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Nächtliches Traumgesicht und der Auftrag Gottes an Ida
Nachdem die Neuvermählten mit ihrem Gefolge - unter ihnen befand sich auch der fromme Priester Berethger - den Rhein etwa bei Köln überschritten hatten, gelangten sie auf einer der alten Heeresstraßen zunächst nach der Stadt Soest und von dort auf einer Nebenstraße zum sogenannten „Dreingau", in die Nähe eines von lieblichen Wäldern umschlossenen Ortes, der in der sächsischen Volkssprache „Hirutfeld", d. h. „Hirschfeld", genannt wurde. Als bereits der Abend dämmerte, öffnete sich ihnen eine kleine grasbewachsene Lichtung, und da alle von der Reise ermüdet waren, schlugen sie hier ihre Zelte auf und sanken bald nach den Anstrengungen des Tages in einen tiefen und erquickenden Schlaf. In dieser Nacht aber gab Gott im Traume durch die Stimme eines Engels seiner frommen Dienerin nach vielen Ermahnungen den Auftrag, hierselbst „aus ihren eigenen Mitteln ein Gotteshaus zu errichten, wo sie einst dem Herrn ungehinderter dienen solle", und er versprach ihr zugleich, „daß sie dort nach vollendetem Lebenslauf mit ihrem Manne des Tages der ewigen Vergeltung harren werde." Nach dem Erwachen wurde Ida „von heiligen Schauern ergriffen" und zweifelte nicht im geringsten daran, daß Gott durch dieses Traumgesicht ihr seinen ausdrücklichen Willen hatte kundtun wollen. Dennoch wollte sie nicht ihrem eigenen Urteil allein folgen, sondern setzte ihren Mann auf das genaueste in Kenntnis, was Gott ihr in der Nacht durch seinen Engel aufgetragen hatte. Egbert versicherte seiner Gemahlin, daß er gleich ihr der Wirklichkeit dieser Erscheinung zuversichtlich Glauben schenke, und erklärte bereitwilligst seine Zustimmung zum Bau einer stattlichen Kirche, die der heiligen Gottesmutter Maria und dem heiligen Germanus, Bischof von Paris, der in Idas Heimat hochverehrt wurde, geweiht sein sollte.
Ausführung des göttlichen Auftrages
Bisher waren in Sachsen zur Zeit des heiligen Ludgerus nur Holzkirchen erbaut worden. Die Kirche in „Hirutfeld" aber, deren Bau Gott selbst Ida aufgetragen hatte, wurde vielmehr in fränkisch-karolingischer Bauart als eine Basilika aus behauenen Steinen errichtet und mit einer getäfelten Holzdecke versehen. Ja, wir dürfen als wahrscheinlich annehmen, daß Kaiser Karl, als er von dem hochgemuten Plan des jungen Herzogspaares Kenntnis erhielt, sich hocherfreut zeigte und gern für die Übersendung fränkischer Werkleute und eines erfahrenen Baumeisters Sorge trug. So ist bereits gegen Anfang des neunten Jahrhunderts in „Hirutfeld", dem späteren Herzfeld, die erste steinerne Kirche des Dreingaus erbaut worden. Und zwar wurde das Gotteshaus auf dem Boden des „königlichen Schultenhofes" (curtis regia) in Herzfeld errichtet. Mit diesem „Haupthof" waren eine Reihe Einzelhöfe vereinigt, die eine gemeinsame Bauernschaft - den Königshof Hirutfeld - bildeten. Mit der königlichen Erlaubnis zum Bau der Kirche ging naturgemäß auch der gesamte Grund und Boden in die persönliche Lehenshoheit der Gräfin Ida über. Nach den Worten des Engels im Traumgesicht sollte Ida diese Kirche erbauen, „damit sie dort Gott einst ungehinderter dienen solle". Das entsprach so ganz dem innigsten Wunsch der Heiligen. Denn, wie schon Uffing in der Vorrede zu seiner Lebensbeschreibung sagt, hatte Ida, wenn auch durch das Eheband gebunden, „nichts der Liebe des ewigen Bräutigams entzogen, sie verdiente es vielmehr, gemeinsam mit den Mitarbeitern der ersten Stunde im Weinberge Gottes und als Besiegerin jedweden Fehlers, die hundertfältige Frucht des übernatürlichen Lebens zu empfangen".
Glückliches und vorbildliches Eheleben
Der Benediktinermönch Uffing betont in seiner Lebensbeschreibung, daß Ida in dem Grafen Egbert einen ihr wahrhaft ebenbürtigen und gleichgesinnten Ehegemahl erhalten habe. Er sagt sehr treffend und schön: „Wenn schon, wie es beim Apostel heißt, ein ungläubiger Mann durch ein ungläubiges Weib geheiligt wird, um wieviel mehr leuchten dann zwei in gleicher Weise heilige Gefäße hervor, unterstützt durch ihr gegenseitiges Tugendbeispiel?" Und er sucht die Erklärung für diesen edlen Wettstreit im Guten darin, daß „den beiden, die eins waren im Fleische, eine wirksame Tätigkeit des Heiligen Geistes innewohnte, die sie, äußerlich durch das Band der Ehe verbunden, im Inneren mit der Liebe himmlischer Wesen erfüllte". Aus mehreren zuverlässigen Geschichtsquellen wissen wir, daß die Ehe Idas mit Graf Egbert auch von Gott durch eine Reihe Kinder gesegnet wurde. Es werden drei Söhne und zwei Töchter genannt. Sie folgten ihren frommen Eltern auf den Pfaden der Tugend und Frömmigkeit. Zwei von ihnen weihten sich ganz dem Dienste Gottes im Ordensstande: Warin wurde Abt in der Benediktinerabtei Corvey, und Addila Äbtissin zu Herford. Gewiß waren Egbert und Ida gemeinsam auf eine sorgfältige und vor allem tiefreligiöse Erziehung ihrer Kinder bedacht, wobei naturgemäß wegen der häufigen Abwesenheit ihres Gemahls die Hauptlast auf den Schultern der Mutter lag, die nichts versäumte, um die Keime der Gottesfurcht und Heilandsliebe tief in die Seelen ihrer Söhne und Töchter einzupflanzen. Ihre geistige Ausbildung aber werden ohne Zweifel alle in Klosterschulen empfangen haben, die sich ja in damaliger Zeit - nicht ohne Verdienst Karls des Großen - zu hervorragenden Pflanzstätten christlicher Wissenschaft und Kultur entwickelt hatten. Wo haben nun Egbert und Ida in den Jahren ihres ehelichen Zusammenlebens ihren Wohnsitz genommen? Hierüber gehen die Ansichten der westfälischen Heimatforscher ein wenig auseinander. Es ist aber wohl der Meinung Hüsings beizupflichten, daß sie auf der Stammburg Egberts, die in der Nähe des Stiftes Osnabrück gelegen war, ihren eigentlichen Herrschaftssitz eingenommen und auch meist sich dort aufgehalten haben; dort sind auch ihre Kinder zur Welt gekommen und haben ihre Kindheitsjahre unter der liebevollen Obhut ihrer Eltern und der geistlichen Leitung des Priesters Berethger, der ja ihr Familienseelsorger war, zugebracht. Als allerdings der Bau der Basilika in Herzfeld begann, wird Ida es sich nicht haben nehmen lassen, die Beaufsichtigung der Bauarbeiten selbst zu übernehmen. Südlich der Lippe, gegenüber Herzfeld und im Gebiete des heutigen „Hovestadt", besaß ihr Gemahl Egbert als Herzog von Sachsen zwischen Rhein und Weser nach Uffings Angaben auch „einige Güter, wo die gottgeliebte Frau Ida oft zu verweilen und sich mit immer neuen Arbeiten zur Ehre Gottes aufs eifrigste zu beschäftigen pflegte". Zeit und Muße waren ihr hierzu in reichem Maße gegeben, wenn Egbert als Herzog seines Amtes walten und überall im Lande nach dem Rechten sehen oder auch als Heerführer Karls des Großen an kriegerischen Unternehmungen teil nehmen mußte. Als die Basilika glücklich vollendet war und ihre kirchliche Weihe erhalten hatte, wurde - wie bereits oben erwähnt - Berethger der erste Seelsorger an dieser Kirche. Welch innigen Anteil mag wohl Ida an der missionarischen Tätigkeit dieses frommen und eifrigen Priesters genommen haben! Sie unterstützte seine Wirksamkeit unter den noch vielfach heidnischen Bewohnern jenes Gaues nicht nur mit ihren inständigen Gebeten, daß Gott ihre Herzen erleuchten und sie zum vollen Anschluß an Jesus Christus und seine heilige Kirche gewinnen möge, sie gab auch allen, mit denen sie in Berührung kam, das wunderbarste Beispiel eines echt christlichen Lebenswandels und nahm sich mit besonderer Liebe aller Armen und Notleidenden an, die sie selbst in ihren Hütten aufsuchte. Und sie scheute keine Mühe und Sorge, um auf jegliche Weise ihre leibliche und geistige Not zu lindern. Kein Wunder, daß das sächsische Volk zu ihrer gütigen Herrin und freigebigen Wohltäterin, auch wenn sie aus dem fremden Frankenland gekommen war, größtes Vertrauen faßte und, vom Rufe ihrer Frömmigkeit und barmherzigen Liebe angelockt, in immer größerer Zahl zu ihr kamen, um Rat und Hilfe bei ihr zu holen. So vergingen etwa 20 Jahre eines ungetrübt glücklichen und friedvollen Ehe- und Familienlebens für Egbert und seine ihm in treuester Liebe ergebene Lebensgefährtin.
Tod und Begräbnis des Grafen Egbert
Die Zeit, die Graf Egbert mit seiner teuren Gemahlin Ida in gottvereinter Liebe und reinstem Eheglück auf Erden verleben durfte, war für den edlen Sachsenherzog aber auch zugleich eine recht harte und schwere Zeit, da es immer wieder zu neuen Aufständen und Empörungen seiner Stammesgenossen diesseits und jenseits der Elbe gegen die Herrschaft Karls des Großen kam und ebenso auch die Grenzen des Reiches wider die Slawen im Osten und den Dänenkönig Godefried im Norden zu schützen und zu verteidigen waren. Im Jahre 810 war - nach Einhards Bericht - Egbert noch damit beschäftigt, im Auftrage Karls die Esseveldaburg am Flusse Sturia in Holstein gegen die Dänen zu befestigen. Schon bald darauf sollte das Ende seines irdischen Lebens kommen. Wie uns Uffing erzählt, wurde der tapfere Herzog „nach Vollendung seiner militärischen Laufbahn", reich an hohen Verdiensten vor Gott und den Menschen aus dieser Zeitlichkeit abberufen und zum Lohne edler Tugend und standhafter Treue im Dienste seines irdischen Königs Karl wie auch seines himmlischen Königs Jesus Christus der Krone des ewigen Lebens teilhaftig. Aus den Worten Uffings dürfen wir wohl schließen, daß Egbert das Glück hatte, daheim in den Armen seiner geliebten Gattin, im Schatten des von ihnen errichteten Heiligtums zu Herzfeld und von Berethger mit den Tröstungen der heiligen Kirche gestärkt, fromm und gottergeben dahinzuscheiden. Man pflegt gewöhnlich das Jahr 811 für den Tod des Grafen Egbert anzunehmen. Ida bereitete ihrem unvergeßlichen Gemahl ein ehrenvolles Grab an der Südseite der Herzfelder Kirche. Dort hatte sie nämlich einen sogenannten „Portikus", eine mit der Kirche verbundene Vorhalle, errichten lassen, wohin sie sich auch gern zu stillem Gebet und ungestörter Betrachtung der himmlischen Dinge zurückzog.
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