UNBEKANNTES WESTFALEN

Düwelsteene und Sloopsteene

Zeugen dunkeler Vergangenheit

                           Wegbeschreibung                               Grafik



1.  Von Merfeld (wenige Kilometer nordwestlich von Dülmen) Richtung Borken über Groß Reken. Von Groß Reken weiter Richtung Borken und Heiden. Nach einigen Kilometern führt die Straße durch ein Waldgebiet. Hier (zwischen Groß Reken und Heiden) auf den 1. Parkplatz rechts an der Straße fahren. Man geht etwa 50 m in den Wald hinein bis zur Weggabelung, dort nach links. Nach einigen hundert Metern durch Wald und Feld großes Wegekreuz nach allen Richtungen. Dem 2. Weg nach rechts folgen. Nach wiederum einigen hundert Metern, ziemlich auf der Anhöhe, etwa 50 m links vom Wege, die Düwelsteene [Auf der Orientierungstafel des obengenannten Parkplatzes ist die Lage des Hünengrabes angegeben]. Knapp 200 m nach diesem 1. rechten Parkplatz folgt ein 2. rechter Parkplatz. Von diesem führt ein etwas weniger abwechslungsreicher Weg immer geradeaus durch den Wald zu den Düwelsteenen. Fährt man in umgekehrter Richtung von Borken- Heiden nach Groß Reken, so ist der 1. Parkplatz links von der Straße der, von dem der Weg geradeaus zu den Düwelsteenen führt.

2.  Man fährt die Autobahn von Münster in Richtung Osnabrück. Nach dem Durchqueren des Teutoburger Waldes Autobahn- Abfahrt Hengelo - Rheine. Dann folgt man der 1. Abfahrt nach Westerkappeln und folgt im weiteren der Beschilderung nach Westerkappeln. In Westerkappeln rechts ab, die Osnabrücker Straße Richtung Wersen, l km nach dem Ortsausgangsschild von Westerkappeln links in den Sloopsteinweg einbiegen (Schild „Sloopsteine"). Nach 1 km rechts an diesem Weg im Walde die Sloopsteene (Schild).

Sloopsteene




     Die großen Sloopsteene sind das
     größte und schönste Hünengrab
     Westfalens, es ist sehr gut
     erhalten.







Nur wenige Kilometer nördlich des Ruhrgebiets, nahe dem Dorfe Heiden im Kreise Borken, liegt abseits der Straße, tief im Kiefernwald versteckt, eine aus mächtigen Findlingsblöcken aufgetürmte Steinkammer, Düwelsteene genannt, d. h. Teufelsteine. Sind wir mit einem der auf den ringsumliegenden Einzelhöfen wohnenden alten Menschen etwas vertraut geworden und fragen, warum die Steine Düwelsteene heißen, so kommt die Antwort, daß gewalttätige Heiden, Riesen oder der Teufel selbst mit seinen Helfern die Steine geschichtet haben. Junge Leute sind aufgeklärter: „Es ist ein Hünengrab, dort wurden früher Menschen beerdigt". Mehr ist allerdings auch von ihnen nicht zu erfahren. Und wir selbst wissen nicht viel mehr, auch wenn wir vielleicht vor längerer oder weniger langer Zeit das Abitur gemacht haben. Ohne zunächst das Geheimnis der Steine zu erforschen, suchen wir nach weiteren Hünengräbern. Ursprünglich war die Zahl der Hünengräber in Deutschland wesentlich größer, allein in den letzten 150 Jahren sind etwa 90% aller noch vorhandenen zerstört worden. Doch das Vernichtungswerk begann schon viel früher. Zu allen Zeiten werden die Großsteingräber von heimlichen Schatzsuchern geplündert worden sein, denn obwohl die Toten mit vielen Beigaben bestattet worden sind, ist die Fundausbeute bei wissenschaftlicher Erschließung meist sehr dürftig.

Der eigentliche Vernichtungsfeldzug gegen die Hünengräber begann aber zur Zeit der Christianisierung des nordwestdeutschen Raumes. Die Kirchenbauer griffen gern auf die Großsteingräber (= Megalithgräber) zurück, schlugen sie doch damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens gewannen sie kostbares Baumaterial, zweitens verschwanden dadurch die einzigen an die heidnische Vorzeit erinnernden Baudenkmäler. Der Steinarmut des nordwestdeutschen Flachlandes fielen in den folgenden Jahrhunderten noch Tausende von Gräbern unserer Ahnen zum Opfer. Für Deichbauten wurden große Mengen der Steine nach Holland exportiert. Die Anlage des Hamburger Hafens, der Kirchen- und Hausbau schluckten Unmengen der ehrwürdigen Steine. Gesprengt und zerhackt dienten sie als Schotter für den Straßenbau. Manches Riesengrab wurde in christlichem Eifer vernichtet, nur weil es ein Grab aus der heidnischen Zeit unserer Ahnen war. Noch in diesem Jahrhundert zerstörte ein Bauer im Kreise Harburg ein Hünengrab, um interessierte Besucher von seinem Felde fernzuhalten.

Megalith




     Die Reste des Megalithgrabes mitten
     in der Bauerschaft Wechte bei
     Lengerich, so wie wir es heutzutage
     sehen können.
     Die Deckplatten sind im Laufe der
     Jahrtausende weggeräumt worden.





Heute kennt man in der Bundesrepublik noch 539 Riesensteingräber, und zwar 190 in Schleswig-Holstein, 280 in Hannover, 63 in Oldenburg, 2 in Braunschweig und 4 in Westfalen. In Westfalen gibt es also vier solcher Hünengräber. Die Düwelsteene bei Heiden sind nicht nur das südlichste gut erhaltene Hünengrab Westfalens, sondern dieses Grab gehört zu den südlichsten des ganzen nordeuropäischen Verbreitungsgebietes. Die Südgrenze der Großsteingräber-Kultur (= Megalith-Kultur) verlief etwa in dem Gebiete des heutigen Ruhrrevieres. Die vier typischen Hünengräber sind außer den Düwelsteenen die Großen Sloopsteene, die Kleinen Sloopsteene und das Megalithgrab in Wechte. Die drei letzten Gräber liegen ziemlich dicht beieinander an der Nordgrenze Westfalens.

Die Großen Sloopsteene liegen versteckt im Eichen-Birkenwald etwa 2 km ostwärts von Westerkappeln im Kreise Tecklenburg. Die Kleinen Sloopsteene findet man ungefähr 3km davon entfernt bei Haien.

Die Großen Sloopsteene sind das größte und schönste Hünengrab Westfalens, es ist sehr gut erhalten. Das Steingrab weist eine Länge von 28 Metern und eine Breite von 9,40 Metern auf. Die Findlinge sind in vier Reihen angeordnet. Die beiden äußeren Reihen lassen keine Funktion erkennen, sie dienen als Umrahmung des eigentlichen Grabes. Die beiden inneren Reihen, die Trägersteine, tragen gewaltige Decksteine. Zwei Decksteine liegen noch in der ursprünglichen Stellung, zwei sind halb herabgestürzt, und einer ist ganz herabgefallen. Der größte Deckstein mißt 2,5 x 1,9 x 1,5 Meter. Insgesamt sind es 58 Findlinge, die hier zum Aufbau des Grabes herangeschafft wurden.

Die vollständigen Hünengräber muß man sich so vorstellen: Die Lücken zwischen den großen Steinen ausgefüllt mit kleineren und das ganze Grab von einem Erdhügel zugedeckt, mit kleinem Zugang.
Erde und kleine Steine wurden im Laufe der vielen Jahre vom Regen weggespült, nur die schwersten Steine blieben zurück, so daß das Grab nun für jeden Zugriff frei dalag.

Die Erklärung des Namens Sloopsteene ist nicht gesichert. Fragt man in der Umgebung nach, so trifft man in der Regel auf sehr verschwommene Vorstellungen über die Hünengräber. So z. B. soll in der Gegend vor langer Zeit eine Schlacht stattgefunden haben und die Gefallenen dort bestattet sein. Daß die Großen und die Kleinen Sloopsteene zwei Grabanlagen sind, darüber besteht meist kein Zweifel, deshalb hat die Erklärung von Sloopsteene = Schlafsteine die größte Wahrscheinlichkeit. Daneben soll „sloop" im Alt- Niederdeutschen soviel wie „groß" heißen, dann würde Sloopsteene nicht mehr bedeuten als Große Steine. Auch die Bedeutung Abhang für „sloop" wird erwähnt. Dieser nicht sehr überzeugende Deutungsversuch betont, daß die Steine am Abhang eines kleinen Hügels liegen.

In Wechte bei Lengerich, also nicht sehr weit von den Sloopsteenen entfernt, liegt ein Großsteingrab, das sich von den drei bisher genannten unterscheidet. Es ist ein langgestrecktes Grab, dessen Trägersteine nicht so wuchtig sind wie die der Düwelsteene und der Sloopsteene. Die nicht mehr erhaltene Abdeckung bestand ebenfalls aus mehr plattenartigen Steinen. Ursprünglich gab es allein in Wechte drei Megalithgräber, von denen nur zwei ausgegraben wurden. Das heute im Dorfe sichtbare ist das größte der drei Gräber, es wurde erst 1927 entdeckt, bald ausgegraben und nach der Grabung zugänglich gemacht. Dieses große Steingrab liegt mitten in der Bauerschaft Wechte, nur wenige Meter vom nächsten Haus entfernt. Jahrtausende blieb es unter dem deckenden Erdhügel versteckt. Allmählich aber trat bei der Feldbestellung eine Deckplatte nach der anderen zutage und wurde als Hindernis entfernt. Bis man im Jahre 1927 ein Grab vermutete, den Erdhügel beseitigte, und die Reste des Megalithgrabes hervorkamen, so ähnlich wie wir es heute nach Wiederherstellung sehen können.

Wie die Düwelsteene, die Sloopsteene und alle Hünengräber ist auch dieses Grab aus der Jüngeren Steinzeit, also etwa 4000 Jahre alt. Da das Grab Jahrtausende unentdeckt war, war es 1927 bei seiner Freilegung noch nicht ausgeraubt. Eine Fülle wertvollster Funde bot sich den grabenden Wissenschaftlern dar. 200 Personen sind in dem Grab bestattet worden. 800 verschiedenste Beigefäße, Bernsteinketten, Steinbeile, Tierzähne und viele Einzelgegenstände wurden geborgen und zur Auswertung in das Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte nach Münster geschafft. Es besteht heute nicht mehr der geringste Zweifel, die Hünengräber sind nicht Behausungen oder Gräber gewaltiger Hünen oder Riesen, sie sind auch kein Teufelswerk, auch keine vom Himmel gefallene Meteoriten, wie es noch 1949 in einer deutschen Zeitung gedruckt wurde. Die Großsteingräber sind ehrwürdige Grabstätten unserer vor etwa 4000 Jahren lebenden westfälischen Ahnen. Wenn wir die Zahl hören, beziehungslos ohne ein Davor und Danach, so sagt sie uns sehr wenig. Es ist nur ein Farbklecks, bei dem alles andere zum Gemälde fehlt. Benutzen wir deshalb diese Gelegenheit, um in ganz groben Strichen die Entwicklung der Menschen im westfälischen Raum zu skizzieren.

Die ersten Urmenschen, die dem heutigen Menschen im Aussehen schon nahekamen, waren die Neandertaler. Es waren kleine, plumpe, untersetzte Menschen mit kurzen, kräftigen Beinen und langen „Affenarmen". Die Stirn war fliehend, das Kinn nur angedeutet und die Mundpartie schnauzenartig entwickelt. Starke Knochenwülste umrahmten die Augen. Das Vorderhirn, der Sitz der höheren geistigen Begabung, war nur wenig entwickelt. Groß waren wahrscheinlich die Leistungen der sinnlichen Wahrnehmung. Als ausdauernde Jäger durchstreiften sie die Steppen auch unseres Gebietes und lebten z. T. in natürlichen Höhlen. Als Werkzeuge benutzten sie primitive Steingeräte.

Vor rund 150000 Jahren erschienen die Neandertaler, breiteten sich über fast ganz Europa aus und verschwanden in der Mitte der letzten Eiszeit wieder, vor etwa 60000 Jahren. Ob sie von den Nachfolgenden verdrängt oder vernichtet wurden, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich wurden sie teils vernichtet, teils lebten sie mit den neuen Herren weiter und vermischten sich mit ihnen. Die Eroberer erschienen in zwei Hauptrassen: 1. die Aurignac- Menschen, hochgewachsen, langschädelig, mit hoher Stirn, breiter Nase und leichten Gliedern. Ursprünglich aus England und Nordfrankreich kommend, sind sie wahrscheinlich die Ahnherren der nordischen Rassen. 2. die Cromagnon- Menschen, hochwüchsig, schwerknochig, mit mächtigem Schädel und breitem Gesicht, hohe, gewölbte Stirn und vorspringendes Kinn. Wahrscheinlich aus dem Osten zugewandert, prägen sie weitgehend den Menschentypus im westlichen und mittleren Europa, in Deutschland vor allem in Westfalen und Hessen.

Auch der neue Mensch war Jäger. Mit Steinwerkzeugen und Fallen ging er dem Wilde zuleibe. Hirsch, Nashorn, Waldelefant, Mammut, Auerochse, Elch, Wildpferd, Ren, Moschusochse, Höhlenbär, Wildschwein, Braunbär, Wisent, Reh, Gemse, Steinbock und viele kleine Jagdtiere waren seine Beute. Er wohnte in Höhlen oder in der freien Natur.

In der Jüngeren Steinzeit etwa um 3000 v. Chr. erreichten die Bandkeramiker, ein Bauernvolk aus den Steppen des östlichen Mittelmeergebietes, den nur sehr dünn bevölkerten deutschen Raum. Mit Feuer und Steinbeil rodeten sie Teile des Urwaldes und bauten Getreide an. Bis zum Rhein ging ihr friedliches Einsickern. Westlich des Rheins war das Land bereits dichter besiedelt, so daß dort ihr Vormarsch zum Stehen kam. Diese Menschen vollbrachten eine Kulturtat ersten Ranges. Sie brachten den in unserem Räume herumstreifenden Jägern die Seßhaftigkeit. Sie wohnten in einfachen Häusern, bauten Getreide an und züchteten Vieh. Die Seßhaftigkeit mit Ackerbau und Viehzucht machte die Menschen von der Natur unabhängiger, sie kamen mehr zu sich selbst und entdeckten eine neue Welt - die geistige. Die Toten wurden nicht mehr irgendwo in der Wildnis verscharrt und nach dem Weiterziehen schnell vergessen. Sie wurden im eigenen Haus oder dicht daneben bestattet und waren nun ständig um die Lebenden. (Noch im 18. Jahrhundert setzten die Dithmarscher Bauern ihre Toten unter den Hausböden bei). So ist es kein Zufall, daß zum erstenmal eine Religion auftrat. Deren Ursprung lag vielleicht, wie später der der christlichen, in den Ländern des südöstlichen Mittelmeeres.

In Mesopotamien und Ägypten bestanden zu dieser Zeit schon große Städte, und das Land war dichtbesiedelt. Als man in diesen Ländern zu Anfang des 4. Jahrtausends vor Christi die Herstellung und Verarbeitung von Metall entdeckte, fuhren ihre Schiffe auch an die nordischen Küsten, um zu handeln und die begehrten Metalle zu suchen. Sie brachten aber nicht nur Tauschwaren, sondern auch ihre Ideen vom Reiche der Toten und dem Wohnen der Toten in Häusern neben den Häusern der Lebenden. In Ägypten fand dieser Gedanke seine Krönung in den Pyramiden, den gewaltigen steinernen Totenhäusern der Herrscher.

Ägypten war zu der Zeit schon ein hochkultiviertes, dichtbesiedeltes Land, dessen straff-organisierte Massen große Arbeitsleistungen vollbringen konnten. Die nördlichen Gebiete, Spanien, Portugal, Frankreich, England, Irland, Norddeutschland und Südskandinavien, waren demgegenüber stark unterentwickelt. Diese Länder waren weniger dicht besiedelt, die Menschen gerade erst dabei,  seßhaft zu werden und nur in Sippen oder höchstens Dorfgemeinschaften gegliedert. Außerdem mußten diese steinzeitlichen Menschen in unserem Raum mit dem Material vorliebnehmen, das die Natur bot - den durch die Gletscher der Eiszeit aus dem hohen Norden hergeschobenen Findlingen. Die Hünengräber stellen möglicherweise die ortsgebundene nordische Variante der Pyramiden dar, in dem gleichen Geist wurzelnd. Die Großsteingebilde des westlichen Mittelmeergebiets, Frankreichs und der nordischen Länder mögen den Weg weisen, welchen die Missionare des neuen Geistes nahmen. Sie kamen als Händler oder mit den Händlern zu Schiff die Küsten entlang. Für eine solche Erklärung spricht vieles. Es ist aber auch durchaus möglich, daß die Großsteingrab-Kultur ihre Wurzeln allein im nordischen Raum hat.

Die große Zahl der ursprünglich vorhandenen Großsteingräber deutet darauf hin, daß jeder Großbauer auf seinem Grunde ein eigenes Großsteingrab hatte. Eine besondere Führerschicht hatte sich um diese Zeit noch nicht herausgebildet. Die Knechte wurden wohl nicht in den Großsteingräbern beigesetzt, sondern in nahegelegenen Einzelgräbern, die allerdings bisher noch nicht gefunden worden sind. Reiche Beigaben im Grabe sollten dem Toten im Totenreich nützlich sein. Die Gräber wurden immer wieder geöffnet und eine Generation nach der anderen in demselben Grabe beigesetzt. Falls der Platz für Neubestattungen nicht mehr ausreichte, wurden die Gebeine der Ahnen teilweise recht ehrfurchtslos in eine Ecke zusammengefegt, um Raum zu schaffen.

Wie konnte aber ein steinzeitlicher Großbauer vor 4000 Jahren allein mit seiner Sippe und seinen Knechten ein solches Großsteingrab aufbauen? Die obenaufliegenden Deckplatten sind bis zu 1000 Zentner schwer. Sie kannten sicher das Prinzip, mit Hebeln, Keilen und untergelegten hölzernen Rollen große Lasten zu bewegen. Außerdem war es für sie kein Geheimnis, daß auf verschneitem oder vereistem Boden die größten Lasten leichter bewegt werden können. Vielleicht haben sie zum Auflegen der großen Decksteine aus Schnee und Eis schiefe Bahnen gebaut, auf denen die riesigen Lasten an ihren Bestimmungsort geschoben wurden. Die Blütezeit der Megalith-Kultur (= Großstein- Kultur) im nordwestdeutschen Raum war um 2000 v. Chr., unsere Großsteingräber sind also rund 4000 Jahre alt. Ab etwa 1500 v. Chr. wurden keine Großsteingräber mehr gebaut. Um 2000 v. Chr., etwa 1000 Jahre nach der letzten Einwanderungswelle aus dem Südosten, schob sich wieder ein Volk aus dem Südosten, wahrscheinlich aus dem Gebiet des Kaspischen Meeres, zwischen die Einheimischen. Diese neuen Menschen waren nicht so sehr Bauern, sondern vielmehr Reiter und Viehzüchter.

Auch die neuen Einwanderer drangen zumeist friedlich ein und vermischten sich allmählich mit den schon Seßhaften. Auf diese Weise bildeten sich neue Völker heraus, die später machtvoll in das für uns nun schon hellere Licht der Geschichte eintraten. Im südskandinavisch- Schleswig-holsteinischen Gebiet bildete sich das Zentrum der germanischen Stämme. Im Gebiete nördlich und westlich der Alpen entstand durch die neue Einwanderung das Volk der Kelten. Der westfälische Raum lag damals zwischen den Zentren der neuen Kulturen und zunächst am Rande der Entwicklung.

Später wurde Westfalen wieder von fremden Herren beherrscht, verschiedene Germanenstämme drangen von Norden her ein. Immer weiter dehnte sich ihr Herrschaftsgebiet nach Süden aus, zunächst das hochbegabte Volk der Kelten teilweise verdrängend, teilweise beherrschend, später auch dem machtvollen Römerreiche schwer zusetzend.

Westfalen kam schließlich endgültig unter die Herrschaft der germanischen Sachsen, einem Volksstamm, der alle Germanenstämme im nordwestdeutschen Raum unterwarf und der später die Geschicke des deutschen Reiches ganz wesentlich mitbestimmte. Zunächst waren die neuen Herren nur eine relativ kleine Oberschicht. Später gingen sie in der Substanz der Einheimischen auf. So ist es fast immer bei den Eroberungen gewesen. Die Eindringlinge bilden zunächst eine herrschende Oberschicht. Sie sind aber meist an Zahl geringer als die Unterworfenen, so daß sie auf die Dauer doch von der größeren Masse der Einheimischen absorbiert werden.

Der Typ der Westfalen ist also rassisch nicht einheitlich. Der zunächst menschenleere Raum wurde allmählich von verschiedenen Völkerelementen aufgefüllt, von denen hier in groben Strichen nur die fünf wichtigsten erwähnt sind. Alle zusammen wurden aber letzten Endes in ihrer westfälischen Heimat zum Typ des Westfalen zusammengeschmolzen. Aus verschiedenen Rassen entsteht in einheitlicher Umgebung bei  allmählicher Vermischung im Laufe der Jahrhunderte ein völlig neuer Menschenschlag. Die Entwicklung im westfälischen Westen, im Ruhrgebiet, bietet dafür ein anschauliches Beispiel. Im Ruhrgebiet hat in den letzten knapp 150 Jahren wiederum eine, diesmal völlig friedliche, Einwanderung von Menschen besonders aus Mitteldeutschland, Ostdeutschland und Polen stattgefunden. Der Schmelztiegel Ruhrgebiet hat mit seinen besonderen Umweltbedingungen innerhalb kürzester Zeit die Eingewanderten mit den Einheimischen zu einem neuen Menschentyp geformt. Dennoch ist im westfälischen Teil des Ruhrgebiets die westfälische Grundsubstanz der Menschen nicht zu verkennen.
[s. auch „Unbekanntes Ruhrgebiet", Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung].


Aus: “Unbekanntes Westfalen” von Dieter Steinhoff, 7/8. Auflage, Münster 1981.
Mit freundlicher Genehmigung der Aschendorffsche Buchdruckerei, Münster.
(Die genannten Bücher sind nicht mehr im Handel erhältlich)