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Auch die in meiner Zeit noch, als vornehm geltende Sitte, aus Feuerschwamm mit Hilfe eines gebogenen Stahlstücks Feuerfunken zu schlagen, um so den Zunder in Brand zu setzen, war in seiner Zeit noch nicht modern. Der Graf und er tranken wie alle Leute von Format in der damaligen Zeit holländischen oder englischen Kaffee, während das Gesinde alltäglich Hafersuppe oder Milchsuppe als Morgenimbiss bekam. Kakao und Schokolade war damals ja ein so rarer Artikel, dass eine Maris Theresia von Wien eigens einen reitenden Boten zu ihrer Tochter Marie Antoniette nach Paris schickte, um dieser ein Pfund (!) Schokolade zu überbringen, so selten war diese Delikatesse, die sich zu unseren Tagen jeder kleine Mann leisten kann. Rentmeister Keimer berichtete ferner, dass mein Urgrossvater ein grosser Taubenliebhaber gewesen sei, für die er bei seinem regen Handel mit Getreide aus der Soester Börde, die er bekanntlich nach der Burgmühle verfrachtete, immer Abfallfutter hinreichend zur Verfügung hatte. Diese Passion hat sein Sohn, unser Grossvater Clemens August Josef Kleine, von ihm übernommen. Meist waren es blaue Feldflüchter, aber auch grosse Tümmler und Brieftauben und Pfauenschwänzchen, deren Seltenheit von den umliegenden Landwirten immer bewundert wurde, die ihm eigen waren. Seine vielen 'Tauben sollen sich manchmal so vermehrt haben, dass die Bauern sich beschwerten über den Schaden, den sie durch seine Taubenliebhaberei hatten, wenn sie ihr Saatkorn im Herbst dem Acker anvertraut hatten. Seinen Kindern liess er eine gute Erziehung zukommen und erzog seine Töchter zu tüchtigen Hausfrauen, angeregt durch die Nachbarschaft des Grafen. Über seine Frau Anna Gertrud wissen wir nur wenig, nur ist von ihr bekannt, dass der Hausgarten immer in meisterhafter Art gehalten wurde und sie grosse Blumenliebhaberin war, die immer das allerneueste auf diesem Gebiete von Lippstädter oder Soester Gärtnern mitbrachte und dass später gern Ableger an bekannte und befreundete Familien abgab. Jhr Mann, der uns als eine würdige Gestalt geschildert wird, war starker Raucher, eine Kleinesche "Erbkrankheit" und kaufte seinen geschnittenen "Toback in Blechdosen, den er gern im Kreise seiner Familie und guter Bekannten oder bei gutem Wetter vor der Haustür stehend, verqualmte. Seine Bezugsquelle war die heute noch bekannte alte Firma Hendriks Oldenkott & Co in Amsterdam. Mit dieser Firma stand er und seine Söhne jahrzehntelang in Geschäftsverbindung. Dem Schnupftabak von Foveaux - das war die damals beliebteste Marke - war er auch nicht abhold, wie alle Männer seiner Zeit, wo man sich Schnupftabaksdosen vom König bis zum einfachen Bauer aus Freundschaft, mit manchmal recht schönen Widmungen, schenkte und sich mit einer Prise, die man auf das Kühlchen der äusseren ausgestreckten Hand schüttete, das die grosse Sehne des Daumens dann bildet, zunächst erst mal stärkte, ehe man die langatmige Unterhaltung über das Wetter, die Ernteaussichten, die hohe Politik, Jagd oder drollige Geschichten aus der Gemeinde sich gegenseitig bedächtig oder schmunzelnd oder wichtigtuend erzählten, wobei dann meistens das gangbare "Döneken" den üblichen Schluss der Unterhaltung machte, und schliesslich dieses "Pröhleken" beendeten.
Mehr von dem 86 Jahre alten Rentmeister Keimer zu erfahren, war nicht möglich, doch machte er auch darauf aufmerksam, als ich in ihn drang, mit der Bitte, ob er mir nicht einige Schriftstücke von diesem Ahnen geschrieben, aus der Rentei des Schlosses zu Hovestadt zu besorgen, dass die alten Akten der Rentei in den feuchten Kellergewölben im gräflichen Schlosse verwahrt worden seien, dass dann aber der Graf selbe an das Staatsarchiv zu Münster abgegeben habe, um sie vor dem Untergang zu retten. Sind also Schriftstücke von ihm zwar erhalten, aber bei der Unordnung, die da leider heute noch herrscht, für uns leider für weitere Forschungen schwer zugänglich. Vielleicht ist es aber später noch mal möglich, mehr über diesen Ahnen zu unserer Kenntnis zu Dringen, weshalb ich auf diese Tatsache ausdrücklich für meine Nachkommen Hinweise. Ueber seine Verwandten, die Kalthoffs, ist in den Kirchenbüchern von Östinghausen (zur dessen Pfarrei Hovestadt gehört) noch manches nachweisbar, aber für uns von weniger Interesse. Jch will es auch nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen, dass der alte Pfarrer zu Östinghausen vor ca. 30 Jahren in meiner Gegenwart meinem Vater erklärte, dass der Vater von Johann Caspar Henrich ein Gut bei Ampen in der Nähe von Werl besessen haben soll. Eine schriftanfrage meinerseits an das Pfarramt dortselbst ergab doch Antwort, dass "hier nichts mehr feststellbar sei, da die alten Kirchenbücher verbrannt sein sollten." Eine Entschuldigung die man vielfach zu hören bekommt, wenn der Herr Pfarrer zu bequem ist, um die Bitten der Forschenden Familien zu befriedigen.
Jch will nicht unterlassen, von einem grossen Ereignis, das s. Zt. in Hovestadt passierte und das sein Schwiegersohn, der Weinhändler Josef Ziegler, mehremale Wenn er zu Besuch in meinem Elternhause weilte, uns erzählt hat, wenn er seine Dönekens mit vielem Humor und Witz zum Besten gab. Das ist die Geschichte von den Aapen (Affen), der mal in Hovestadt zu sehen war. Auf der Reise von Paris nach Berlin, auf dem alten Hellwege, der auch durch Hovestadt geht, liess dieser Aape seine Postkutsche vor dem Hause von Johann Caspar Kleine an der Lippebrücke halten, um die Pferde umzuspannen. Wenn die beiden Kuriere, die seiner Postkutsche vorauseilten, in Hovestadt ankamen, übernahm es Johann Caspar, das Gerücht zu verbreiten, dass in einigen Stunden der grosse Pariser Aape in der Postkutsche ankäme. So kam es denn, dass alle Bauern, aus der Umgebung an der Lippebrücke zusammenkamen, um den berühmten Pariser Affen in der Postkutsche auzugaffen. Dieser seltene Aape entpuppte sich dann als der berühmte Voltaire, der auf der Reise zu Friedrich dem Grossen hier anhielt, einige Zeit wegen Umspannens der Pferde verweilte und mit seinem hässlichen Gesichte unter der Allongeperücke mit einem Schimpansen, den die Bauern noch nie gesehen hatten, eine verteufelte Ähnlichkeit hatte. Die Frage: "Hess Diu auk den ollen Aapen in der Postkutsche sien?", war dann für lange Wochen zu Östinghausen und Hovestadt nach der alten Zieglers Erzählung das Gesprächsthema aller Kirchgänger und der humorvolle Johann Caspar Heinrich Kleine soll sich dann vor Lachen geschüttelt haben, wenn er erfuhr, wie er für die Popularität des Freundes von Friedrich des Grossen in der Soester Börde so eifrig beigetragen hatte. Der alte Voltaire hatte sich dann mit der "güldenen Tabaksdose" in der Hand, nach allen Seiten sich verneigend, für den freundlichen Empfang im Dorfe Hovestadt in französischer Sprache seine hohe Befriedigung auszudrücken geruht. Der alte Herr Ziegler berichtete zynisch, dass Voltaire eine grosse Menge lederner Koffer an und auf der Postkutsche angeschnallt gehabt habe und dass auf seiner grossen, verschliessbaren Handtasche mit Messingbügel in Wolle gestickt die Worte gestanden haben: "Bon voigage". Er ist 1785 am 8.6. zu Soest gestorben und auf dem Friedhof begraben.
Landschaftlich und familienurkundlich interessiert uns diese alte, ehrwürdige Stadt wegen der engen Beziehungen von 4 Generationen der Familie Kleine ganz besonders. Während meiner einjährigen freiwilligen Dienstzeit 1892/93, die ich bei der 8.Batt.Feld.Art.Reg22 (2.Westf.) zu Soest pflichtgemäss abdiente in Kameradschaft mit meinem Freunde Ludwig Graff, der später mein Schwager wurde, habe ich zu allen Tageszeiten im Winter und im Sommer, namentlich, bei Nacht im Mondenscheine mich dem eigenartigen Zauner dieser alten Hansestadt gern hingegeben, eingedenk meiner Vorfahren, die hier gelebt, hier gewirkt und ihre letzten Lebensjahre in stiller Musse verbracht haben. Man muss schon aus dem Russ und Rauch des Industriegebietes herkommen, muss im Gedächtnis noch die Schornsteinwälder industrieller Werke und im Ohr noch den Lärm der Maschinen und des Verkehrs haben, um plötzlich begeistert vor diesem stillen, blütenüberflocktem Stück des Mittelalters zu stehen. Denn es ist in Wahrheit eine bezaubernde Stadt für den, der sie durch und durch kennt, dieses malerische, päurischounte, verwinkelte und vieltürmige Soest. Man muss einmal einen der alten Stiche vor Augen gehabt haben, um zu erkennen, was Soest früher an Reichtum und Grösse besessen und dann so plötzlich verloren hat, man muss aber auch an einem Sonnentage diese Stadt von einem ihrer herrlichen Türme betrachten, um die Schönheit zu sehen, die sie durch ihren frühen Tod gewann. Es war dieser Stadt das unvergleichliche Geschick beschieden, in der Stadt) Gestalt die Zeit zu überstehen, die sie um das Ende des 15. Jahrhunderts hatte. Der 30jährige Krieg stiess auf eine Stadt, die damals schon die Sterbelitanei gesungen hatte. Aus dieser Zeit berichtet "Das Jägerken von Soest" im Simplizius Simplizissimus: "Eier setzte es das fetteste Bier, den besten Westfälischen Schinken und Knackwürste, wohlschmeckendes und delikates Rindfleisch...... Da lernte ich das schwarze Brot (Pumpernickel) fingerdick mit gesalzener Butter bestrichen und mit Käse belegen." Man ist erschüttert von der Tatsache, dass nur wenig mehr als 100 Jahre vergehen mussten, um den blühenden Körper der Stadt mit unheilvoller Lähmung zu schlagen, dass aber schon über 100 Jahre dieses Todesstarren andauert. Die starken Befestigungen wurden schwach, die Gebäude verfielen, 55 Wehrtürme sanken nacheinander in Trümmer, nur ein Turm, ein Tor (Nöttentor, Jakobitor) blieben erhalten. Trauernde Künder einer Kraft, die sich nach dem Verfall der Hanse nicht zu halten wusste. Der Wall allein mit Graben blieb stehen, doch zu weit ward sein Gürtel für den mageren Leib der Stadt, den Krieg und Seuchen verheert hatten, viel Platz entstand zwischen den winkeligen Gassenzügen. Den Raum, der vor Zeiten Zwanzigtausenden die Wonnstadt geboten hatte, vermochten die gebliebenen Viertausend nicht mehr zufüllen. So drang den die Borde wieder in die Stadt ein und ergriff von Neuem Besitz von dem Boden, den frühere Geschlechter ihr abgetrotzt hatten. Obstbäume fassten Fuss zwischen den Hausern und alten Gemäuer, Gärten breiteten sich aus zu Seiten der Strassen, das alte, ehrwürdige Soest, auf dessen Spruch die Krämer von Wisby und die in Nischninowgorod gehört, Soest, das den Städten des Nordens in der Schaffung eines eigenen Stadtrechtes vorangegangen, diese machtvolle, selbstbewusste Hansestadt, war zum grössten Dorfe Westfalens geworden.
Es ist bezaubernd, durch diesen Jrrgarten der Gassen zu reisen, alte, oft verwunderliche Namen stehen an den Strassenecken, Grandweg, wo ich gewohnt, am Kolk, Auf der Borg, Schonekindstrasse, Widumgasse. Man muss Zeit haben, wenn man sich diesem Netz aus dem Hin und Her herauswinden will, hier sich von einem grünen Winkel verlocken lassen, dort um der bunten Holzschnitzereien eines alten Patrizierhauses willen seitwärts biegen, oder eines schönen Ausblicks wegen wieder zurückgehen, dann erst gerät man in den Bann einer Schönheit, die uns umso stärker berührt, weil sie den Siedlungen unserer Tage fremd geworden ist. Keine Strasse gleicht hier der anderen, kein Stück dieser Gassen und Gässchen hat ein Gegenstück. Vergebens sucht man hier gerade und glatte Fluchtlinien und verspürt nirgends etwas von einer geregelten Bauordnung. Eigenwillig und gesetzlos winden, krümmen, schlängeln und biegen sich diese Gassen sofern man nicht die Regellosigkeit als ihr Gesetz anerkennt. Bewundernd steht man hier vor der Schönheit, aber auch dem Eigensinn der Häuser.
Schöne, alte Fachwerkbauten treten sorglos mit vergoldeten Sprüchen von farbigen Gesimsen aus der Geraden, springen dann wieder unvermutet einige Schritte zurück, drängen und lehnen sich hier eng aneinander, stehen vereinzelnt in dem Gewirr der Gärten, die mit duftenden Blüten den Raum füllen, aber immer zwingen die Häuser der Gasse ihren Willen auf. Manchmal sperrt uns eine Giebelwand den Weg, bald die behäbige Breite einer Patrizierfassade, bis plötzlich und unerwartet ein grosser Platz sich auftut, Mauern begrenzen ihn aus verwitterndem grünlichem Gestein geschichtet, von Efeu umklettert und von den Trauben des Goldregens überhangen. Herrliches blau-grünes Wasser, der grosse Teich, an dem sich z.Zt. der fränkiscnen Dagobert die Gründer des Ortes zuerst ansiedelten. Auch unseren Ahnherrn trieb es hier immer wieder hin, zur Schönheit seiner Geburtsstadt, wo sein Vater gelebt und gewirkt und doch hatte so früh sterben müssen, hier gedachte auch er das Ende seiner Tage auf Erden zu beschliessen, vielleicht, vielleicht aber auch neben dem Grabe seiner Eltern und seiner ihm im Tode vorausgegangenen Gattin den letzten langen Schlaf zu tun. Hier zu Soest hat er noch lange Jahre in Ruhe und Beschaulichkeit gelebt, um nach einem arbeitsreichen, segensvollen Leben, nachdem er seine treue Lebensgefährtin und die meisten seiner Kinder verloren hatte, auszuruhen, bis auch er sich dem fruchtbaren Boden der Soester Börde wieder anvertraute, aus dem er genommen war. Soest war sein Heimatland, Soest, seine letzte Liebe. Der alte Hansegeist, der in ihm noch lebendig war, zog ihn wieder zur Hansestadt zurück. Hier auf dem ehrwürdigen alten Friedhof ruhen seine Gebeine, sein Geist lebt aber in seinen Nachkommen fort.
In Nordwald b. Hovestadt befindet sich ein Gut Kleine, über 200 Morgen groß, dessen letzte Besitzerin, geborene Kleine, einen Herrn Stewen geheiratet hat. Diese Ehe blieb kinderlos. Frau Wwe. Stewen geb. Kleine hat das Gut einer Nichte vermacht. (Z. Zt ist es auf 15 Jahre verpachtet, Frau Stewen lebt in dem Krankenhaus von Hovestadt, sie soll sich dort eingemietet haben. Nach Aussagen dieser Frau Stewen Wwe geb. Kleine, stammt die Familie Kleine vom Hof Kleine bei Rhynern, südöstlich Hamm/Westf., er heißt Sterthof (zwischen Rhynern u. Scheidingen) siehe Meßtischblatt, der Besitzer heißt Willikens und er habe den Hof Kleine durch Heirat erworben. Dazu bemerkt: Eine Schwester von Philipp und Clemens August Kleine (Hovestadt) hat einen Wilkens geheiratet, der eine "Stütze und Säule" in der Firma August Kleine Lippstadt geworden sei. (Verwandschaft ?)
Die Lage der Hagenhöfe in Nordwald. Urkarte von 1828.
Unterschrift unter dem von Lee W. A. Kleine am 21 Mai 1933 fotografierten Haus Kleine Hovestadt (ehemalige Besitzer Rentmeister und Landwirt Johann Caspar Henrich Kleine (1730 - 1785) und sein ältester Sohn Philipp Kleine (geb., resp.getauft 28.9.1766) u. sein jüngster Sohn Clemens August Joseph Kleine (get. 17.August 1777), (der später 1797 nach Lippstadt übersiedelte und dort die Firma August Kleine gründete und unser Ahnherr wurde.) (Alle Kinder siehe auf besonderes Blatt) zuletzt vermerkte unser Vater Dr. med. Ewald Kleine (-ungefähr 1933-37 geschrieben): Haus Kleine zu Hovestadt: ca 5 Gebäude, 1 Wohnhaus m.32 Zimmern, z. Tenne und Stall (für viele Gespanne und Lastenwagen), ein Brauereigebäude, eine Stärkefabrik, eine Bäckerei u. eine Seifenfabrik. gez. Dr. med. Ewald Kleine geb. 25.1.1873/Lippstadt
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