Auch die Schrift von Markus Hunecke "Die Franziskanerresidenz in Hovestadt 1767-1838" wirft einige Schlaglichter auf die Verhältnisse in Hovestadt. Im Jahre 1800 beklagte der in Hovestadt tätige Franziskaner P- Anizetus Köster "die teuren Zeiten, die Teurung der Lebensmittel, die Menge der ausländischen Geistlichen und der weltlichen Armen, die Durchzüge fremder Kriegsvölker und anhaltende Einquartierungen" habe zu einer Verminderung der bisherigen Freigebigkeit der 600 Seelen der Gemeinde geführt, so dass er, um Schulden zu vermeiden, mit seinen Brüdern Hovestadt verlassen müsse. Der Streit mit dem Oestinghauser Pfarrer Schulte um die Pfarrechte und die Seelsorge in Hovestadt schwelte noch über Jahre. Am 2. Juni 1813 wandte sich die verwitwete Gräfin Bernardine Antonetta von Plettenberg-Lenhausen, geborene Freiin "M.Droste zu Vischering an ihren Bruder, den Domherren Droste zu Vischering, um die Streitfragen zugunsten der Gottesdienste in Hovestadt zu entscheiden. Die Gräfin begründet ihr Anliegen u.a. mit der besonderen Situation der Bevölkerung und schreibt: "der Ort Hovestadt hat nach dem Landgräflich=Hessischen Staats= und Adreßkalender eine Bevölkerung von 541 Seelen; das kaum eine 1/4 Stunde davon liegende Nordwald 124 Seelen und die hart daran liegende Hälfte der Gemeinde Schoneberg zählt ungefähr 194 Seelen"..."Hofstadt hat wegen häufig durchgehendem Fuhrwerke und Reisende große Wirtshäuser, Fabriken und angesehene Honorationen, welche ihre Dienstboten und Domestuken nicht zur entfernten Pfarrkirche (Oestinghausen) zur Beiwohnung des Gottesdienstes schicken, noch weniger selbst dahin gehen, und die Häuser .solange preisgeben können"...38

Nachdem 1815 der gesamte Flusslauf der Lippe durch den Kongressbeschluss von Wien preußisches Staatsgebiet geworden war, regelte seit 1817 eine Strom- und Uferordnung die Ufer- und Leinpfadnutzung der Lippe. In einer Breite von 10 Fuß (= 3,15 m) mussten die Ufer der Lippe von Bäumen und Sträuchern für den Leinpfad befreit werden. Im Jahre 1818 wurde die Treidelstrecke von Lippstadt bis Lünen-Beckinghausen fertiggestellt. So führte der Treidelpfad von Lippstadt bis zur Middelburg auf dem linken Ufer und von der Middelburg bis Haaren bei Heessen auf dem rechten Ufer der Lippe. Am 4. September 1818 befuhr der preußische Oberpräsident von Westfalen, Ludwig Freiherr von Vincke, zur Inspizierung die Lippe. Das erste Frachtschiff, von Wesel kommend, passierte am 28. März 1818 die neuerbaute Schleuse bei Kesseler und fuhr über Hovestadt-Herzfeld nach Lippstadt.39

Für die Bürger der "Commune Hovestadt" wurde durch die Vermessungsarbeiten des Katastergehilfen Albers die bis dahin nur ungenau bezeichneten Grundstücke in der neuen "Flur IV Hovestadt" katastermässig mit Parzellen-Nummern und mit der Größenangabe von Morgen, Ruthe und Fuß erfasst. Unter dem 7ten May 1828 bekundet der Oberschultheiß Ziegler mit den Deputierten Arnold Niehaus und Moritz Bröggelwirth, "Daß der Kataster Gehilfe Albers nach vorheriger Verkündigung des hierzu bestimmten Tages in meiner Gegenwart mit den versammelten Grundstückseigenthümern die Handriße der Flur Nr. IV durchgegangen, die Namen der in den Handrißen eingeschriebenen Eigenthümer, die Lage und Benennung der Grundstücke und der Culturwert deutlich verlesen, und alle hiergegen gemachten Erinnerungen notirt, wird demselben hiermit pflichtgemäß bescheinigt."40

Die Katasterkarten von 1828 zeigen die präzise Einzeichnung von Gebäuden in die Hofparzellen, die mit der Bezeichnung der Parzellen- und der Hausnummer sowie des Eigentümers einen Vergleich mit den heutigen Eigentumsverhältnissen erlaubt. Offensichtlich sind Hausnummern bereits im 18. Jahrhundert vergeben worden-beginnend mit dem Hof des Anton Althof Nr: 1- etwa ab Nr. 60 sind dann die neuen Hausgrundstücke nach dem Zeitpunkt der Erbauung vergeben worden.41

Mit der Erfassung der Grundstücke und der Klassifizierung wurden die Voraussetzungen für die entsprechende Besteuerung, jedoch auch für die Anlage von Grundbüchern mit den Grundstücksbezeichnungen und den darauf ruhenden Lasten geschaffen. Offensichtlich ist die Anlage von Grundbüchern und die Ausfertigung der sogen. Hypotheken-Scheine (= Grundbuchauszüge) erst ab 1836 für Hovestadt erfolgt, wobei die Anmeldung von Rechten (Schuldscheinforderungen + andere Rechte) bereits in den 20er Jahren nachweisbar sind.42

Am 19. Februar 1830 verfasst der nunmehr Königlich Preußische Patrimonalrichter in Hovestadt, Eberhard Locke sein Testament Darin vermacht er "eine Summe von 500 Thaler Courant der in Hovestadt befindlichen Missio fratrum strictoris obsevantis wofür diese an seinem Sterbetage ein feierliches Hochamt zum Heile meiner Seele, außerdem in hiesiger (Schloss-)Kapelle drei und in der sogenannten Creen Kapelle zu Nordwald eine einfache Seelenmesse für mich und meine Eltern alljährlich halten zu lassen."43

Die Erteilung der nötigen behördlichen Genehmigung der Stiftung löste bei der Preußischen Regierung in Arnsberg eine Anfrage an den Landrat des Kreises Soest, von Esselen aus, in dem dieser gebeten wurde, nähere Angaben über die Mission in Hovestadt, den Namen der Missionare, des Ordens, des Dienstverhältnisses und der Besoldung der Missionare gebeten wurde. Die Regierung vermutet, dass die Mission ohne behördliche Genehmigung bestehe. Landrat von Esselen fragte wiederum bei dem Testamentsvollstrecker Ziegler in Hovestadt an. Dieser bat den Grafen, dem Landrat die rechtliche Lage der Mission zu erklären. Am 20. Juni berichtete Graf von Plettenberg dem Landrat, dass die Mission der Franziskaner in Hovestadt ein Privatinsti sei, dass hauptsächlich den Gottesdienst in der Schlosskapelle bezwecke und seit mehr als 60 Jahren bestehe. Erst danach konnte das Generalvikariat in Paderborn - Hovestadt gehörte seit der 1821 erfolgten Neuabgrenzung der Diözesen nicht mehr zum Erzbistum Köln, sondern nunmehr zum Bistum Paderborn- die Messstiftung des am 16. November 1830 verstorbenen Richters Eberhard Löcke genehmiqen.44

Offensichtlich hat es keinen Nachfolger im Richteramt des Königlichen Justizamtes Oestinghausen in Hovestadt -vormals Königlich Preußisches Patrimonals Gericht- gegeben, wie verschiedene Urkunden aus den Jahren 1829, 1831 und 1836 beweisen. Vermutlich war Eberhard Locke bereits 1829 nicht mehr in seinem Amt bzw. krank, wie es in der Stiftungssache Althoff/Deimel bewiesen werden kann. Am 31. März 1818 beurkundete Anton Althoff vor dem Richter Locke des Königlich Preußischen Patrimonal=Gerichts Hofstadt die Stiftung einer jährlich singenden Seelenmesse für den seligen Bruder Theodor Althoff.

Anton A. versprach, jährlich einen Thaler im Dezember an die Franziskanerresidenz in Hovestadt zu zahlen, behielt sich jedoch vor, anstelle der jährlichen Leistung einen Betrag von 20 Thaler zinsbar anzulegen und bat gleichzeitig um gerichtliche Eintragung. Der Gerichtsschreiber Klostermann am Königlichen Justizamt Oestinghausen in Hovestadt verfügte am 25. Januar 1829 unter Berufung auf die am 30. August 1828 erfolgte Anmeldung auf Grund des Gesetzes vom 2l. Juni 1825 die Eintragung im Hypotheken Register des Justiz=Amtes rub. No. 211; Buch 111. pag.

Die Eintragungsurkunde wurde am 25. Januar 1829 mit beigedrucktem Siegel von dem Justizamtmann Theodor Lex in Hovestadt erstellt, wobei der Gerichtsschreiber Zumbroich die Urkunden ausfertigte. In der weiteren Urkunde vom 14. Juli 1836 bekunden die Eheleute Anton Althoff und Maria Catharina geb. Sengeling unter Assistenz des Actuars Heim als frühere Besitzer des Althoffs Colonat sowie die Eheleute Landwirt Heinrich Deimel und Elisabeth Deimel geb. Althoff, dass Anton Althoff während seiner Besitzzeit mehrere Urkunden über dinglich und hypothekarisch auf dem Althoffs Colonate haftende Forderungen ausgestellt habe.

Die Ehefrau Maria Catharina und die jetzigen Besitzer, Eheleute Heinrich Deimel bestätigen die damaligen Verpfändungen als voll rechtsgültig. Sie bewilligen die Eintragung der jährlichen Rente von Einem l Thaler an die Residenz der Patrum strictoris observantum in Hovestadt sowie weitere sechs Hypothekendarlehn.

Das Handzeichen der Ehefrau Anton Althoff und die Unterschriften der anderen Beteiligten werden von dem Justizamtmann Rohden entgegengenommen und besiegelt. 45

In dem vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe edierten "Westfalenlexikon 1832-1835 wird u.a. der Kreis Soest mit 37281 Einwohnern und den "Bestandtheilen: 1. Die Stadt Soest. 2. Die Soester Börde, jetzt die Bürgermeistereien Lohne, Borgeln und Schwefe. 3. Ein Theil des Herzogthums Westfalen, gegenwärtig die Verwaltungsbezirke Qestinghausen, Körbecke und Werl." Als Landrat wird von Esselen, als Kreisdeputierte Freiherr von Lilien-Borg und Graf (Joseph Caspar) Plettenberg-Lenhausen genannt.

In der "Bürgermeisterei" werden neben den Brennereien, Gastwirtschaften und Winkel (=Geschäfte) genannt: Arnold Pilger, Bürgermeister von Borgeln und Oestinghausen, Hermann Zumbroich, Amtsschreiber in Hovestadt, Justizamtmann Theodor Lex in Hovestadt, Joseph Schwarze, 1. Beigeordneter und Oekonom, Wilhelm Bücker, 2. Beigeordneter und Oekonom in Bettinghausen, Pacifikus, Exkonventual in Hovestadt, Viktor Hecker, kath. Lehrer in Hovestadt, Dr. med. Eberhard Beckers, prakt. Arzt in Hovestadt, August Ebbinghuysen, Apotheker in Hovestadt, Karl Wucke, Steuerempfänger in Soest. Ferner Joseph Graf von Plettenberg-Lenhausen, Reichsgraf und Besitzer mehrerer landtagsfähigen Güter, Kreisdeputirter Schloß Hovestadt; Karl von Ledebur, Oberst a.D., Besitzer des landtagsfähigen Gutes Ostinghausen.46

Am 13. Februar 1838 reichte Pater Pacificus Schnitker, der seit 1834 kränklich war, seinen Rücktritt als Präses der Franziskanerresidenz in Hovestadt ein. Josef, Reichsgraf von Plettenberg erbat bei dem Bischof von Paderborn, Friedrich Clemens von Ledebur, einen Geistlichen für den Dienst an der Schloßkapelle. Durch das Schreiben des Paderborner Generalvikars vom 17. Juli 1838 wurde der Seminarpriester Bernard Bolzau aus Körbecke mit der Wahrnehmung der geistlichen Funktionen in Hovestadt betraut. Pater Pacificus blieb in Hovestadt, er starb am 30. Januar 1839.47

Mit dem Rücktritt des Präses P. Pacificus Schnitker war die noch 1831 als "Privatinstitut" bezeichnete Franziskanerresidenz aufgehoben, Vikar Bernard Bolzau war als Vikar der Kirchengemeinde Oestinghausen dem Pastor Johann Heinrich Schulte unterstellt. Das Stiftungsvermögen der Mission blieb bei der Vikarie Ahaus, jedoch wurden die jährlichen Erträge in den Etat der Kirchengemeinde Oestinghausen eingestellt.

Am 28. April 1877 quittierte der Vorsitzende des Kirchenvorstandes Rohden den Empfang von Obligationen, eines Schulddokumentes, eines Sparkassenbuches, 398 Rtlr 10 Sgr. aus zehn Meßstiftungen der Gräflich Plettenbergischen Franziscaner Mission. Graf von Plettenberg übergab die Dokumente bzw. Gelder, vorbehaltlich aller Rechte der Mission.48

In der Gründungsurkunde der Franziskanerresidenz vom 9. Mai 1767 ist unter Ziff. 6 festgelegt, dass die Franziskanerpatres "sich der hiesigen Schule als Aufsicht annehmen und sorgen für die fleißige instuction und Education (Unterweisung und Erziehung) der Jugend sollen auch gehalten seyn... entweder unsere eigene gräfliche Kinder und Vettern, als auch anderen erhabenen Leuten Jugend in lateinischer Sprache gegen alsdann aufzuwerfendes Condignum (Bedingungen, d.h Vergütung) zu unterweisen". Diese Aufgaben in der Schule sind wohl auch von den seit 1938 tätigen Vikaren übernommen worden, die 1872 von Dr. thol. Anton Ignaz Kleffner in Hovestadt gegründete Rektoratschule auf dem Grundhoffschen Grundstück (heute Kirchengrundstück) ist in der Tradition der schulischen Aufgaben der Franziskanerpatres zu sehen.49

Das Schulgebäude -im Urkataster von 1828 als Schule, Haus Nr. 74- bezeichnet, jetzt Bahnhofstraße 2a, dürfte auf Veranlassung der Grafen von Plettenberg nach 1730 erbaut worden sein. Im Zuge der 1818/19 erfolgten Teilung der Nordwalder Mark "Die große Kley" wird dem Schulfond aus dem Besitz der Frau Bernardina Antonetta verwitwete Reichsgräfin von Plettenberg-Lenhausen ein Grundstück zur Größe von l 1/2 Morqen am Bruch bei Hovestadt/abgetreten, die Frau Gräfin dagegen aus der Nordwalder Mark drei Morgen erhält. Der bei der Verhandlung anwesende Schullehrer, Herr Klostermann bat um Genehmigung, da das Grundstück zur Anlage eines Industriegartens (= Bewirtschaftung durch die Schuljugend) vorteilhaft sei.50

In dieser Nachricht ist die Durchsetzung der von der Großherzog-Hessischen Regierung eingeleiteten Reformen auf dem Gebiete des Schulwesens zu erkennen. Ein Beispiel der Förderung des Schulwesens ist in der Vergabe einer Silbermedaille an meinen am 23. Januar 1795 getauften Urgroßvater Clemens August Bierhaus bei der Schulentlassung Ostern 1808 zu sehen, die auf der Vorderseite den Namen August Eickmann (nach dem Hofnamen) und auf der Rückseite die Gravur "Preis des Fleißes und der guten Aufführung 1808" trägt.51

Aus der mehrere Seiten umfassenden Eingabe der Gräfin Bernardina Antonetta von Plettenberg-Lenhausen vom 2. Juni 1813 wegen des vom Oestinghauser Pastor Heinrich Schulte angezettelten Streits um die zweite Sonntagsmesse in der Schloßkapelle zu Hovestadt erwähnt die Gräfin die 1810 Bemühungen des Pastors, den Schulunterricht für die Schuljugend aus Nordwald zu erleichtern, in dem beim Großherzoglichen Kirchen- und Schulrat in Arnsberg beantragt wurde, daß die Kinder aus Nordwald künftig in Hovestadt -statt wie bisher in Oestinghausen- die Schule besuchen dürften. Die Gräfin bezifferte in ihrem Schreiben von 1813 die Zahl der Schulkinder aus Hovestadt, Nordwald und aus einem Teil der Gemeinde Schoneberg mit "138 und wohl mehr".52

Die große Zahl der Schüler in Hovestadt war der Anlaß, dem Neubau einer Schule in Hovestadt zu planen. Der Protektor der Schule in Hovestadt, Joseph Caspar von Plettenberg-Lenhausen erwarb 1832 aus dem Besitz des C. Diekmann an der Schloßstraße (Nr. 14) ein Teil des (zum Vikariegebäude gelegenen) Grundstückes mit einer aufstehenden Scheune - Diese wurde abgebrochen und für 1500 Reichstaler das zweigeschossige Haus mit drei Klassenzimmern und Lehrerwohnung erbaut.
500 Taler wurden von der Kirchengemeinde Oestinghausen gegeben, 500 Taler von der Commune Hovestadt aufgebracht und die restlichen 500 Taler mußten geliehen werden. 1832 war Viktor Hecker Lehrer in Hovestadt.53

In welchem Umfange Schüler der Schule in Hovestadt die Möglichkeit hatten, den in der Gründungsurkunde der Franziskanerresidenz in Hovestadt vom 9. Mai 1767 verankerte Weiterbildung für "unsere eigene Kinder und Vettern, als auch anderen erhabene Leute Jugend in der lateinischen Sprache...zu unterweisen" in Anspruch genommen haben, lässt sich aus den Akten im Pfarrarchiv in Hovestadt nicht nachweisen.54