Durch Edikt vom 1. Oktober 1806 hob Großherzog Ludwig 1. von Hessen die Landstände auf; gleichzeitig wurden alle Steuerbefreiungen beseitigt, wovon vor allem der Adel betroffen wurde.17
Mit dem Edikt vom 5. November 1809 wurden die Eigenbehörigkeit der bisherigen "Untertanen" aufgehoben und die bäuerlichen Dienste und Abgaben in eine Grundrente verwandelt, von der sich die Bauern sich innerhalb von 10 Jahren durch die Zahlung des Fünfundzwanzigfachen der Pachtsumme loskaufen konnten. Damit wurden die ehemaligen Eigenbehörigen rechtlich Eigentümer ihrer Höfe, die allerdings durch die Grundrente belastet oder im Falle einer Grundrentenablösung hoch verschuldet waren.18
Mit dem Edikt vom 1. Dezember 1807 wurde in der nunmehrigen Provinz Herzogtum Westfalen die Zuständigkeit der 14 Patrimonalgerichte eingeschränkt und der Aufsicht des Arnsberger Justizkollegiums unterstellt.19
Der Herrschaftswechsel aufgrund des Beschlusses vom 25. Februar 1803 zeigt sich in dem Text der Titulatur des Reichsgrafen August Joseph von Plettenberg-Lenhausen, die dieser am 19. May 1803 unterzeichnete. Im Vorspann heißt es: "August Joseph des Heiligen Böhmischen Reichs Graf von Plettenberg-Lenhausen Kaiserlich Königlicher Kammerherr, auch Landgräflich Hessen-Darmstädtischer Erbkämmerer im Herzogthum Westfahlen, und Droste der Ämter Werl, Neheim, und Oestinghausen, Erb- und Gerichts=Herr der Herrlichkeiten Lenhausen, Hofstadt, Meirich, Bergstraße und Essentho, Herr zu Lohe, Hörn, Frielentrop, Heerfeld, Merklinghausen ect. ect."20
Im Urkundentext genehmigt Graf August Joseph den Eigentumsübergang des Hämmerschmidtsch Haus und Garten auf den Käufer Fritz Carl Biele mit der Auflage, dass den F. C. Biele und seiner Frau der lebeslängliche Gewinn gegen ein jährlich Binnerfacht von achtzehn Reichsthaler Münster(schen) Cours und zwey Reichsthaler jährlich GewinnGeld zu zahlen hat.21
Die Kaufurkunde zwischen dem Küster Karl Basterdes aus Oestinghausen und Friedrich Carl Biele aus Hovestadt über den Kauf des in "Hofstadt daselbst gelegenen Hammerschmidts Haus mit dem Nebenhause und allen Berechtigkeiten und Lasten" beglaubigt der Justiz Amtmann Kayser, ohne Angabe seiner Funktion; fügt jedoch ein Papiersiegel bei.22
Ferdinand Wilhelm Ignatius Kayser, am 7.11.1767 geboren, war musikalisch sehr begabt. Er schrieb auf Veranlassung des am 10.12.1753 in Rüthen geborenen Melchior Ludolf Herold, seit 1780 Pfarrer in Hoinkhausen, eine "Sammlung vierstimmiger Choralmelodien zu dem katholischen Gesangbuch" des M. L. Herold, das nach einer ersten Ausgabe 1803 im Jahre l807 mit 3300 Exemplaren beträchtlich erweitert worden war.23
F.W.l. Kayser war 1818 als "Theilungs=Commissar in den Verhandlungen über die Teilung der der Commune Nordwald gehörigen "sogen. Großen Kley" im Jahre 1818 tätig. Im ersten Protokoll "Actum Hofstadt, 11ten Mai 1818" ist vermerkt, dass die Gemeinde Nordwald aus 11 Mitgliedern besteht und das dem "Besitzer des Hauses Hofstadt das Recht der Hude auf dem Kley" zustehe. Namentlich werden genannt die Hofbesitzer "Vollspann: Henrich Twentrop, Bernard Dreimann, Anton Hagemann, Zweidrittel Spann: Schultheiß Cree und Ebenderselbe als Curator des minderjährigen Funke ; Halb Spann: Hermann Fust; Einviertel Spann: Victor Hagenkamp; Ein achtel Spann: Hermann Kleeschulte und Adam Klocke. Die in Nordwald lebenden Landarbeiter und Handwerker: Jürgens (= Wilmer), Unkrüer (= Gernhold), Bielefeld (= Beine) u.a. blieben unberücksichtigt.24
Aus einer Urkunde vom 18. Juni 1814 über den Tausch von Grundstücken zwischen der Witwe Bernardina Antonetta Gräfin von Plettenberg Lenhausen geb. Freyin zu Droste Vischering in Hovestadt und dem Heinrich Buschmann gnt. Schulte Twentrop wegen der Grundstücke im Kuhmersch bzw. am Berghof geht hervor, dass Everhard Locke als Richter des "Großherz(og) Hess(isch) Gräfl(ich) von Plettenberg(isch) Patrim(onal) Gericht Hofstadt" fungierte und der Interims Actuar Klostermann das "Großh Hess. Grafl. v. Plettenb. Patr. Gerichts=Insiegel" beidrückte.25
Die Landesherrschaft von Hessen-Darmstadt über das Herzogtum Westfalen sollte nur vierzehn Jahre dauern. Mit der Niederlage Napoleons in Rußland zeichnete sich das Ende der französischen Hegemonie und des Rheinbundes ab. Vor der Schlacht von Leipzig (16.-19.10.1813) trat am 8.10.1813 König Max I. von Bayern aus dem Rheinbund aus; andere Rheinbundfürsten folgten. Nur König Friedrich August 1. von Sachsen und Großherzog Ludewig I. von Hessen versäumten einen rechtzeitigen Bündniswechsel. Der Großherzog holte das erst am 23.11.1813 nach, zu spät, um ohne Gebietsabtretungen davon zu kommen. Aufgrund eines am 30. Juni 1816 zwischen Preußen, Österreich und dem Großherzogtum Hessen geschlossenen Staatsvertrages wurden das Herzogtum Westfalen und die beiden Grafschaften Wittgenstein am 7. Juli 1816 in Frankfurt am Main formell an Preußen übergeben.26
Über die schweren Zeiten nach der Niederlage der Preußen in der Schlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 berichten einige Quellen. Am 14.10.1806 passierte die französische Nordarmee die Lippe bei Hovestadt, um über Lippstadt nach Paderborn zu marschieren. Neben den jährlichen Kontributionen waren die Kosten von Truppeneinlagerungen von den Kommunen aufzubringen. Mit dem Edikt vom 1. Oktober 1806 fiel die Steuerfreiheit des Adels und der Kirche weg.27
Leider fehlen Nachrichten über die Zahl und die Namen der Männer aus dem Amt Oestinghausen, die aufgrund der am 1. Februar 1804 vom Landgrafen Ludewig X. eingeführten allgemeinen Wehrpflicht für alle 17-25jährigen Männer. Als Hessen-Darmstadt dem Rheinbund 1806 beitrat, war es nur eine Frage der Zeit, wann die Truppen aus dem Herzogtum Westfalen für Napoleon in Marsch gesetzt wurden. Es kam im Jahre 1808 zu ersten Zwangsaushebungen; als Napoleon gegen Spanien Soldaten benötigte; den Höhepunkt erreichten die Rekrutierungen im Jahre 1812 für den Zug der Grande Armee nach Rußland.28
Den hohen Blutzoll, den die Truppen aus dem Herzogtum Westfalen im Rußlandfeldzug Napoleons 1812/1813 bringen mussten, werden auch die Männer aus dem Amt Oestinghausen geleistet haben. Vergleichbar dürfte die Zahl der Toten und Vermissten aus der Gemeinde Herzfeld sein. Dort wurden 28 Konskribierte für Napoleons Spanienfeldzug und 15 Konskribierte für den Rußlandfeldzug eingezogen: Es fielen oder kamen durch Krankheit und Seuchen elf Männer aus Herzfeld um;29
Die Einwohner von Hovestadt erlebten das Ende der napoleonischen Herrschaft hautnah. Am 2. November 1813 zogen Truppenteile durch Hovestadt in wilder Flucht über Hultrop in Richtung Hamm. Ihnen folgten am 3. November Kosaken, die sich auch in Hovestadt einquartierten. Angeblich sollen auf dem Schloss einliegende Soldaten "mit besonderer Vorliebe die Talglichter aufgegessen haben, die man auf ihre Zimmer stellte".30
Der Zeichner und Erzähler von Geschichten und Sagen, Ferdinand Frerich gt. Schulte, dessen Urgroßvater Johann Caspar Frerich gt. Schulte die Erbin des Schultenhofes in Schoneberg heiratete, hat die wohl mündlich überlieferte Begebenheit aus den Jahren 1812 und 1813 im Jahre 1923 veröffentlicht. F.F.S. erzählt die Requirierung des Lieblingspferdes, die alte Eise im Jahre 1812 und die unerwartete Heimkehr in einer Novembernacht des Jahres 1813 mit Zaumzeug und Sattel auf den Schultenhof in Schoneberg.31
Über die turbulenten Ereignisse der Jahre 1813 bis 1816 liegen aus Hovestadt bzw. dem Amt Oestinghausen nur wenige Nachrichten vor. Wahrscheinlich wusste nur die gräfliche Familie von den Verhandlungen der Bevollmächtigten des Königs von Preußen: Fürst Karl August von Hardenberg, für den Kaiser von Österreich; Clemens WW L. von Metternich, für den Großherzog von Hessen; Johann Freiherr von Türckheim, in Wien. Am 10. Juni 1815 schlössen die vorgenannten Bevollmächtigten einen Abtretungsvertrag, nach dem der Großherzog von Hessen das Herzogtum Westfalen an Preußen abtritt und dafür auf dem linken Rheinufer ein Gebiet mit den Städten Worms, Frankenthal und Oppenheim mit einer Bevölkerung von 140000 Seelen zu erhalten. Am 8.Juli 1816 erließ Großherzog Ludewig 1. von Hessen ein Patent, in dem er die Abtretung des Herzogtums Westfalen und die beiden Grafschaften Wittgenstein-Wittgenstein und Wittgenstein-Berleburg an den König von Preußen förmlich abtrat.32
Am 15. Juli 1816 unterzeichnete im Namen des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm III. Ludwig Freiherr Vincke das Patent der Besitzergreifung des Herzogtums Westfalen und der Grafschaften Wittstein. Freiherr von Vincke war bereits am 25. Mai 1815 zum Oberpräsidenten der neugeschaffenen Provinz Westfalen mit dem Sitz in Münster bestellt worden. An die Stelle früherer Kriegs- und Domänenkammern traten jetzt drei Regierungsbezirke: Arnsberg, Minden und Münster. Zum 1. Juli 1817 kam es zur Gliederung der Kreise. Dem Regierungsbezirk Arnsberg wurden 13 Kreise unterstellt.33
Die Bildung des Kreises Soest vollzog sich in mehreren zeitlichen Etappen. Der märkische Teil mit der Stadt Soest, und den Gemeinden Lohne, Borgeln und Schwefe wurde 1816 mit der Stadt Werl und dem Amt Oestinghausen zusammengefasst. 1819 und 1826 wurden die 13 Gemeinden des Amtes Werl, die 1816 dem Kreis Arnsberg zugeschlagen worden waren, dem Kreise Soest zugefügt. Zu den acht Verwaltungsbezirken des Kreises Soest wurde 1890 noch das Amt Bremen als neunter Bezirk zugeteilt.34
In dem Besitzergreifungs-Patent vom 15. Juli 1816 werden "die Einwohner von Westfalen und Wittgenstein" aufgerufen, "des Königs Majestät als ihren rechtmäßigen König und Landesherren anzuerkennen . . . und Treue und Gehorsam zu erweisen. Dagegen wird denselben Königlich Huld und Schutz, die unermüdliche Fürsorge für ihr Wohl und Bestes versichert, deren sich die älteren Preußen stets zu erfreuen gehabt haben." . . . Wegen der zu leistenden Huldigung wird nähere Bestimmung und solche sodann auch wegen der Aufrichtung der preußischen Adler und Grenzzeichen, wegen förmlicher Verpflichtung der Beamten erfolgen.35
Eine Extra-Beilage zum Arnsberger Intelligenzblatt vom 9. Julius 1816 beginnt mit dem pathetischen Satz: "Der gestrige Tag gehört zu den denkwürdigsten in der Geschichte unseres Herzogtums.. und endet mit der Beschreibung der Huldigungsfeier auf dem Arnsberger Marktplatz, die "durch Freudenschüsse, durch Musik, Gesang und Lebehoch . . . den Beweis des unerschütterlichen Vertrauens auf die Huld unsers allergnädigsten Königs dargebracht wurde". In einer weiteren Extra-Beilage zum Arnsberger Intelligenzblatt vom 16. Juli 1816 wird überschwenglich von der durch den Oberpräsidenten von Vincke vollzogenen Besitznahme der neuen Provinz berichtet. Beigefügt ist ein Loblied auf Preußen, in welchem eine Verbindung zwischen der Schlacht im Teutoburger Wald und den Befreiungskriegen geschlagen wird:
Denn horch! es kündet Heut sein Flügelschlag,
Westphalia! Dir deinen Freudentag."
der letzte Refrain lautet:
Dem theuern Namen Friedrich Wilhelm bringt
Ein Lebehoch, das zu den Sternen dringt!"36
Die Verlesung des Besitzergreifungspatents, die Aufrichtung des preußischen Adlers und die Vereidigung der aus dem hessen-darmstädtischen Dienst übernommenen Beamten im Amt Oestinghausen konnte vor dem gräflich plettenbergischen Schloss zu Hovestadt erfolgt sein, jedoch sind bisher keine Nachrichten über den Herrschaftswechsel von 1816 im ehemals kurkölnischen, dann hessen-darmstädtischen Amt Oestinghausen veröffentlicht worden. Lediglich die Dokumentation "Die Apotheke in Hovestadt" nennt einige Daten und Namen, die in den Jahren der beiden Herrschaftswechsel in Hovestadt agierten.37
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