Die innere Entwicklung von Hovestadt.

Schloss und Dorf Hovestadt hatten in den ereignisreichen Jahrhunderten seit der Soester Fehde manche Veränderung erfahren, die vom Bischof von Paderborn im Jahre 1371 nach vorangegangener Zerstörung wieder aufgebaute Burg Hovestadt war 200 Jahre später bereits so stark verfallen, dass sich ihr Inhaber Goswin von Kettler zu einem völligen Umbau entschloss.

Unter der Hand des Meisters Laurentz von Brachum, der auch das in der Nähe gelegene Haus Assen der Grafen von Galen errichtete, entstand in den Jahren 1563 bis 1572 das formschöne Renaissance-Wasserschloss, welches die folgenden Jahrhunderte bis in die Jetztzeit überdauerte. Der ursprüngliche Plan sah ein Gebäude mit 4 Flügeln, 4 Ecktürmen und einem geräumigen Hof in der Mitte vor. Wohl aus Geldmangel kamen jedoch nur 2 Flügel mit einem Eckturm zur Ausführung.

Dem Baumeister standen zahlreiche Künstler und Handwerker zur Seite: Steinmetze, Bildhauer, unter ihnen Adrian von Utrecht, der die Löwenköpfe an den Außenwänden des Schlosses schuf, ferner Maler und Glasermeister.

Nachdem 1649 die Hovestädter Linie der Kettlers im Mannesstamm ausgestorben und vorübergehend das Geschlecht von Heiden Inhaber von Hovestadt gewesen war, gingen das Schloss und die dazu gehörige "Herrlichkeit“ im Jahre 1710 für die Summe von 180.000 Reichstalern in das Eigentum der Familie von Plettenberg-Lenhausen über, die 1724 in den Grafenstand erhoben wurde und bis heutigen Tages Schlossherr geblieben ist.

Unter Josef Klemens Graf von Plettenberg-Lenhausen erhielt die Schlossanlage in den Jahren 1730 bis 1740 durch den berühmten Meister des westfälischen Barocks Johann Conrad Schlaun ihr heutiges Gesicht. Das Werk Schlauns umfasst künstlerisch hochwertige Stuckarbeiten im Schlossinnern, den galerieartigen von Licht durchfluteten Vorbau an der Eingangsseite des Schlosses, die Brückenanlage mit 2 monumentalen Pfeilern sowie die 4 äußerlich sich gleichenden, in der Reinheit ihres Stils sehr ansprechenden Vorgebäude im äußeren Schlossbezirk, die eine Orangerie und eine Schlosskapelle mit einschließen.

Die Parkanlage entstand ebenfalls neu im Stil französischer Gärten aus der Epoche Ludwig XIV.

Zur gleichen Zeit 1737 wurde in Nordwald durch Stiftung der Brüder Cree die einschiffige Anna-Kapelle im Stil Soester Spätbarockbauten errichtet.

Das Wirken von Graf Josef Klemens wirkte sich auch auf anderen Gebieten sehr segensreich aus. Er versuchte, den Handel zu heben, und zog hierfür jüdische Kaufleute ins Dort, die zugleich seine Bankiers waren und ihm die Geldmittel für seine Neuanlagen verschafften. Die jüdische Kolonie setzte sich noch im Jahre 1855 aus 95 Mitgliedern zusammen; sie verfügte über eine eigene Schule, eine Synagoge und einen Friedhof an der Strasse nach Eickelborn, der bis heute erhalten geblieben ist.

Das Dorf hatte infolge der Maßnahmen Ihres Schlossherrn einen allgemeinen Aufstieg zu verzeichnen. Es zählte damals 60 Häuser und bestand aus der südlich dem Schloss vorgelagerten, 1636 erstmals erwähnten „Neustadt" und aus dem westlich gelegenen "Örtchen".

Für die spätere wirtschaftliche Fortentwicklung Hovestadts nach dem siebenjährigen Krieg war es sehr dienlich, dass die Nachbarstadt Soest Garnison für Söldnertruppen geworden war und ihre Stadttore durch Verfügung von höchsten Stellen zeitweise gesperrt wurden, um die Zahl der Desertierungen von Soldaten herabzusetzen; Fuhr und Handelsleute mieden deshalb die Stadt Soest und errichteten neue Niederlagen für ihre Waren in Hovestadt und Lippstadt.

Mit der wachsenden Bevölkerung wuchs auch das Bedürfnis nach einem geregelten Gottesdienst. Seit 1750 wohnten Franziskanerpater im Ort, welche die Seelsorge in der Schlosskapelle und auch den Schulunterricht durchführten. Seit 1839 sind an die Stelle der Pater Vikare getreten.

Über ein Gotteshaus außerhalb des Schlossbereiches verfügt die Gemeinde erst seit dem Jahre 1932 in der Sankt Albertus Magnuskirche, die schlicht und in klaren Formen gehalten ist; ein Zeitgenosse nennt sie "innen und außen eine der schönsten neueren Kirchen Westfalens".

Aus freiwilligen Beiträgen der Kirchspiele Oestinghausen, Ostinghausen und Herzfeld erstand in den Jahren 1855 bis 1859 das Sankt Ida Hospital der Franziskanerinnen mit eigener Kapelle auf einem von den Grafen Plettenberg geschenkten Grundstück.

Mehrere kirchliche Schnitz und Bildhauerwerke edlen Geschmacks befinden sich innerhalb des Ortes Hovestadt. Außer einem reich geschnitzten gotischen Kirchenstuhl birgt die Schlosskapelle ein zweites bemerkenswertes Denkmal, die schöne liegende Grabfigur des 1918 im Alter von 22 Jahren gefallenen Friedrich August Graf von Plettenberg-Lenhausen (nach Dr. Hubertus Schwartz), der die erste Geschichte von Hovestadt zusammenstellte. Die Plastik führte 1932 Bernhard Graf von Plettenberg aus, ein Sohn der Gemeinde Hovestadt.

Der Ort besitzt weitere schöne Werke dieses noch lebenden Künstlers: über dem Altar der neuen Kirche ein Kruzifix, das durch seine Art der Auffassung sehr bemerkenswert ist, und weiterhin die im Freien stehende Statue der heiligen Ida an der Althoffswiese.


Hovestadt und Nordwald im 19. und 20. Jahrhundert

Aus dem politischen Leben Hovestadts in den letzten 150 Jahren ragt wegen der Eigenart seines Verlaufes der "Aufstand" in dem für ganz Deutschland bedeutsamen Jahr 1848 hervor. "Hauptsächlich Herzfelder Kirchspielleute, die dem Schloss Hovestadt abgabepflichtig waren, hatten sich, mit Stöcken und Knüppeln versehen, zusammengerottet, um auf das Schloss zu ziehen. Allein die alte Burg hatte sich noch einmal zum Widerstand gerüstet. Die Zugbrücke war aufgezogen, und die beiden Kanonen aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts richteten ihren drohenden Schlund gegen die Angreifer". Die Belagerer beschränkten sich jedoch darauf, die an der Strasse nach Herzfeld aufgestellten Öllampen zu zerschlagen. Auf ihre Bitte, diese Lampen wieder aufzurichten, erwiderte der Graf den Herzfelder Bittstellern, "sie wären diejenigen, die zuerst ins Wasser fielen, wenn sie fortan im Dunkeln nach Hovestadt tappen müssten. Da sie es für gut befunden hätten, die Lampen zu zerstören, sollten sie diese wenigstens wieder aufstellen; dann werde er sie wieder unterhalten".

Hovestadt und Nordwald im 1. und 2. Weltkrieg
Außer dieser sonderlichen Begebenheit ereignete sich nichts Bedeutungsvolles mehr bis 1914. Große Lücken in dem männlichen Teil der Bevölkerung rissen die beiden Weltkriege zwischen 1914 und 1945.

Im ersten Krieg von 1914 bis 1918 hatte Hovestadt 19 und Nordwald 4 Tote, im zweiten Krieg von 1939 bis 1945 Hovestadt 64 und Nordwald 15 Tote zu beklagen. Ein Gedenkstein auf dem Friedhof hält die Erinnerung an den Heldentod der Söhne von Hovestadt und Nordwald fest.

Am Ende des zweiten Weltkrieges, Ostern 1945, erlebte Hovestadt erstmalig wieder seit langer Zeit den Durchmarsch fremder Truppen. Ohne größere Kampfhandlungen fiel der Ort in die Hand von Heeresverbänden der Vereinigten Staaten von Nordamerika, nachdem die Lippebrücke vorher von den Deutschen gesprengt worden war.

Diese Sprengung und auch Artilleriebeschuss bewirkten Schäden an mehreren Häusern Hovestadts und Nordwalds, darunter auch einige Totalschäden. Eine viel größere Gefahr als die bewaffneten Fremdtruppen bildeten die entlassenen feindlichen Kriegs-gefangenen und Fremdarbeiter, vornehmlich Angehörige der östlichen Völker, die zu Fuß aus dem Ruhrgebiet gekommen und auf dem Rückweg in ihre Heimatländer begriffen waren. Der klugen Haltung einzelner Landwirte, welche, unterstützt durch die langjährig bei ihnen beschäftigten Fremdarbeiter, diese hungrigen Menschen verständnisvoll behandelten und sich ihnen durch Lieferung von Speise und Trank möglichst gegen kleine Hilfeleistungen auf dem Felde nicht versagten, ist es zu danken, dass Gewalttätigkeiten vermieden wurden.

Nur in Nordwald läuteten nachts mehrmals die Sturmglocken auf den Einzelgehöften, wenn diese von marodierenden Banden überfallen wurden; durch den persönlichen Schneid einzelner Bauern, die mit lautem Schreien, eine große Masse Menschen vortäuschend, ihren Nachbarn zu Hilfe kamen, konnten größere Schäden vermieden werden. In der Folgezeit strömten. die Flüchtlinge aus den von Polen besetzten deutschen Ostgebieten, vor allem aus Schlesien, herein.

Die Bevölkerung der Gemeinden Hovestadt und Nordwald
Die Bevölkerung der Gemeinden, die in den letzten l00 Jahren Hovestadt mit rund 600 Köpfen nahezu gleich geblieben war, stieg durch diesen Zustrom von Menschen sprungartig an. Im ganzen Amtsbezirk Oestinghausen betrug die Bevölkerungszunahme von 1938 bis Ende des Jahres 1948 fast 34 %.

Auf die Verteilung der Konfessionen hatte diese letzte Völkerwanderung aus dem Osten nachhaltigen Einfluss. Gegenüber nahezu 100% Angehörigen des katholischen Bekenntnisses im Jahre 1925 verringerte sich ihr Anteil nach dem zweiten Weltkrieg auf weniger als 90%.

Durch die Abwanderung von Flüchtlingen in hoch industrialisierte Gebiete bahnt sich jedoch wieder eine rückläufige Bewegung an. Im Jahre 1959 zählten der Ort Hovestadt 883 und die Gemeinde Nordwald 165 Einwohner.

In Hovestadt sind außer den kirchlichen Bauten und dem Schloss folgende Gebäude zu erwähnen: die seit 1792 bestehende Apotheke, die 1937 fertiggestellte Schule und das Amtshaus für den Amtsbezirk Oestinghausen, in dem auch die Sparkasse untergebracht ist. Die Einwohner der geschlossenen Dorfsiedlung sind zum großen Teil selbständige Handwerker und Geschäftsleute und im übrigen vor allem in der Landwirtschaft oder in Gewerbebetrieben der nächstgelegenen größeren Ortschaften und Städte tätig. Die Gemeinde Nordwald besteht überwiegend aus Einzelgehöften, die verstreut in der Flur südlich Hovestadts zwischen den Strassen nach Niederbauer und Weslarn gelegen sind.