Aus der Geschichte von Schloss und Dorf Hovestadt

1. Älteste Geschichte bis ca. 1400

Bodenfunde beweisen, dass unsere engere Heimat schon recht früh besiedelt war.

Die ersten schriftlichen Nachrichten verdanken wir u. a. dem römischen Schriftsteller Tacitus.

In den Jahrzehnten vor und nach Christi Geburt unternahmen die Römer eine Reihe von Kriegszügen in das rechtsrheinische »freie« Germanien. Bei wechselndem Kriegsglück gelang es jedoch den römischen Streitkräften und Feldherren nicht, die germanischen Stämme endgültig zu unterjochen und dieselben ihrem Weltreich einzugliedern.

Zu dieser Zeit wohnte in unserem Gebiet nördlich und etwas später auch südlich der Lippe der germanische Stamm der Brukterer, südlich davon die Sigamberer. (Sauerland) und südöstlich die Marsen. Gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts wurden die Brukterer von den von Norden vordringenden Angivaren unterworfen, wurden denselben hörig, und gingen allmählich in diesem Stamme auf.

Einige Jahrhunderte später wurde die hiesige Gegend, der Gau der Brukterer von dem ebenfalls von Norden kommendem Volk der Sachsen besetzt. Die hiesige Bevölkerung ging allmählich in dem Sachsenvolk auf. In der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts war unser Land Schauplatz der dramatischen Auseinandersetzung zwischen Franken und Sachsen, Karl dem Großen und Wittekind, zwischen Christentum und angestammten Götterglauben. In fast 30-jährigem Krieg kämpften unsere Vorfahren erbittert für ihre Freiheit und ihren Glauben. Die Taufe Wittekinds am Weihnachtsfest 785 besiegelte die endgültige Unterwerfung und die Christianisierung des sächsischen Volkes.

Auf dem Landgut südlich der Lippe, dem späteren Hovestadt, lebte damals der sächsische Graf Egbert. Drei Linden in der Idawiese am Althof bezeichnen noch heute die Stelle, wo die Burg gestanden hat. Egbert hatte außerdem noch Besitzungen nördlich der Lippe, im jetzigen Herzfeld, damals Hirutfeld genannt, und im Osnabrück‘schen. Im Gegensatz zu den meisten sächsischen Edlen jener Zeit war er ein treuer Gefolgsmann Karls des Großen. Als er den Kaiser einst auf einem Feldzug begleitete, erkrankte er schwer. Er kam in das Haus des fränkischen Grafen Theodrich in Ripuarien, Land zwischen Ahr und Rur (im westlichen Rheinland). Ida, die Tochter des Hauses pflegte ihn mit aufopfernder Hingabe. Die jungen Herzen fanden bald zueinander. Nachdem Egbert völlig genesen war, hielt er um Idas Hand an, sie willigte ein und 794 fand die Vermählung statt. Alsbald ward gerüstet zur Reise in Egberts sächsische Heimat an der Lippe. Schon viele Tage war das junge Paar mit Gefolge unterwegs, als sie im heutigen Herzfeld, im dichten Wald, in der Nacht, den Weg verfehlten zur nahen heimatlichen Burg Hovestadt. Sie waren deshalb gezwungen, noch einmal in ihren Zelten zu übernachten jenseits der Lippe. Im Traum hatte lda eine Erscheinung, welche sie aufforderte, an dieser Stelle eine Kirche zu errichten. Auf ihrem Wohnsitz Hovestadt angelangt, wurde schon bald mit dem Bau des neuen Gotteshauses in Herzfeld, der ersten Kirche unserer Heimat, begonnen. lda ließ es sich nicht nehmen, mit ihrem zahmen Hirsch selbst Steine und anderes Material durch die damals noch sehr flache Lippe über den sogenannten »Idenpatt« zur Baustelle zu bringen. Diese erste Kirche war im Basilikenstil erstellt und mit vertäfelter Holzdecke und Glockenstuhl versehen. Anschließend wurde in Herzfeld auch eine Familienhalle errichtet.

Ida schenkte ihrem Gemahl 5 Kinder und wurde die Stammmutter einer ganzen Reihe bedeutender Fürstenhäuser. Nach dem frühen Tode Egberts 811 siedelte Ida von der Burg in Hovestadt ganz nach Herzfeld über, wo sie in einer kleinen Zelle, der späteren Idenkapelle, an der Kirche wohnend, sich ganz dem Gebet und der Fürsorge für die Armen widmete und ein gottgefälliges Leben führte, unter Leitung des frommen Priesters Berethger, des ersten Pfarrers von Herzfeld. Ida starb heiligmäßig am 4. September 825 und wurde bald nach ihrem Tode als Heilige verehrt, nicht zuletzt deshalb, weil sich an ihrem Grabe eine Anzahl von Wundern ereignete. Ihr vorbildliches, selbstloses Leben im Dienste der Armen, Alten und Kranken wird viel zur Befestigung und Vertiefung des jungen Christentums in unserer Heimat beigetragen haben. Wohl aus Anlass ihrer Heiligsprechung durch Bischof Dodo von Münster im Jahre 980 schrieb der Benediktinermönch Uffing im gleichen Jahr eine Biographie über das Leben der heiligen Ida »Die Vita Sancta Ida«, welche sich noch im Herzfelder Pfarrbesitz befindet. St. Ida ist bis in unsere Tage die Schutzpatronin des ganzen Lippegebietes.

Nun zurück nach Hovestadt. Die älteste Bezeichnung für unseren Ort ist Hofstatt, (die Stätte, wo Hof gehalten wird).

Unter Egberts Nachfolgern wird die Burg etwas weiter nach Westen verlegt (an die Stelle des jetzigen Schlosses) und ist auch der Name »Hofstatt« auf das neue Haus übertragen worden, während der frühere Wohnsitz als »Althof« bezeichnet wurde.

Es erfolgte alsbald eine Trennung der rechtslippischen und linkslippischen ehemaligen Besitzungen Egberts.

Etwa gegen 1050 kommt die Hofstatt (durch Schenkung) an Köln, der Althof, auch Hof Scherenbrock genannt, welcher bis 1850 bestanden hat, fällt dagegen an Kloster Werden. Es wird in der Folge der Althof von Kloster Werden, Hovestadt aber von Köln belehnt. 1180 kommt unser Gebiet endgültig an Köln (Sturz Heinrich des Löwen). (Erwähnt sei hier, dass das ehemalige Königsgut, welches als Schulzenhof in Herzfeld bestanden hat, zunächst in den Besitz von Egberts Tochtersohn Ludolf überging mitsamt Egberts Grafentitel, jedoch bereits gegen 900 an Kloster Werden kam.)

Mit dem Althof werden belehnt: 1330-1343 Engelbert Bitter, 1344 Johann von Soest mit der Hälfte, 1352 Konrad Kettedler, 1406 Johann Hoberg, 1543 Dietrich Ketteler, 1587 sein Sohn Goswin, 1647 Dietrich Gedro von Heiden, seit 1729 Graf von Plettenberg Lenhausen. 1803 war durch den Reichsdeputations-Hauptbeschluss auch Werden säkularisiert worden. Seitdem stellte der König von Preußen den Lehensbrief aus. Der letzte Brief ist datiert vom Jahr 1827.

Die ältesten urkundlichen Nachrichten von Hovestadt stammen aus dem 13. Jahrhundert. Es werden darin Herren von Hovestadt erwähnt seit 1231. Wahrscheinlich handelt es sich um Ministerialen des Kölner Erzbischofs.

1275 ist Hovestadt jedenfalls kurkölnisches Burgmannslehen, denn in diesem Jahre wird Goswin von Rodenberg als Burgmann des Erzbischofs daselbst genannt.

Im Jahre 1280 findet sich für Hovestadt schon die Bezeichnung Schloss. Klarer noch sind die Verhältnisse in einer Urkunde v. 21.1.1292, die von einer Fehde zwischen dem Grafen Ludwig von Arnsberg und den Burgmännern von Hovestadt sprechen.

Die befestigte kurkölnische Landesburg Hovestadt hatte zu jener Zeit 7 Burgmannssitze, die sämtlich innerhalb des Befestigungsringes lagen. Burgmänner waren vielfach nachgeborene Söhne benachbarter Adelsfamilien. Als solche werden benannt: die von Plettenberg, von Wrede zu Mielinghausen, von Eickelborn, Rotgar Ketteler u. a.

Im 14. Jahrhundert wurden noch mehrere neue Burgmannswohnungen erbaut. Über diese Burgmänner stand noch ein Hauptlehnsträger, welcher im Krieg die Führung übernahm und sonst etwa als Burgvogt oder Schlossamtmann bezeichnet werden könnte. Während seine Rechte in der ersten Zeit, besonders den Burgmännern gegenüber ziemlich beschränkt sind, entwickeln sich dieselben mit der Zeit zu immer größerer Selbständigkeit, bis sie zuletzt im 16. Jahrhundert eigentümliche Besitzer der Burg werden.

Zum ersten Mal werden als Schoßamtmänner die von Oldendorp erwähnt. Seit 1301 ist Hunold von Plettenberg und seit 1346 Hermann von Plettenberg Inhaber des Lehens. Ihnen folgten für kurze Zeit die von Spiegel zum Desenberg und von diesem übernahm es 1384 die Familie Ketteler.

In jener unruhigen, fehdereichen Zeit spielte die stark besetzte Landesburg eine große Rolle.

1291, in dem Konflikt zwischen dem Kölner Erzbischof und dem Grafen von Arnsberg fühlte sich letzterer zu einem Zuge nach Hovestadt genötigt und kämpfte hier mit den Burgmännern. 1301 sehen wir Eberhard von der Mark auf einem feindlichen Zuge vor der Burg Hovestadt. Hunold von Plettenberg, westfälischer Landmarschall und Offizial tritt ihm entgegen, wird aber geschlagen und nur durch Vermittlung des Grafen Ludwig von Arnsberg wird die Burg Hovestadt vor einem schlimmen Schicksal bewahrt und der Friede wieder hergestellt.

1303 steht der wilde Eberhard von der Mark wieder vor der Burg. Nach längerer Belagerung gelingt die Einnahme, die Burg wird von ihm völlig zerstört.

Noch im selben Jahr wird sie indessen von Erzbischof Wigbold wieder hergestellt.

Aus dem Jahre 1309 haben wir einen Vertrag der Burgmänner mit den Soestern wegen Neubau der Lippe-Brücke, worin sich die Soester verpflichten, gegen freie Benutzung derselben durch ihre Bürger eine ansehnliche Summe zum Bau zur Verfügung zu stellen. Die genaue Lage der Brücke, ob bei der Burg Hovestadt, oder bei der Kesseler Mühle kann nicht mit Sicherheit beschrieben werden. Nach den betreffenden Akten bestand jedenfalls bei der Burg Hovestadt seit Menschengedenken eine Fähre. Außerdem gab es in der Nähe des Althofs noch einen zweiten uralten Lippeübergang, den nach der Legende auch die heilige Ida mit ihrem Hirsch benutzt hatte.

1313 findet sich eine wichtige Notiz über »Verfassung« in Hovestadt, da in diesem Jahr zum ersten Mal ein Amtmann in Hovestadt erwähnt wird, Johann Droste aus dem Geschlecht der Droste zu Schweckhausen. Nach ihm werden noch mehrere Droste als Amtmänner hier genannt. »Amtmann» ist zu unterscheiden vom Schlossamtmann. Der Titel bezeichnete einen Beamten als Landesherren, dem hauptsächlich die Erhebung der Steuern und anderer Abgaben in einem bestimmten Bezirk dem Amt anvertraut war. Das Amt wurde nach dem wichtigsten darin liegenden Orte benannt. In unserem Falle heißt es zeitweise Amt Oestinghausen, dann wieder Amt Hovestadt. Besonders nach der Soester Fehde wird der hiesige Amtsbezirk gern als Amt Hovestadt bezeichnet, während vorher und seit Anfang des 17. Jahrhunderts meistens vom Amt Oestinghausen die Rede ist.

Neben dem Amtmann wird seit der 2ten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein Droste von Hovestadt erwähnt, der hauptsächlich richterliche Funktionen innehatte. Da ihr jeweiliger Inhaber der Burg Hovestadt diese Stellung besaß, ist von einem Drostenamt Hovestadt die Rede. Den Titel »Droste von Hovestadt« führten die Grafen von Plettenberg noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts.

1346 ist die Burg wieder vollständig verwüstet. In einer Urkunde vom 27. August 1346 macht Erzbischof Walram den Ritter Hermann von Plettenberg zum Kastellan von Hovestadt und beauftragt ihn mit dem Neuaufbau der Burg und solider Befestigung.

In der Folgezeit machen die Herren von Lippe Ansprüche auf Hovestadt.  

Einige Zeit später Fehde des Münsterischen Bischofs Dodo mit den Hovestädtern und dann Belagerung und Eroberung im Verein mit dem Lippischen Grafen Simon. Der Kölner Erzbischof muss jetzt die Hälfte der Burg an dessen Burgleute abtreten.

1370 ist die Burg infolge der kriegerischen Ereignisse wieder ziemlich verfallen und deshalb »noitiges buwes« zu bedürfen, wie aus einer Urkunde vom 4. April des Jahres hervorgeht, in welcher der Bischof von Paderborn als Landmarschall von Westfalen den Wiederaufbau beschließt und mit Unterstützung von Köln dann auch ausführt. 1371 ist die Burg wieder bewohnbar und 1381 stark befestigt mit Türmen und Wällen. Die benachbarten Herren von Lippe, Rietberg, Osnabrück u. a. schließen jetzt sogar Bündnisse mit der Besatzung. Längere Zeit genießt Hovestadt jetzt die Wohltaten des Friedens.