Heutige Beschaffenheit, Ausstattung und Nutzung der Kapelle
Die Kapelle ist im Renaissancestil erbaut. Sie hat eine Breite von 5,50 und eine Länge von 5,70 Metern. Der 3/8-Chorschluß hat seitlich eine Länge von 2,15 und in der Mitte eine von 2,35 Metern. Die in den Seitenwänden befindlichen Fenster sind rundbogig. Die Fenster an den Schrägseiten des Chorabschlusses sind queroval.
Die Westseite, die eigentliche Schauseite der Kapelle, ist reich ausgestattet. Das Portal mit einer prächtig gestalteten Tür ist die Mitte der Schauseite. Über dem Portal befindet sich ein Wappen. In seinem Schild ist ein Vogel zu erkennen (stark verwittert). Es weist auf den Stifter der Kapelle, Johannes Theodor Cree, hin. Aus der Bezeichnung „Creen Kapelle” ist im Volksmund die „Krähen Kapelle” geworden. Rechts und links neben dem Wappen steht in lateinischer Schrift: „Joannes Theodorus Cree, Pastor ad S. Lautbertum MonasterŸ.”
Auf einem verwitterten steinernen Balken über dem Türsturz befand sich einmal eine vierzeilige Inschrift in Form eines Distichon in lateinischer Sprache:
“Jussit adornari superis sacra tecta, parari Sumptibus ista suis Anna beata, tuis Laudibus: ah gentes te, diva patrona, colentes Axe favente regas praesidioque tegas.”
Der Text zu deutsch:
„Dieses dem Himmel geweihte Haus, o selige Anna, Ausschmücken ließ er [es] und herrichten dir zum Lob, Selbst die Kosten bestreitend, O mögest du, heil`ge Patronin. Deine Verehrer voll Huld leiten und schirmen allzeit!“
Über diesem Steinbalken steht in einem rundbogigen Nischenaufsatz eine Statue der heiligen Anna. Die Heilige erscheint hier in einem wallenden Gewand, dessen Borde mit Gold abgesetzt ist. Mit ihrer rechten Hand zeigt sie in ein aufgeschlagenes Buch, das sie in der linken Hand hält. Auf dem Sockel steht der Name ANNA.
Der Giebel der Kapelle ist mit Lisenen eingefaßt. In seiner Mitte befindet sich eine ovale Öffnung, die mit einer Eisentür verschlossen ist. Der Anstrich der Kapelle ist weiß gehalten. Das schiefergedeckte Dach trägt einen barocken Dachreiter. In ihm hängt eine Glocke von 1729. Auf der Glocke befindet sich ein lateinisch abgefaßtes dreifaches Schriftband:
„Ao 1729 JOHAN SWYS ME FECYT DEO AC, DIVA ANNA, KVIVS SAGELLI PATRONA, CREE SACRAVIT SACELLANVS.“
Zu deutsch:
„Im Jahre 1729 hat Johan Swys mich gemacht zur Ehre Gottes, und, heilige Anna, Patronin dieser Kapelle, der Kaplan Cree hat mich geweiht.“
Das Türmchen ist mit einem eisernen Kreuz und einem Wetterhahn gekrönt.
Das Innere der Kapelle hat eine Höhe von 3,95 Metern und wird von einer flachen Putzdecke abgeschlossen.
Die Fenster in den Seitenwänden zeigen rechts den heiligen Hubertus und links die heilige Ida. Beide Heilige haben als Attribut einen Hirsch.
Von der ehemaligen Barockausstattung der Kapelle sind nur noch drei alte Barockfiguren erhalten. Unter ihnen das wertvollste und älteste Stück der Kapelle. Es hängt im Innern über der Eingangstür. Es stellt in einem prächtigen alten Holzrelief die heilige Anna mit dem Kind dar. Beide Personen sind in barocker Lebendigkeit ausgeführt. Die sitzende Anna hält an ihrer rechten Seite die schon ziemlich erwachsene Maria vor sich. An den Seitenwänden befinden sich zwei weitere alte Barockfiguren. Rechts ist der heilige Johannes Nepomuk und links die heilige Luzia dargestellt. Die Figuren sind je aus einem Eichenstamm kunstvoll herausgearbeitet und etwa 80 Zentimeter groß.
Alle drei Figuren stammen aus dem frühen 18. Jahrhundert.
An der Stelle des früheren Barockaltars steht heute ein neugotischer Schnitzaltar aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Er hat eine Höhe von 3,40 und eine Breite von 1,87 Metern. Das Altargemälde, 1,30 mal 0,80 Meter groß, zeigt die heilige Anna mit einer aufgeschlagenen Bibel; Maria kniet vor ihr und wird von ihrer Mutter in die Heilige Schrift eingeführt. Im Hintergrund des Bildes ist der heilige Joachim, von einer Stiege des Hauses herabsteigend. zu erkennen.
Auf dem Tabernakel steht ein barockes Altarkreuz. Es hat eine Höhe von 57 Zentimetern. Es entstand vermutlich in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zu Beginn der Renovierungsarbeiten stellte sich heraus, daß die Originalfassung in größeren Partien nicht mehr vorhanden war. Aus diesem Grunde wurde die zweite Fassung, die nahezu vollständig erhalten und vermutlich aus dem 19. Jahrhundert ist, freigelegt.
An der linken Schrägwand des Chorabschlusses befinden sich zwei Reliquienkästen. Sie wurden bei der Renovierung der Kapelle im Jahre 1991 im hölzernen Altar vorgefunden und erhielten nach einer gründlichen Restaurierung ihren jetzigen Platz. Sie haben eine Höhe von 34, eine Breite von 28 und eine Tiefe von 10 Zentimetern. Sie sind aus Eichenholz mit einem profilierten Rahmen hergestellt und mit einer Glasscheibe versehen. Ihre Fassung ist in blauer Marmorierung gehalten.
Der linke Kasten enthält Reliquien der Heiligen Clemens (3. Nachfolger des heiligen Petrus in Rom von 92-101 - Gedenktag am 23. November), Emerita (Jungfrau und Märtyrin in Trimmis bei Chur in der Schweiz - Gedenktag am 4. Dezember) und Ampliatus (im Römerbrief von Paulus als „meinen im Herrn geliebten Ampliatus“ genannt - Gedenktag am 31. Oktober). Weiter befinden sich in dem Kasten zwei Wachsgebilde. Das rechte mit der Darstellung der Muttergottes ist ganz erhalten. Das linke, sicher ältere Stück, das einen Brückensturz (vielleicht den des heiligen Johannes Nepomuk) zeigt, ist beschädigt. Reliquien und Wachsgebilde sind mit Stickereien, Stoffblumen, Glasflüssen und Spiegelstückchen reich verziert.
Im zweiten Kasten sind auf Resten des alten Papierhintergrundes zwei Knochen und restliches Schmuckwerk angebracht.
An der linken Wand hinten in der Kapelle hängt ein weiterer Schaukasten, der vermutlich auch Reliquien enthielt. Er ist aufwendiger gearbeitet und hat eine Höhe von 41, eine Breite von 36 und eine Tiefe von 13 Zentimetern. Der Kasten ohne Inhalt ist mit einer Glasscheibe versehen. Ale drei Kästen dürften aus dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts stammen.
An der rechten Seite hängen zwei alte sogenannte Kanontafeln. Ihre Maße sind 38 mal 23 Zentimeter. Sie entstanden vermutlich in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Auf Eichenholzhintergrund sind in Kupferblech getriebene reich ornamentierte Rahmen befestigt. Diese waren ehemals versilbert und sind mit Goldlack überzogen.
In den beiden Rahmen befinden sich hinter Glas farbige Kunstdrucke. Auf der linken Tafel sind die Gebete zur Gabenbereitung abgedruckt und auf der rechten das Schlußevangelium, mit dem vor der Liturgiereform die heilige Messe abschloß.
Die Wangen der Kirchenbänke sind in Naturholz ausgeführt und in schlichter Barockform gehalten.
An der Innenseite der Kapellentür befindet sich am Ende eines eisernen Gitters, das über einer Öffnung in der Tür angebracht ist, ein alter eiserner Opferstock.
Zu den Kultgegenständen der Kapelle gehört ein Meßbuch aus dem Jahre 1698. Es befindet sich heute im Pfarrarchiv von Hovestadt. Es wurde von Johannes Theodor Cree im Jahre 1733 für die Kapelle gestiftet. Im Buch ist auf einem Vorsatzpapier die Geschenkwidmung des Stifters eingetragen:
“Missale hoc Sacello sanctae Annae in Nortwalt dedit Joannes Theodorus Cree Vicarius et sacellanus curatus Collegiatae Ecclesiae ad S. Ludgerum
Monastery Anno 1733.
Hoc Missale tuus servusfert, Anna patrona, tu des pro libro non peritura bona.”
Der Text zu deutsch:
„Dieses Meßbuch schenkte der St.-Anna-Kapelle in Nordwald Johannes Theodorus Cree, Vikar und Kuratkaplan der Kollegiatkirche zum heiligen Ludgerus.
Münster im Jahre 1733.
Dieses Missale schenkt Dir Dein Diener, o Anna Patronin, Gib mir für dieses Buch ewige Güter zum Lohn!"
Das Meßbuch hat ein Format von 36 mal 24 mal 6 Zentimeter. Zum Kanon und zu den Hochfesten enthält es neben dem Titelblatt noch zehn weitere ganzseitige Kupferstiche. Die einzelnen Meßformulare sind mit kleinen bildhaft-thematischen Initialen ausgestattet.
Das Buch ist in schwarzes Leder gebunden. Die Kanten der Holzdeckel sind mit Metallverstärkungen versehen. Die Verschlußklammern sind nicht mehr vorhanden. Das Buch hat Goldschnitt, der an allen drei Seiten mit Prägungen verziert ist.
Eine weitere Notiz des Stifters Johannes Theodor Cree in dem Meßbuch lautet:
„Donavit sacello, quod aedificavit et curavit sollemniter benedici, calicem argenteum, tres casulas et cetera ad sacrificandum necessaria.“
Der Text zu deutsch:
„Er baute die Kapelle und sorgte für ihre feierliche Benediction; weiter stiftete er ihr einen silbernen Kelch, drei Meßgewänder und alles, was zur Feier des heiligen Messopfers notwendig ist."
Der alte silberne Meßkelch zusammen mit sämtlichen Leinensachen der Kapelle fiel im Jahre 1920 einem Einbruch zum Opfer. Alljährlich am Fest der heiligen Anna findet in der Kapelle eine Eucharistiefeier statt. Bei der jährlichen Fronleichnamsprozession der Kirchengemeinde Hovestadt/Nordwald durch die Fluren ist seit alters her an der Kapelle eine Segensstation. Im Maimonat werden in der Kapelle, von der Frauengemeinschaft der Gemeinde Marienandachten gehalten. So ist dieses gut renovierte Gotteshaus kein Museum, sondern dient auch heute noch dem lebendigen Glaubensvollzug.
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