem eine (nicht vorhandene) Entwurfszeichnung für die Strecke Hovestadt-Herzfeld übersandt wird. Das Protokoll einer am 7. Januar 1911 in Herzfeld geführten Verhandlung bezieht sich auf die Eingabe der Gemeinde Hovestadt, in der Bedenken gegen die Neubaustrecke wegen der möglichen Erhöhung der Hochwassergefahr geäußert werden. Nach einer Begehung der geplanten Linienführung wurden die geplanten Bauwerke von dem Vertreter der Kleinbahn erläutert.
Der Vertreter des Meliorationsbauamtes (Drainagebauamt), Baurat Hermann aus Münster, hält dagegen die Bedenken für unbegründet und hält die in dem umgearbeiteten Entwurf vorgesehenen Brückenweiten für die Lippe und Feldflut für ausreichend. Er verweist jedoch darauf, daß die stellenweise vorhandenen Ufererhöhungen nach den Brückenbauten im rückwärtigen Gelände neu erstellt werden müssen.
Es wird vereinbart, daß die Verwaltung der Ruhr-Lippe-Eisenbahnen die nötigen Unterlagen dem Herrn Regierungspräsidenten in Münster und der Königlichen Kanalbaudirektion in Essen übermittelt, Die Königliche Kanalbaudirektion in Essen schlägt am 10. April 1911 vor, die Profilerweiterung unter der neuen geplanten Flußbrücke vorzunehmen, um den Gesamtquerschnitt zu vergrößern.
In einem weiteren Schreiben der Königlichen Kanalbaudirektion an den Regierungspräsidenten in Münster vom 20. Juli 1911 wird -wie schon in dem Herzfelder Gespräch am 7.1.1911 vorgetragen- auf die Planungen der neuen Schifffahrtsstrasse hingewiesen. Gemeint ist die Schiffbarmachung der Lippe zwischen Hamm und Lippstadt, gefordert wird daher, die geplante Eisenbannbrücke so zu bauen, daß eine lichte Höhe von 2,5 m über dem höchsten schiffbaren Wasserstand der Lippe gegeben ist. Für den Fall, daß die neue Schifffahrtsstraße unter der Brücke durchgeführt werden sollte, wird eine weitere Hebung von 1,5 m auf + N.N. 73,15 verlangt. Daher müßte sich die Ruhr-Lippe-Eisenbahn verpflichten, alle entstehenden Kosten für einen evt. notwendigen vermehrten Grunderwerb, zusätzliche Dammschüttungen, Gleishebungen zu tragen .
Offensichtlich wurden die zusätzlichen Auflagen der Kanalbaudirektion in den Umplanungen der Ruhr-Lippe-Eisenbahn-Verwaltung berücksichtigt. Unter dem 27. Februar 1913 erteilt der Regierungspräsident in Arnsberg die Genehmigung für den Bau der Kleinbahn Hovestadt-Herzfeld.. Unter dem 22. April 1913 weist das Königliche Kanalbauamt in Hamm daraufhin, daß für die Arbeiten an der Lippe eine ström- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung einzuholen ist.
Am 7. April 1914 berichtet der in Benninhausen ansässige zuständige Strommeister Schütte dem Kanalbauamt in Hamm, daß der Bau der Bahnstrecke Hovestadt-Herzfeld zurückgestellt werden soll. Die Verwaltung der Ruhr-Lippe-Kleinbahnen in Soest teilt mit Schreiben vom 15.4.1914 und 7.5.1915 dem Königlichen Kanalbauamt in Hamm mit, daß mit der Inangriffnahme der Bauarbeiten kaum zu rechnen sei. Mit einem weiteren Schreiben vom 4.4.1916 wird berichtet: "Die Lippebrücke bei Hovestadt wird in absehbarer Zeit nicht ausgeführt."
Die Akte schließt mit einem handschriftlichen Vermerk des Kanalbauamtes über die Anlage eines neuen Aktenstückes betr. Weiterführung der Ruhr-Lippe-Kleinbahnen von Hovestadt nach Herzfeld, datiert vom 21.11.1919.
In der Dokumentation "In der Heimat fest verwurzelt - Die Ruhr-Lippe-Eisenbahnen: Geschichte und Geschichten" wird eine Kopie der aufsichtbehördlichen Genehmigung des Regierungspräsidenten von Arnsberg vom 27. Februar 1913 abgedruckt. Darunter der Hinweis, daß mit Nachtrag vom 8. Mai 1913 die Genehmigung zur Herstellung der Kleinbahn von Hovestadt nach Herzfeld zurückgezogen wurde. Über diesen Widerruf ist jedoch kein Vermerk in der Akte des Königlichen Kanalbauamtes in Hamm enthalten.
Die Dokumentation enthält auch das Gutachten über die Herstellung von Kleinbahnen im Kreise Soest vom September 1893. Darin ist sogar die Strecke Soest-Hovestadt-Beckum (evt. über Diestedde) mit einer Länge von 29 km geplant. Während alle anderen der 1893 geplanten Strecken realisiert wurden, kam 1898 die Linie Soest-Hovestadt zur Ausführung. Der Plan eines Brückenschlages von Hovestadt nach Herzfeld blieb im wahrsten Sinne des Wortes "auf der Strecke" und ist nur noch in alten Akten aufzuspüren...
Zusammengestellt im August 1997 von August Bierhaus, Ahaus
Quellen: Akte des Königlichen Kanalbauamtes Hamm 1910-1919 Ruhr-Lippe-Eisenbahnen: Geschichte und Geschichten Hsg.: Westfälische Verkehrsgesellschaft mbH. Münster
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