Das Steinkistengrab in Lippborg
Wenn man den Mühlenweg in Richtung Beckum befährt, so zweigt gegenüber dem Hof Rentrup-Wintergalen der Hauptweg zur Autobahn ab. In dem Wäldchen dort lag bis zum Jahre 1805 ein einzigartiges Zeugnis frühzeitlicher Geschichte. Es handelte sich um ein fast 4000 Jahre altes Steinkistengrab aus der jüngeren Steinzeit, eine Hinterlassenschaft der Megalithkultur (megas-gross, lithos-Stein, griech.), die ihren Ursprung im vorderen Orient hatte. Von 3000 v. Chr. an entwickelte sich diese Kultur über den Mittelmeerraum und West- und Nordeuropa auch bis hin zu uns. Früher gab es hunderte solcher Grabanlagen in vielen Misch- und Übergangsformen.
Die Lippborger Steinkiste, wie dieser Typ genannt wird, war wie zwei fast identische Gräber im Beckumer Dalmer fast dreissig Meter lang und teilweise in den Erdboden eingelassen. Sie war von Nordost nach Südwest angelegt. Der Eingang lag jeweils an der nördlichen Seite und führte durch einen mit Steinen eingefassten Gang in das Grabinnere, Die Grabkammer wurde von zwei Reihen parallel zueinander stehenden, leicht stumpfwinklig in den Boden eingelassenen Seitensteinen gebildet, die innen einen Durchgang von l ,60 Metern Höhe und eine Breite von 1,50 Metern aufwiesen. Über diese baute man riesige Decksteine, deren grösste, wie am Steingrab im Dalmer noch in Resten zu sehen ist, mehrere hundert Zentner schwer waren. Der Bau wurde ohne grosse technische Hilfsmittel und wohl nur im Winter bei Schnee und Eis und mit Hebebäumen und Rollen mit vielen Arbeitskräften durchgeführt, eine Leistung, über die man heute nur staunen kann. Die Bewohner unserer Gegend waren damals schon sesshaft, waren vorwiegend Ackerbauern und Jäger. Sie wohnten in zweireihigen Pfostenhäusern, die mit Ried oder Schilf gedeckt waren.
Die Steinkisten waren Begräbnisstätten von Sippen und Grossbauernfamilien über viele Generationen hinweg. Aus Funden wird darauf geschlossen, dass einige hundert Tote dort bestattet waren. Man fand menschliche Schädel und Grabbeigaben wie durchbohrte Bärenzähne als Schmuckkette, Steinmesser, Schaber, Schmucksteine und mehrere einfache Tongefässe. Das lässt natürlich darauf schliessen, dass die früheren Bewohner eine eigene Religion und daraus entwickelt ihren Totenkult hatten. Sie glaubten offensichtlich an ein Weiterleben über den Tod hinaus.
Heute sind fast alle Gräber leider zerstört. Das Lippborger Grab wurde 1805 und ein weiteres im Beckumer Dalmer von 1835 - 1837 zu Geld gemacht. Die riesigen Findlinge und Granitblöcke wurden gesprengt und als Schotter für den Haus- und vor allem Strassenbau verkauft. An den Resten des Beckumer Steingrabes am Dalmer Weg kann man heute noch die Bohrlöcher für die Sprengungen erkennen. Wesentlich grössere Grabanlagen findet man im Oldeburger Land in Norddeutschland bei Wildeshausen und Visbeck, auf Sylt (Denkhoog) im gesamten West- und Nordeuropa und in England. Die grössten kann man getrost als „Pyramiden des Europas" bezeichnen.
Der Redaktion liegen Fotos vom Beckumer Steinkistengrab vor: Bildliche Darstellungen des Lippborger Grabes gibt es nicht. Als Anschauung könnte man das Foto des Beckumer Grabes nehmen!
K. Stengel
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