Hovestadt in den Fehden des Mittelalters.
Die Kurkölnische Burg Hovestadt hatte den Lippeübergang ins Münsterland zu überwachen und war mit ihrer starken Befestigung und zahlreicher Besatzung von erheblicher Bedeutung. Die Feinde der Erzbischöfe von Köln waren deshalb stets bestrebt, ihre militärische Kraft zu zerstören. In den vielen Wirren, die das Westfalenland im 14. Jahrhundert erschütterten, wurde die Burg nicht weniger als dreimal zerstört und wieder aufgebaut.
Den ersten historisch nachgewiesenen Kampf führten die Burgmannen von Hovestadt 1291 in der Fehde zwischen dem Erzbischof Siegfried von Westerburg und dem Grafen Ludwig von Arnsberg. 1301 und 1303 folgten die Angriffe des Grafen Eberhard von der Mark auf die Burg; ihr Verteidiger und damaliger Lehensträger Hunold von Plettenberg musste sich beide Male geschlagen geben. Die Feste wurde beim zweiten Angriff völlig zerstört, jedoch im selben Jahr vom Erzbischof Wigbold von Holte wieder aufgebaut. Dieser muss hierdurch in Geldverlegenheit geraten sein; denn ebenfalls im gleichen Jahr 1303 lieh sich der Erzbischof von Soester Bürgern 1.000 Mark, wofür er ihnen verschiedene Rechte, vor allem auf dem Gebiet der Landgerichtsbarkeit, innerhalb der ihm unterstehenden Amtsbezirke, so auch des Amtsbezirkes Oestinghausen, verpfändete.
Die engen Beziehungen, die sich hieraus zu der Stadt Soest ergaben, kamen auch darin zum Ausdruck, dass die Soester 1309 für den Bau einer neuen Lippebrücke, wahrscheinlich bei Kessler-Mühle, Geld zusteuerten, während die Hovestädter Burgmannen dafür auf Wegegeld verzichteten und sich verpflichteten, den Feinden der Stadt Soest den Flussübergang zu verwehren.
1346 wird die Burg durch unbekannte Gegner noch einmal vollkommen verwüstet, um alsbald stark befestigt von neuem zu erstehen.
In den späteren Kämpfen mit dem Bischof von Münster und den Herren von der Lippe, welche an den Einkünften der Burg teilhaben wollten, verfällt die Feste 1370 schließlich ein drittes Mal; nunmehr wird sie auf Veranlassung des Bischofs von Paderborn, des damaligen Landmarschalls im Herzogtum Westfalen, wieder aufgebaut.
In den anschließenden 70 Jahren konnte sich Hovestadt des Friedens erfreuen; doch dieser Ruhe folgte dann der heftige Sturm der Soester Fehde, welche 5 Jahre von 1444 bis 1449 währte.
Bei diesem über den Rahmen der Heimatgeschichte hin bedeutsamen Aufstand der Soester Bürger gegen ihren Landesherrn, den Kölner Erzbischof, fiel der nur 12 km von der rebellischen Stadt entfernten kurkölnischen Feste Hovestadt eine besondere Aufgabe zu.
Die Mittellage zwischen den in dieser Fehde einander befreundeten Städten Soest und Lippstadt wie auch die Nähe der Lippebrücke, welche in das kölntreue Münsterland herüberführt, machten Hovestadt zu dem strategisch wichtigsten Punkt in dem Belagerungsring um die Soester Börde. Die Burg wurde deshalb vom Kölner Erzbischof Dietrich von Mörs zur Operationsbasis für Unternehmungen gegen Soest auserkoren; er stapelte Waffen und sonstiges Kriegsgerät in ihren Mauern, und von Anbeginn der Kämpfe hielt er eine starke Besatzung in dieser Festung.
Lange Zeit wurde die Sicherung des Schlosses auch durch des Erzbischofs Bruder, dem Bischof Heinrich von Münster, übernommen, welcher hierfür im Jahre 1445 einen Betrag von 2.000 Gulden erhielt. Doch schon im Sommer 1445 zog sich die Streitmacht Münsters zurück, nachdem die Stände dieser Stadt, Domkapitel und Ritterschaft, den Bischof bewogen hatten, mit Soest einen Sonderfrieden zu schließen.
Die Bedeutung Hovestadts zu jener Zeit zeigt sich auch daraus, dass Dietrich von Mörs im Jahre 1444, wahrscheinlich im April, einen Landtag in Hovestadt abhielt, auf dem er mit Vertretern seiner Länder und Verbündeten die durch den Aufstand von Soest notwendig gewordenen Beschlüsse fasste. Der Bischof von Münster, die Grafen von Tecklenburg und von Rietberg sowie Ritterschaft und Städte gehörten zu den Teilnehmern der glänzenden Tagung. Die für ihre Durchführung erforderliche "Notdurft" besorgten sich die Hovestädter aus der Stadt Soest, und obgleich die Soester wohl wussten, welchen Zwecken die Tagung und die von den Hovestädtern gewünschten Dinge dienten, gönnte "die gute Stadt" ihnen diese "Notdurft". So vermerkte es voller Spaß der Schreiber des Kriegstagebuches aus Soest.
Das Kommando über die militärische Besatzung der Burg hatte Hoberg, der sein Schloss in Milinghausen in Brand gesteckt hatte, um es nicht den Feinden preiszugeben. Zwei Monate nach dem Beginn der Fehde, am 24. August 1444, begegnen sich Hovestädter und Soester im Kampf. Bei dieser Gelegenheit soll "alles, was um Hovestadt war", von den Soestern verbrannt worden sein.
Im Sommer 1445 beteiligte sich die Burgbesatzung im Heeresgefolge des Bischofs von Münster an den schweren, jedoch erfolglosen Angriffen auf Soest. Den nach Herzfeld zurückgehenden Truppen des Bischofs blieben die Soester auf den Fersen; hierbei erlitt die Umgegend von Hovestadt erneut großen Schaden. Jedoch blieben die Hovestädter Soest und den Bördedörfern nichts schuldig. In den Jahren 1445 und 1446 zog die Kölner Burgbesatzung plündernd, sengend und raubend durch die Soester Börde. Vor allem die Sassendorfer und Lohner Gegend wurden hart betroffen; wenig rühmliche Taten der kölnischen Truppen sind uns von diesen Beutezügen überliefert.
Im Februar 1446 versuchten die Hovestädter, einen Überfall auf Soest am Walburger Tor zu verüben, wobei sie sich der gefürchteten Feuerpfeile als Wurfgeschosse bedienten. Noch im gleichen Monat rächten sich die Soester durch einen Angriff auf Hovestadt. Bei beiden Unternehmen gab es mehrere Tote und Verwundete.
Auch humorvolle Episoden sind uns aus jenen kriegerischen Zeiten überliefert. Als zum Beispiel 1446 Sonntag nach Dreifaltigkeit die Kölner Truppen vor einem anrückenden Lippstädter Corps in Richtung auf Hovestadt zurückwichen, hinterließen sie auf der Anmarschstrasse zahlreiche Wasserfässer, die mit Butter bestrichen waren und Klebezettel trugen, auf denen die billige Butter von Hovestadt gerühmt wurde ein bitterer Hohn für die bei der langen Belagerung Lippstadts gänzlich ausgehungerten Bewohner dieser Stadt.
Zu einer der letzten Kampfhandlungen der Soester Fehde gehörte der mit Hilfe eines Verräters durchgeführte nächtliche Handstreich der Soester auf Schloss Hovestadt am 29. Juli 1448. Nachdem ein Einbruch in der Feste schon erfolgt war, stürzte sich die im Schlaf überraschte Besatzung nackt auf die Eindringlinge; sie vermochte auf diese Weise das Schloss noch zu halten.
Den Soestern gelang es somit während der ganzen Fehde nicht, die Burg Hovestadt zu erobern, und so sehr den Soestern sonst die lange Fehde die Erfüllung ihrer Wünsche brachte, eines ihrer begehrtesten Kriegsziele, die Burg Hovestadt mit dem Amtsbezirk Oestinghausen in ihre Abhängigkeit zu bringen, ist nicht verwirklicht worden. Im Gegenteil: die Bindungen zu Soest, die vor der Fehde besonders auf dem Gerichtswesen und in finanzieller Hinsicht bestanden, gingen nun infolge der gebietlichen Trennung verloren.
Während Hovestadt Kurköln verhaftet blieb, wurde Soest in die Grafschaft Mark eingegliedert und damit in den Augen der Hovestädter abtrünniges Feindesland. Die Soester Gau- oder Freigerichte (Vriedings), welche bis dahin regelmäßig in Hovestadt ebenso wie in anderen 3 Orten der Soester Börde abgehalten worden waren, kamen nun in Fortfall.
Außerdem entfielen mancherlei dem Erzbischof, seinem Landmarschall oder den Hovestädter Burgmännern zustehende Einkünfte aus dem ländlichen Bezirk der Soester Börde, die bis dahin vom Soester Schultenamt eingezogen und nach Hovestadt geflossen waren. Für Kurköln und seine im Hovestädter Bereich wohnenden Lehensträger war demnach der Ausgang der Fehde mit erheblichen wirtschaftlichen Einbussen verbunden.
|