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Auf eine festliche Tafel gehörten damals neben Fleisch und Gemüse natürlich kunstvolle Pasteten -nicht umsonst nahm der Kurfürst einen eigenen Pastetenbäcker mit auf die Reise- auch das „Küchenbuch Hovestadt“ bringt eine eigene Abteilung „Von pasteden“. Für die in der Renaissance so beliebten Schauessen war die Blütezeit schon vorüber. Doch verstand man sich noch darauf, z. B. einen ganzen Ochsenkopf zu kochen und ihn mit Gold und Silber zu verzieren.83 Wie aus den Ausgabelisten hervorgeht, wurde das zum Dessertgang so beliebte Konfekt zumindest teilweise gekauft Aber man konnte diese Köstlichkeiten durchaus selbst herstellen, dafür spricht ein eigenes Kapitel „Allerley zuckergeback / und andere sachen bei banquet“. Mit dem kostbaren Zucker wurde bei solchen Gelegenheiten nicht gegeizt:
Noch ein ander gengibras oder gebacken zucker zu machen
Nemmet ein halb pfundt zucker, ein viertheill loets gestoßen saffran, ein halb viertheill loets gestoßen , ein halb viertheill loets gestoßen muschaten blumen und ebenso viell caneill, dieß alles menget so trücken durcheinander, thuet eß in ein tartenpfanne oder steinen degell, gießet darauff ein wenig rosenwaßer, daß eß feucht werde, setzet dieß alstan beym fewr, laßet mäßig sieden und rühret eß steetz, damitt nicht anbrenne, wan eß dan anfangt abzutrücknen, so mußet ihn vom fewr abnemmen, und müeßen die holtzen steckspänekes im waßer liggen, daß sie recht naß werden, und stecket gemelte sachen damitt auß, wirdt eß viel zu hart, so setzet eß wieder auff kohlen und gießet ein wenig rosenwaßer darauff, und so offt ihr darauß etwas stechet, so mußet ihr das späneken in rosenwaßer naß machen, die außgestochene stücklein aber legget in ein zinnen zuvor mitt rosenwaßer benetzte schüßell.
NB. Den saffran reibet man mitt die gimber klein ehe man ihn zu den zucker mischet, und dießes ist schon versuchet und gerahten. Man kan auch woll allerley kraut hier ein thun, so zu der magen dienlich ist, wan man will.84
Schon diese wenigen Beispiele aus dem umfangreichen „Küchenbuch Hovestadt“ zeigen wohl, dass man um 1660 in den Adelskreisen Westfalens durchaus mit gehobener Tafelkultur vertraut war und sie auch pflegte. So wird es beim Besuch des Kurfürsten in Hovestadt sicher in dieser Hinsicht an nichts gemangelt haben.
Wahrend der kurköllnische Landdroste Landsberg sich hauptsächlich um die Beköstigung kümmerte, beschäftigten die Beamten des brandenburgischen Kurfürsten mehr allgemein organisatorische Probleme. Dazu gibt das schon erwähnte Schreiben Alexander von Spaens aus Lippstadt vom 9./19, Dezember 1660 den besten Überblick: Gestern abends bin ich von Bilefeldt zurückkommen, und habe Seine Churfl Dhl. sambt dero Gemahlin, und Churfl Printzen, wie auch den Printzen und Printzeßin zu Anhalt, frölich und hinterlaßen, der Landtgraff zu Heßen neben deßen Gemahlin sollten gestriges tages daselbst auch ankommen, Seine ChurfL Dhl. haben mir gnädigst angezeigt, daß Sie nechstkommenden dienstag alß den 11./21. von dar auffbrechen - über nacht zu Reede bleiben - des folgenden mitwochs nach Lippstadt kommen und donnerstags darauffnach alhir gehaltenem frühstück, umh den nachmittag bey meintern hochgeehrten Herrn einziehen und auff seinem hauß das nachtlagerhalten nehmen wollten, mit dem mtr gegebenen Befehl aber, daß ich dahin allerhandt nothdurft für küch und keller sowol auch futter, gegen die zeit anschaffen solte, denne ich schuldige parition leisten werde, hoffendt mein hochgeehrter Herr werde sich solches nicht laßen entgegen seyn. Unterdeßen bitte ich diensl. mir unbeschwert wißen zu laßen, was für logementer und wieviel derselben auff seinem hauße für die logierung künten entrathen und assignirt werden, damit ich mich darnach zu richten haben möchte, und wo ich immer kan, so will ich morgen mir einen weg zu meinem hochgeehrten Herrn machen, weill ich muthmaße, meine Liebste werde auch des orths anlangen. Im übrigen berichte ich auch, daß die Churfl Printzen von Bilefeldt aus, allenthalben einen tag voran gehen, und eben an denen orthen die nachtlager nehmen werden, gleichwie Seine Churfl Dhl. in der nachfolge, also daß sie einen tag zuvor bey meinem hochgeehrten Herrn sich einfinden werden, alß den mittwochen welcher seyn wirdt der 12./22. hujus.
Demnach teilte sich der 661 Menschen zählende Reisezug in Bielefeld, da es wohl für die folgenden Besuchsorte zu schwierig geworden wäre, alle Teilnehmer auf einmal unterzubringen. Die beiden Prinzen, der damalige Kurprinz Karl Emil und sein jüngerer Bruder, der spätere preußische König Friedrich (geb. am 1./11. Juli 1657), zogen schon am Montag, dem 10./20. Dezember, zusammen mit weiteren 185 Personen. 54 Herren und 131 Dienern, und mit 209 Pferden nach Rheda, dem Sitz des Grafen Mauritz von Bentheim (1615—1674), den der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm 1648 schon einmal besucht hatte.85 Am 11./21. Dezember machte der Prinzenzug Station in Lippstadt, während der brandenburgische Kurfürst mit Gemahlin und einem Gefolge von 472 Personen, 145 Herren und 327 Dienern, und mit 597 Pferden nach Rheda aufbrach.86 Am Mittwoch, dem 12./22. Dezember, trafen die Prinzen in Hovestadt ein. Ihnen folgte der Kurfürst am 13./23. Dezember um 5 Uhr nachmittags, während die Prinzen schon nach Hamm weiter zogen. Am Freitag, dem 24. Dezember der neuen Zeitrechnung, endete der Besuch im katholischen Hovestadt, dessen Bewohner so am 25. Dezember das Weihnachtsfest wieder unter sich feiern konnten. Der Reisezug des großen Kurfürsten war zu dieser Zeit von Berlin aus genau einen Monat unterwegs. Die Brandenburger befanden sich anschließend auf markisch-protestantischem Gebiet, in dem die alte Zeitrechnung galt, man also erst den 15. Dezember zählte. Nach dieser Zeitrechnung machte man am 19. Dezember in Wesel Station und zu Weihnachten traf man in Kleve ein, um dort das Fest zu begehen.
Aus den Protokollen des Brandenburgischen Geheimen Rates läßt sich die kurfürstliche Reiseroute durch Westfalen nur lückenhaft verfolgen. Nach der letzten Resolution von der „Veste Sparenherg* vom 9./19. Dezember 166087 erscheint erst wieder Wesel als Entstehungsort eines nächsten Schriftstückes vom 19./29. Dezember88, bevor das kurfürstliche Gremium ab dem 24. Dezember 1660/3, Januar 1661 wieder regelmäßig in Kleve zusammentrat.89 Hovestadt kommt weder hier noch in historischen Darstellungen über das Leben des Großen Kurfürsten vor. Dennoch war es eine Reisestation, die durch erhaltene Schriftzeugnisse Konturen gewinnt. Ein Stück höfischen Reisealltags des 17. Jahrhunderts wird sichtbar und zugleich etwas von einer bisher wenig bekannten Seite westfälischer Adelskultur in einem Lande, in dem man mit territorialer Vielfalt und konfessionellen Unterschieden leben mußte. Immerhin war es ein kalvinistischer Fürst, der in einem katholischen Land von dessen obersten Beamten umsorgt und von einem katholischen Freiherrn beherbergt und beköstigt wurde.
Es bleibt zuletzt die Frage, warum gerade Hovestadt als Zwischenstation gewählt wurde, sowohl bei der Reise der Prinzessin Amalie von Oranien 1654 wie auch für den großen Durchzug des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhem 1660. Die entfernten verwandschaftlichen Beziehungen der Hausherrin Ottilie von Ketteler dürften wohl kaum eine Rolle gespielt haben: Der Schwager des brandenburgischen Kurfürsten, Herzog Jakob von Kurland, war der Enkel des letzten Deutschordensmeisters von Livland und ersten Herzogs von Kurland, Gotthard von Ketteler, der 1517 oder 1518 auf Hovestadt geboren wurde.90 Ausschlaggebender für die Wahl dürfte vielmehr ein anderer Grund gewesen sein, der eng mit der Lage des Schlosses und der Organisation der brandenburgischen Post zusammenhing. Hovestadt befand sich, wie schon erwähnt, an einem bedeutenden Lippeübergang. Die dort zu Anfang des 17. Jahrhunderts bestehende, vom Kölner Kurfürsten angelegte Brücke wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört und so schnell nicht wieder errichtet. Deshalb ließ Gottfried von Heyden 1652 eine große Fähre bauen, für deren Benutzung er hohes Zollgeld nahm.91 Zur selben Zeit begann Kurfürst Friedrich Wilhelm mit der Einrichtung einer Staatspost, unter anderem mit einer Verbindung von Berlin nach Kleve über Spandau, Brandenburg, Halberstadt, Braunschweig, Hannover, Minden, Bielefeld, Lippstadt, Hamm und Wesel mit zunächst einmal, ab 1655 zweimal wöchentlicher Abfertigung,92 Natürlich mußte diese teilweise durch fremde Territorien führen. Mit Genehmigung des Kölner Kurfürsten konnte diese Poststraße unter anderem über Hovestadt gelegt werden.93 Das erklärt wohl auch, warum diese Zwischenstation für die fürstliche Reise gewählt wurde.
Die allgemeine Geschichtsschreibung berichtet meist nur lapidar von der vorübergehenden Verlegung der Residenz des Großen Kurfürsten von Cölln nach Cleve, um so ausführlicher über seine Auseinandersetzung mit den Landständen, bekannt als die „klevischen Rezesse von 1660/61.94 Wieviel mehr an barocker Lebenswirklichkeit mit dieser Reise verbunden war, und daß sie eine durchaus bemerkenswerte westfälische Facette hatte, konnte hier dank der Hovestädter Archivalien wiederentdeckt werden.
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