HOVESTADT - MEIN ELTERNHAUS

Von Bernhard Graf Plettenberg

Nachdem Anfang 1500 die um 1224 herum erbaute Burg Hovestadt, welche stürmische Zeiten erlebt hatte, völlig verfallen war, errichtete Gosvin von Ketteler 1563-72 das heutige Schloß als Prachtbau und Gesellschaftsschloß. 1633 kaufte Bernhard von Plettenberg Schloß Hovestadt von der kinderlosen Witwe von Heyden, einer Ketteler.

Wie es heute dasteht, mit seinen beiden, im rechten Winkel angeordneten Flügeln und dem Turm vor der Spitze des Winkels, stellt es nur knapp die Hälfte von dem ursprünglich geplanten Bauprojekt dar. Es sollten ursprünglich vier Flügel, zu einem Quadrat zusammengeschlossen, einen Binnenhof umgeben, und außen an jeder Spitze des Quadrates sollte je ein Turm stehen
Wahrlich ein gewaltiges Projekt, das zur Freude der heutigen Besitzer nicht verwirklicht wurde!
 

Laurenz von Brachum aus den Niederlanden war der Baumeister und gestaltete es, der damaligen Renaissance entsprechend, im Stil der „Niederländischen Backsteinrenaissance". Adrian von Utrecht war der Bildhauer, den Brachum mitbrachte, und der verantwortlich zeichnet für die sehr kostbaren und hochkünstlerischen Sandstein- Löwenköpfe, Masken und Ornamente der Fassaden.


Mit nie endender Bewunderung und mit einem gewissen Neid betrachte ich als Bildhauer unserer Tage den fantasievollen Reichtum dieser herrlichen, wahrhaft künstlerischen Architektur, welch eine Zeit hatten die Menschen damals, um wahrhaft Schönes zu gestalten! Wie herrlich konnte sich die schöpferische Fantasie der von der Technik verschonten Menschen in ihrer unverbrauchten Nervenkraft auswirken!

Die geistige Schöpferkraft des Menschen hat an diesem Prachtbau wahre Orgien gefeiert! Ich habe außer dem Gesamtbau viele Teile des Schlosses abgezeichnet, von der „Laterne“ des Turmes aus die Kamine, von denen ein jeder ein Kunstwerk für sich ist. Sie sehen aus wie Brüder, von denen ein jeder seine persönliche Individualität besitzt. Nebenbei birgt jeder vier und fünf steigbare Schlöte; solche Ausmaße besitzen sie.

Dann die schon erwähnten Löwenköpfe aus Sandstein. Es sind deren acht unten um den Turm herum. Jeder ist ein Typ für sich. In ihren weit aufgesperrten Mäulern nisten seit altersher Schleiereulen, die für uneingeweihte Gäste im Frühjahr und Herbst abends schauerliche Fauchkonzerte veranstalten! Für uns „Eingeborene“ gehörte das dazu. Anscheinend ist mit dem ornamentalen Zweck dieser Löwenköpfe auch ein praktischer verbunden; denn von den übereck angebrachten Köpfen gehen viereckige, gemauerte, an die aufgesperrten Rachen anschließende Schächte waagerecht in die Mauern hinein. Ich denke mir, daß sie als Entlüftung der Mauern dienen sollen, welche im Wasser der Gräfte stehen, und deren Feuchtigkeit sonst in den Wänden hochziehen würde.

Aber nicht nur die Löwenköpfe, sondern jedes der anderen, sich ebenfalls oft wiederholen den Ornamente entlang der Fassaden, sowie die Köpfe an der Innenfassade des Schloßhofes sind unter sich alle verschieden, trotz der gebotenen Ähnlichkeit des Stils
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Viel Freud` und Leid haben die Räumlichkeiten und Mauern dieses altehrwürdigen Baues gesehen. Aber die ewig-lebendige Schönheit in der großen Planung, den herrlichen Proportionen, bis hinein in das ausgearbeitete Ornament, welche nicht nach dem Zollstock, sondern nach dem menschlichen Gefühl und nach menschlichen Maßen wie Fuß und EIle entstanden, wird immer das menschliche Gemüt ansprechen, erfreuen und erheben.



                                         Zeichnung: Bernhard Graf Plettenberg

Ich fühle mich als Sohn dieses Hauses seiner Kultur verpflichtet. Sie fordert Ehrfurcht.
„Was Du ererbt von Deinen Vätern. . .“