2. Von der Soester Fehde bis um 1700

Anfang August 1444 war Kurfürst Dietrich von Moers auf die Burg Hovestadt gezogen und hatte hier am 17. August auf einer glänzenden Tagung im Kreise seiner Verbündeten den Kampf gegen Soest beschlossen. Anwesend waren: des Erzbischofs Bruder Heinrich Bischof von Münster, die Grafen von Tecklenburg und Rietberg, die Ritterschaft des Landes und die Obersten ihrer Städte. Gleichzeitig hatte er hier einen Stapelplatz für Waffen und Kriegsgerät angelegt.

Bald sollte denn auch der Kampf beginnen. Verstärkt war die Burgmannschaft durch eine bedeutende kurkölnische Besatzung unter Führung des Hoberg von Mielinghausen. Als im nächsten Jahr der Münsterische Bischof die Belagerung Lippstadts aufgeben muss und versucht, Soest zu überrumpeln, zieht er zunächst über Hovestadt und verstärkt sich durch einen Teil der Besatzung. Der Angriff misslingt aber und der Bischof führt seine Truppen über Hovestadt und Lippe nach Hause. Die ergrimmten Soester sind ihm aber auf den Fersen, hausen übel in Herzfeld, eine Überrumpelung der Hovestädter Burg gelingt ihnen aber nicht. In der Folge unternahmen die Hovestädter Streif- und Plünderungszüge in die Soester Börde (Lohne und Sassendorf) und ließen es auch an Grausamkeiten und Gewalttätigkeiten nicht fehlen. Anfang Februar 1446 versuchte die Burgbesatzung sogar einen allerdings vergeblichen Überfall auf Soest. Am 10. Februar erscheinen die Soester wieder in Hovestadt und brennen Hobergs Haus nieder. Beim Kampf gibt es wieder 3 Tote und 6 Verwundete. Am Sonntag nach Dreifaltigkeit erscheint ein Lippstädter Corps in Hovestadt. (Unterwegs erlegen die Truppen einen wilden ungeheuren Bären.) Im Jahre 1447 rückte endlich der Erzbischof mit einem gewaltigen Söldnerheere gegen Soest. Rund um die Wälle entwickelt sich ein blutiger, mörderischer Kampf, doch die Soester Abwehr ist ungebrochen. Alle Angriffe der Belagerer werden von den Soestern zurückgeschlagen. Als alle Versuche, die Stadt im Sturm zu nehmen, scheitern, muss der Erzbischof mit seinen Truppen, welche sehr schwere Verluste erlitten hatten, wieder abziehen. Es folgt ein Waffenstillstand vom 21. September bis 11. November. Darauf ein nochmaliges Aufleben der Feindseligkeiten, ohne Entscheidung, bis endlich am 27. April 1449 durch Vermittlung von Papst Nikolaus dem V. der Friedensschluss erfolgt.

Durch den Abfall Soests von Köln wurde die militärische Bedeutung der Hovestädter Burg für Köln noch gewaltig erhöht. Ihre ziemlich isolierte Lage an der Lippe zwischen den Städten Lippstadt und Hamm einerseits, dem feindlichen Soest und dem befreundeten Münsterland andererseits, trug auch der bischöfliche Landesherr durch Verstärkung der Besatzung nach außen Rechnung.

Sehen wir uns nach den Inhabern der Burg um, so finden wir seit 1448 die Ketteler als Herren der Hovestadt. Die nächsten Jahrzehnte verlaufen ruhig, die Glaubenskämpfe dringen noch nicht in das Erzstift ein. Während das angrenzende Soester Gebiet 1532 zur neuen Lehre übertritt, bleibt unser Gebiet dem alten Glauben treu.

Burg Hovestadt scheint zu dieser Zeit ziemlich vernachlässigt zu sein, denn im Jahre 1563 ist sie wieder recht verfallen. Im Jahre 1563 wurde durch Goswin Ketteler ein völliger Neubau der Burg begonnen und bis 1572 durchgeführt, der ihrem veränderten Zweck entsprach: die Hovestadt sollte in Zukunft weniger militärischen Zielen dienen, sondern ein geräumiges, wohnliches Schloss werden! Der ursprüngliche Plan sah eine vierflügelige Anlage mit einem geschlossenen rechteckigen lnnenhof und vier Ecktürmen vor, welche wie Klammern die Flügel banden. Aus finanziellen Gründen kam jedoch nur ein zweiflügeliger Bau mit einem Eckturm zustande. Auch das folgende Jahrhundert hatte kein Interesse am Weiterbau, da es mehr offene Anlagen liebte. Das prächtige Renaissanceschloss ist in rotem Ziegelstein errichtet. Für Unterbrechung sorgen die Umrahmungen und Ornamente aus Baumberger Sandstein, welche besonders der östlichen Außenseite des Baues eine sehr reiche Gliederung geben.

Der Baumeister des Schlosses war Laurenz von Brachum, ein damals sehr gesuchter Meister, der u. a. auch für Soest als Festungsbaumeister tätig war. Als seine dekorativen Mitarbeiter werden u. a. genannt: Peter von Wesel, Hermann Baspado und Adrian von Utrecht, der die Löwenköpfe am Schloss gehauen hat, alles Meister aus dem niederrheinischen-niederländischen Winkel.

Laurenz v. Brachum erhielt als Arbeitslohn 7 sbr., als Jahrgeld 8 Tonnen Bieres a 1 Reichstaler, 3½ sbr., 20 Scheffel Roggen a ½ Reichstaler, 4 fette Schweine a 11 Reichstaler. – Im ersten Jahre arbeitete er mit 18-27 Gesellen, von denen jeder täglich 5¼ sbr. erhielt. – Erwähnt sei noch, dass das Bauholz kostenfrei durch den Kölner Kurfürsten angefahren wurde.

1572 wird das Schloss fertiggestellt und dann bezogen. In der Folgezeit scheint hier ein frohes gastliches Leben geherrscht zu haben, u. a. weilte der Erzbischof von Köln, Truchsess von Waldenburg, hier auf Besuch.

Doch bald sollten wieder ernste Zeiten folgen, eingeleitet durch einzelne Raub- und Plünderungszüge fahrender Ritter: Am 25. Juli 1572 hauste Ernst von Mandelsloh in Herzfeld und dann in Hovestadt. – Etwas später, zur Zeit der Truchsesseschen Wirren, um 1580, wurde unsere Gegend noch mehr durch kriegerische Züge beunruhigt. Truchsess von Waldenburg zog 1524 gleich nach seiner Absetzung zur Hovestadt, musste aber bald weiterziehen.

In dem spanisch-niederländischen Kriege wurde unsere Heimat, wie auch das übrige Westfalen, ebenfalls schwer heimgesucht von plündernden und raubenden Heereshaufen, besonders weil der Lippe-Übergang immer eine gewisse Rolle spielte. Auch das im Jahre 1599 vom Reich eingesetzte Kreisheer Westfalen brachte kaum eine Besserung der Verhältnisse, zumal auch diese Truppen in ihrem Verhalten gegenüber der Bevölkerung sich kaum von den fremden Streitkräften unterschieden. Nach Abzug des Kreisheeres fielen wieder niederländische Truppen in die Börde ein. Auch zu Anfang des 17. Jahrhunderts wurde es in Westfalen nicht besser; 1606 sind wieder holländische Leute raubend und plündernd im Amt.

In Hovestadt selbst hat sich indessen Wesentliches geändert. Trotz aller Kriege und Unruhen baut sich seit Anfang des 17. Jahrhunderts um die bisher einsame Burg eine Ortschaft an, die den Namen »Neustadt« erhält. Nach einer im Hovestädter Archiv befindlichen Liste sind im Jahr 1642 in der »Neustadt« 16 Landwirte ansässig, welche u. a. zusammen 17 Pferde und 50 Kühe und Rinder besitzen.

Wieder ging unsere Heimat sowie das ganze deutsche Vaterland schwersten Zeiten entgegen, nämlich der Ära des 30-jährigen Krieges, welcher Deutschland unter dem Vorwand des Kampfes für die Freiheit des Glaubens zum Tummelplatz der europäischen Völker machte und unsägliches Elend und Verarmung über unser Volk brachte (1618-1648).

Bis zum Jahre 1633 scheint unsere engere Heimat ziemlich vom Kriege verschont zu sein, wohl nicht zuletzt durch die weise Neutralitätspolitik des Kölner Erzbischofs Ferdinand, im Gegensatz zu den benachbarten münsterländischen Gemeinden, die seit 1622 schwer zu leiden hatten.

1624 wurde Herzfeld vom tollen Christian schwer heimgesucht. Vom Jahre 1633 an wird jedoch auch unsere engere Heimat in das Kriegsgeschehen verwickelt. Im Winter dieses Jahres hausen die Hessen hier. Im Streit werden einige hessische Reiter erschossen, wofür 200 Goldgulden Strafe entrichtet werden müssen.

Im folgenden Jahr werden dem Amt 450 Reichstaler als Kontribution auferlegt und bei Nichtleistung schwere Strafen verhängt. Zu all dem Elend kommt im Jahr 1635 noch die Pest.

1637 gab es wieder schwere Überfälle in Hovestadt. Als Strafe für einige durch die Hovestädter erschlagenen Reiter folgen wieder schärfste Exekutionen; so wird u .a. den Bewohnern das Vieh weggetrieben. 1639 folgen kleinere Räubereien und Diebstähle, dann wieder größere Lebensmittellieferungen zum Lippstädter Magazin. Dazu kommen die Lasten der eigenen kurkölnischen Besatzung. 1642 sind wieder die gefürchteten Hessen in Hovestadt. Auf Veranlassung des Goswin von Ketteler haben jedoch die Bauern der »Neustadt«, von Herzfeld, Schoneberg, Ostinghausen, Bettinghausen und Benninghausen vorher ihr Vieh auf dem Schlosshof zusammengetrieben, um es so dem Zugriff der räubernden Feinde zu entziehen. Auf dieses letzte größere Ereignis des Krieges folgten noch Jahre mit drückenden Abgaben, welche auch nach Friedensschluss noch nicht aufhörten.

Indessen konnten all diese Stürme und Bedrängnisse auf die Dauer die gesunde Entwicklung der neuen Siedlung der Neustadt nicht hemmen und so folgte jetzt wieder eine Periode kräftigen Aufblühens für unser Dorf.

Das Schloss bekam jetzt auch einen neuen Herrn. Im Jahre 1649 kam Schloss Hovestadt ebenso wie Haus Assen, nach dem Erlöschen des Mannesstammes der Ketteler auf Hovestadt durch die Erbtochter Ottilie an ihren Gemahl, den Oberstleutnant Gottfried Freiherrn von Heiden zu Schönrath und Borke. – Es folgten Jahre ruhiger Entwicklung.

1650-1660 wurde vom Großen Kurfürsten die Poststraße Berlin-Wesel angelegt, welche auf der Teilstrecke Lippstadt - Hamm auch durch unseren Ort führte, mit ausdrücklicher Erlaubnis des Kölner Erzbischofs zweifellos wurde durch diese Anlage die wirtschaftliche Entwicklung unseres Dörfchens gefördert, in den vielen Kriegszeiten brachte sie allerdings auch manche Drangsale über unsere Gegend. Bis vor einigen Jahrzehnten, zum Teil als grüner Sandweg erhalten, ist dieser alte Verkehrsweg heute durchweg gehärtet, bzw. als moderne Verkehrsstraße ausgebaut. Die Bezeichnung »Postweg« ist noch teilweise geläufig. Poststationen mit Pferdewechsel waren Eickelborn, Hovestadt und Hultrop.

In den unruhigen Zeiten Ludwigs XIV. hatte auch das Amt Oestinghausen viel unter Truppendurchzügen zu leiden. Wenn es hier auch nicht zu direkten kriegerischen Auseinandersetzungen kam, so wollten doch die Klagen und Beschwerden aus dieser Zeit nicht aufhören über Einquartierungen, Fourage-Lieferungen, Geldabgaben usw. Auch Anfang des 18. Jahrhunderts wurde es nicht besser. Im spanischen Erbfolgekriege zogen fortwährend die verschiedensten Truppen, besonders Preußen, über den Postweg. Vielfach wurde versucht, die hiesige männliche Bevölkerung für den Kriegsdienst anzuwerben. Überfälle, Räubereien und sonstige Gewalttätigkeiten werden aus dieser Periode nicht berichtet.