Das alles spricht für einen hohen Lebensstandard auf diesem Schloß, sowohl was geistige Interessen anbelangt wie auch die Speisebereitung. So wundert es nicht, daß sich bisweilen illustre Gäste einfanden. Nur vier Jahre nach der erwähnten Inventaraufnahme machte die Prinzessin von Oranien Station auf Haus Hovestadt, wie sich dort aufbewahrten Briefdokumenten entnehmen läßt, darunter ein in Kopie erhaltenes, vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm abgefaßtes und vom Cevischen Statthalter Fürst Moritz von Nassau weitergeleitetes Schreiben aus Cleve vom 25. August 1654:
Lieber Diener, Wihr geben Euch hiermit in gnaden zu vernehmen, wie Unser hochgeerter[?] Frau Schwagermutter, der verwittiehter Princessin zu Uranie e[tc] L[ieb]d[en] mit Ihrem Comitat, so etwan mit hundert personen undt siebenzigh pferden bestehen wirt, innerhalb wenigh tagen ins Graffen Hagen auffbrechen; hoher an nacher Weßel kommen, von danne - vollents ihren wegh, durch unsere Graffschafft Marck nehme, - unt unter andern in unser Stat Hamme eine nacht über verpleiben, dahselbst andern tags früstücken, - den mittagh aber uff dem hauße Hoffstat bey deme von Heyden (welchen Ihr darumb zu begrüßen) halen werden.
Wann ihr nun Ih[ro] L[ieb]d[en] sambt gedachtem Fstl. Comitat überall wohl accommodirt und verpfleget wißen wollen, so erfordert die notturfft, ist auch Unser gstr[gnädigster] befehligh, daß Ihr beyzeyten, dazu vorrath an allerhant küchen- unt keller provision, maßen eingelegten zettul weyters außweyset, verschaffen, undt es je nirgent ahn sowohl zur Hoffstat als zum Ham ermangelen laßen sollet...25

Der ursprüngliche Empfänger dieses Schreibens Johan Lutovici, offenbar ein Hammer Beamter, ließ vermutlich die in Hovestadt aufbewahrte Kopie anfertigen und einen Begleitbrief dazu schreiben, in dem er noch einmal die Reiseroute der Prinzessin erörterte, dann bat, an die Verpflegung der Pferde zu denken und weiter auf organisatorische Fragen zur Bereitung des Mittagsmahls in Hovestadt einging:
Ich vermeine der F. Koch werde mit aller notdurfft des vorigen abents von binnen nacher Hoffestat abreyßen, wan des andern tages zu mittag altan gespeiset werden...

Die Prinzessin von Oranien, die im Sommer 1654 in Hovestadt auf diese weise angekündigt wurde, war Amalie von Solms-Braunfels (1602-1675), Witwe Friedrich Heinrichs von Oranien (1584-1647), des Statthalters der niederländischen Generalstaaten. Dieser hatte im Haag seinerzeit einen glänzenden Hof geführt, wo sich der Hochadel aus allen protestantischen Ländern Europas traf. Auch der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620-1688) hatte als Kurprinz hier eine Zeitlang gelebt und gelernt. 1646 heiratete er eine Tochter Friedrich Heinrichs, der bald darauf starb. Amalie von Solms war also, als sie 1654 in Hovestadt Station machte, seit sieben Jahren verwitwet, hatte aber immer noch großen Einfluß am Hof in Den Haag. Sie befand sich damals auf dem Wege nach Berlin, oder besser zur kurfürstlichen Residenz nach Cölln an der Spree. Anlaß der Reise war die Schwangerschaft ihrer Tochter, der brandenburgischen Kurfürstin Luise Henriette (1627-1667), ein mit Freude begrüßtes Ereignis, denn der 1648 geborene Kurprinz war schon mit einem Jahr wieder gestorben.26 Erst am 6./16. Februar 165527 kam endlich der heiß ersehnte Erbe Karl Emil zur Welt.

Bereits als Fünfjähriger war der Kurprinz Karl Emil dann 1660 selbst in Hovestadt. Dabei handelte es sich um ein recht außergewöhnliches Ereignis. Der brandenburgische Kurfürst verlegte im Winter 1660/61 seine Residenz für über ein halbes Jahr von Cölln nach Cleve. Grund war eine zunehmend kontroverse Auseinandersetzung mit den Landständen in Kleve, Mark, Ravensberg und Minden über ihr weiterhin beanspruchtes traditionelles Mitspracherecht vor allem bei der Steuerbewilligung, in der Gesetzgebung, beim Heeresetat und bei der Behördenbesetzung.28 In einer ausführlichen „Instruktion für die [verbleibenden] Geheimen Räte“ vom 20./30. November 1660 hieß es:
Als wir am wichtigen und erheblichen Ursachen Uns auf eine Zeitlang aus Unser Churmark Brandenburg in Unsere westphäliscbe Länder und Herzogthumh Cleve zu begeben entschlossen, Wir auch unsern Statthalter, des Fürsten von Anhalt Liebden, mit uns nehmen werden und dann die Notturft erfordert, daß immittelst Unser Churfüntenthumh in gebührliche Acht genommen ..., als wollen Wir denen Verwaltung und Beobachtung... Unsern hinterlass Geheimhten Räthen ... hiermit anvertrauet und anbefohlen haben ...29.

Schon am 5./15. November wurde der Obermarschall Raban Freiherr v. Caratetn (1617-1680)30 instruiert, dir Länder zu unterrichten, die der Kurfürst auf seiner Reise tangieren mußte: Braunschweig, Hildesheim und das Bistum Münster.31 Mit dem Wohlwollen Christoph Bernhards von Galen konnte der brandenburgische Kurfürst zu jener Zeit noch rechne», hatte er sich doch erst im Januar 1660 im Streit zwischen dem Fürstbischof und der Stadt Münster auf des Bischofs Seite gestellt und ihm Hilfe angeboten32 Weitere Stationen, diesmal in eigenen westfälischen Territorien, gehen aus dem Protokoll des Brandenburgischen Geheimen Rates vom 6./16. November 1660 hervor: Nach Minden und Ravensberg: daß SCHD. nicht nöthig hielten, daß die Ritterschaft SCHD. bei dem Ankunft entgegenkamen33.

In einem Brief des Kurfürsten an den Statthalter der Kurmark, den Fürsten Johann Georg 11. von Anhalt-Dessau34, wird der 15./25. November als der voraussichtliche Abreisetag genannt und Grüningcn35 als Treffpunkt für die gemeinsame Weiterfahrt.36 Damit ist die Reiseroute bis in die Grafschaft Ravensberg erkennbar. Am 28 November / 8. Dezember muß der Kurfürst in Haus Grüningen Station gemacht haben, denn von dort datiert eine kurfürstliche Resolution.37 Zehn Tage später hielt er sich bereits auf der Sparrenburg bei Bielefeld auf, wie eine weitere kurfürstliche Resolution vom 8./18. Dezember bezeugt.38 Dort machte die kurfürstliche Reisegesellschaft für wenige Tage Halt.

Um eine außergewöhnliche Reise handelte es sich auch, was die Zahl der Teilnehmer anbetraf, galt es doch, eine ganze Residenz vorübergehend zu verlegen. Deshalb nahmen unter anderem die gesamte Familie und etwa die Hälfte der Geheimen Räte daran teil. So waren zur Winterzeit 661 Menschen verschiedener gesellschaftlicher Stellung mit sehr unterschiedlichen Aufgaben vom hohen Staatsbeamten his zum einfachen Stallknecht mit 826 Pferden auf häufig unwegsamen Straßen über hunderte von Kilometern hin unterwegs.39 Welche Strapazen damit verbunden sein konnten, geht aus einem Brief hervor, den der mit Vorbereitungen befasste brandenburgische Kämmerer und Landdroste des Herzogtums Cleve, Alexander Freiherr von Spaen (1619-1692), am 9./19. Dezember40 nach Hovestadt schickte. In einem Postskriptum heißt es:
Euch hochgeehrter Herr, weilen die wege itziger zeit allenthalben, inbesonderheit aber zwischen hier und Hamm, überaus böse und fast unreysehar seyn, so würde Seiner Churfl DhL zu sonderbare gdsten gefallen, gereichen, wan die so gar tieffen Straßen zwischen hier und Landtskron, so viel nur müglich etwas gebeßert würden, oder daß Seine Churfl, DhL dieselben, durch wege über landt, vermeyden könten, weill doch, sobaldt sie vorbey seyn, die felder wiederrumb verwahret werden können und ihnen wenig oder nichts schadet. Den weg, welchen mein hochgeehrter Herr mir jüngst zeigen laßen, halte ich für ziemlich gut, wan nur an einigen orten etwas beßerung geschehen möchte.

Auch in Hovestadt selbst galt es, ungewohnte Vorbereitungen zu treffen. Das Hauptproblem bestand offensichtlich darin, die Verpflegung für so viele Personen heranzuschaffen. Einzelheiten dazu lassen sich den im dortigen Schloßarchiv erhaltenen Briefen und einigen Ausgabelisten entnehmen, die wohl zur späteren Abrechnung mit dem Kurfürsten dienten.41 Diese Aufstellungen nennen neben Arbeitslöhnen für Dienstleistungen, z. B. vorübergehend eingestellter Köche, oder Reparaturen, z. B. von Glasern, und Ausgaben für neuerworbene Gegenstände, die für den Besuch benötigt wurden, z, B. für Kochtöpfe, auch eine große Menge an hinzugekauften Viktualien, vielfach mit Preisen.42

Um zusätzliche Versorgungsgüter kümmerte sich neben anderen der Landdroste Dietrich von Landsberg43, Statthalter des Kölner Kurfürsten Maximilian Heinrich im Herzogtum Westfalen. Er war mit solchen Aufgaben vertraut, da er - wie anfangs erwähnt - auch die Vorberatungsarbeiten für die häufigen Reisen seines eigenen Landesherrn ins Sauerland organisieren mußte. Von ihm sind allein elf Briefe erhalten, die sich mit dem Besuch des brandenburgischen Kurfürsten auf dem im Herzogtum Westfalen gelegenen Schloß Hovestadt befassen.44 Die beiden ersten Schriftstücke vom 2. bzw. 11. Dezember 1660 neuer Zeitrechnung kamen von seinem privaten Wohnsitz Haus Wocklum.45 Er berichtete darin, daß er seinen Jägermeister46 „avisiert" habe, verschiedene Wildsorten (haßelhuner, endthuner, hasen und Rehe) nach Hovestadt zu liefern. Auch in einem dritten Schreiben vom 11. Dezember aus Arnsberg47 geht es um die Beschaffung von Wild, das damals ab das beste Fleisch für fürstliche Tafeln galt.

Im Alltag lebte der brandenburgische Kurfürst zwar einfach, vor allem was das Essen anbetraf48, doch öffentlich liebte er es, wie viele Herrscher seiner Zeit, Luxus zu demonstrieren49, obgleich er ständig in Schulden steckte und aus seinen vom Kriege gebeutelten Ländern wenig Geld herauszuholen war. Zugleich fühlte er sich seiner Konfession und ihren Vorschriften verbunden und hielt ebenso wie seine Gemahlin Henriette Luise strenge Fastentage ein.50 Das scheint Landsberg bekannt gewesen zu sein, denn in seinem dritten Schreiben heißt es u. a.:
 ...des wildprets halber wirdt mein Herr Vetter mit dem fl. Jägermeister abgeredet haben: … auf den fall ihre Cburfürstliche Dhlt auf einen fasttag daselbst anlangen sollten, mögte man zur Lippstadt notturft von hering Stockfisch undt dergleichen einkaufen und sonsten auch mit allerhand lippfisch sich versehen. Forellen wirdt der Oberkelner51, soviel immer zu bekommen, übersenden ...

Auf ähnliche Regularien kam er auch im vierten Schreiben zurück, bis er schließlich im fünften Brief vom 18. Dezember sein Kommen zusammen mit dem Drosten zu Balve52 nach Hovestadt meldete. Eine Ankündigung, die er wegen widriger Wetterverhältnisse nicht einhalten konnte, wie er am 19. Dezember von Erwitte aus, wo er einen weiteren Amtssitz hatte, mitteilte:
Gestrigen Schreibens zufolge haben wir beiden uns heut in aller frühe von Arnsperg aufgemacht, in meinung diesen abend bey unserm Herren Vettern zur Houestadt anzulangen, so haben aber von Ostingen, weil die brücke daselbst vom waßer gantz überschwimmet undt eine Unmöglichkeit gewest, aldar werder zu fuß noch zu pferd überzukommmen .., auf meinem, des Landdrosten haus das nachdager genommen ...
Es folgen vier wettere Schreiben, auch gleich zwei an einem Tag, die eine zunehmende Hektik verraten.

Wie an diesen Beispielen zu erkennen ist, wurde sowohl durch Einkäufe wie auch mit Hilfe mehrerer Beamter des Herzogtums Westfalen von unterschiedlichen Orten eine Vielzahl zur Speisebereitung notwendiger Ingredienzien herbeigeschafft, vom edlen Wild und Fisch bis zum Konfekt Wie der Besuch selbst und das geplante Mahl in Hovestadt abliefen, ist aus den erhaltenen Unterlagen nicht zu ersehen, aber es ist anzunehmen, daß es sich nach diesen Besorgungen um ein luxuriöses Mahl gehandelt hat, bei dem alles nach dem traditionell vorgegebenen festen Reglement ablief. Es gab noch kein eigenes Speisezimmer53, in geeigneten Räumen wurden große Tische aufgestellt, gedeckt mit weißen Tischtüchern, an denen die Plätze nach strenger Rangordnung zugewiesen waren. Auf der Hovestädter Fourierliste tauchen Pauker und Trompeter auf54, die im kurfürstlichen Gefolge mitzogen und denen beim Auftakt und Verlauf eines solchen Mahles eine besondere Bedeutung zukam, denn unter Pauken- und Trompetenschall wurden die Speisen serviert und zwar nach dem Service á la francaise, eingeteilt in Hauptgänge mit einer Vielzahl von gleichzeitig aufgedeckten, nach einer bestimmten Ordnung auf die Tafel verteilten Gerichten und einen Dessertgang.55 Man aß in höheren Adelskreisen von Zinn- aber auch von Silbertellern. Wie schon erwähnt, gab es noch aus dem Nachlaß Ketteler eine größere Anzahl Zinnteller auf Hovestadt wie auch kostbare Silbergeschirre.56
Darüber hinaus war es üblich, Fehlendes auszuleihen. Sicher hatte der Kurfürst auch selbst sein Reiseservice dabei.57