August Kleine
Ein vornehmer Mann, der ein Herz für das Allgemeinwohl hatte
Kaufmann August Kleine (Nach einem Gemälde in Privatbesitz)
Die alteingesessene Familie Kleine wurde in Lippstadt durch AUGUST KLEINE gegründet, der im Jahre 1797 aus Hovestadt einwanderte. Dieser August Kleine spielt in der sogenannten Biedermeierzeit in Lippstadt eine hervorragende Rolle. Von seinen Vorfahren wissen wir, daß Johann Caspar Henrich Kleine 1730 zu Soest geboren und 1785 gestorben ist. Er wurde in der St.-Pratrokli-Kirche getauft. Sein jüngster Sohn hieß August Clemens Joseph Kleine und ist der Großvater der noch in Lippstadt lebenden Hubert und Max Kleine. Sein Vater war als Rentmeister des Grafen von Plettenberg in Hovestadt tätig. Er hatte ein eigenes Haus und viele Ackerländereien und Weiden. Er besaß ein Dutzend Pferde und eine Anzahl Knechte, die notwendig waren, um die Waren seines ausgedehnten Importhandels auf der Lippe flußabwärts zu befördern bis Wesel und darüber hinaus. Aus Johann Caspar Henrichs Zeiten stammt auch noch ein alter Kamin in dem Hovestadtchen Hause, der trotz des großen Umbaus der Diele erhalten geblieben ist.
August Clemens Joseph Kleine wurde am 17. August 1777 zu Hovestadt geboren und starb in Lippstadt am 4. September 1848. Er war der jüngste von acht Geschwistern. Als sein Vater 1785 starb, war er noch nicht acht Jahre alt. Seine Mutter, Anna Gertrud Kleine, geb. Kalthoff, war am 27. April 1781 gestorben. Er wuchs auf unter der Aufsicht vortrefflicher Vormünder und erhielt seine kaufmännische Ausbildung in dem elterlichen Hause durch seinen älteren Bruder Philipp.
In der Liste der ca. 30 Prüflinge des Jahres 1792 - im Besitz des Heimatmuseums Geseke - befinden sich
Philipp W o l f
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aus Hofestadt
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Franz W o l f
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aus Hofestadt
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August K l e i n e
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aus Hofestadt
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August Kleine trat in das Geschäft des Herrn Abraham Kruse zu Lippstadt als Lehrling ein und erhielt hier eine gute Ausbildung. Mit seinem ererbten Vermögen kaufte er am 26. November 1823 das große auf der Poststraße gelegene Patrizierhaus, das 1804 von dem Kriegsrat Kellerhaus erbaut war, mit zwei großen Stallungen, einer Scheune und einem sehr schönen Garten mit wertvollem Schmiedeeisernem Tor. Die Besitzung war 2 1/2 Morgen groß und mitten in der Stadt gelegen. Um diesen Kauf tätigen zu können, mußte er noch 5000 Taler leihen, was von dem damaligen Landrat Freiherrn von Schade befürwortet wurde. In dem Befürwortungsschreiben wird Herrn August Kleine bescheinigt, daß er “durch seine große Rechtlichkeit und Pünktlichkeit das allgemeine Vertrauen seiner Mitbürger sich verschafft hat”. Auch Pfarrer Stratmann an der St.-Nikolai-Kirche stellte Herrn Kleine ein glänzendes Zeugnis aus und bescheinigte ihm seine Solidität und Vertrauenswürdigkeit. - August Kleine heiratete am 16. August 1800 die Madmoiselle Sophie Henriette Löcke.
Das Rentmeisterhaus in Hovestadt
Aus der Familienchronik der Familie Kleine entnehmen wir noch folgende Angaben: “Während seiner überaus regen Geschäftstätigkeit vergaß er nicht, sich um öffentliche Interessen zu kümmern, Pfarrer Stratmann zu unterstützen und die armen katholische Gemeinde. So ließ er sich in das Kuratorium der Kirche und Schule wählen. Zahlreiche Schriftstücke von seiner großen Tüchtigkeit und Umsicht zeugen heute noch von der seltenen Pflichttreue dieses edlen Mannes. Im Verein mit seiner Gattin war er stets bereit, den Armen beiderlei Glaubens der Stadt mit Rat und Tat beizustehen und ihnen zu helfen. Wo es galt, Not, Krankheit und Elend zu mildern, waren sie die ersten. Ein Außschuß der Lippstädter Bürger schenkte ihm 1821 eine Schnupftabakdose mit einer Inschrift in Gold: “Dem edlen Menschenfreund August Kleine 1821”
August Kleine besaß ein gut florierendes Geschäft mit einer ausgedehnten Kornbrennerei. Er widmete sich mit großer Liebe der Ökonomie und besaß einen großen Garten am Soesttor. Da er der wohlhabenste katholische Bürger der damaligen Zeit war, nahm man seine Hilfe auch für öffentliche Belange häufiger in Anspruch. So machte er für die katholische Kirchengemeinde Ausgaben in Höhe von 6930 Reichstalern, auf deren Rückerstattung er am 13. November 1829 feierlich verzichtete. Der katholische Kirchenvorstand bedankte sich in einem langen Dankschreiben vom 31. März 1830, in dem es heißt: “Ihnen verdankt die katholische Kirchengemeinde Lippstadt, daß sie eine Pfarrgemeinde ist, was sie seit dreihundert Jahren nicht mehr war. Sie haben sie aus dem Grabe aufgeweckt und bis zum heutigen Tage an ihrer Vervollkommnung unermüdlich gearbeitet. Gottes reichster Segen komme daher über Sie und Ihre ganze geehrte Familie, hier zeitlich und in einer besseren Welt ewig.”
Drei Jahre darauf starb seine Frau Henriette Sophie geb. Löcke. Lange Jahre war sie fast ständig an das Krankenlager gefesselt. Sie hatte wenig Freude an dem großen Hause mit 33 Zimmern. Bei dem Tode seiner Frau war August Kleine erst 56 Jahre alt. Er sah ein, daß ein großer Haushalt ohne Unterstützung einer umsichtigen Frau nicht fortgeführt werden konnte. Deshalb heiratete er zum zweiten Male die in Schmallenberg im Jahre 1803 geborene Nichte seines treuen Freundes, des Pfarrers Georg Stratmann, Fräulein Franziska Meckel, damals 30 Jahre alt. Die Trauung fand in der Nikolaikirche zu Lippstadt statt, die Hochzeitsfeier im katholischen Pfarrhause bei ihrem Onkel im engsten Familienkreise. Trotz der großen Unterschiede im Alter war die Ehe eine glückliche. Die zweite Frau war eine schöne, stattliche Dame, die durch ihr vornehmes und sicheres Auftreten dem Hause Glanz und Ansehen verlieh. Fromm und mildtätig wie ihre Vorgängerin, hielt sie es für ihre erste Pflicht, gottgefällig zu leben. Als kluge und energische Frau nahm sie regen Anteil an den großen, weitverzweigten Geschäften ihres Mannes, dem sie mit Rat und Tat in allen Lagen seines Lebens treu zur Seite stand. Aus dieser zweiten Ehe entsprossen drei Kinder:: am 3. September 1838 ein Sohn, der auf den Namen August Adolph Laurenz getauft wurde; am 9. Mai 1841 wurde ihnen der zweite Sohn geboren, Johann Georg, und am 2. Juni 1844 ein dritter Sohn Franz Anton Wilhelm, der 1870/71 die Brauerei Weißenburg gründete, zusammen mit seinem Stiefvater Ohm.
In dem Hause Kleine, Poststraße 26, herrschte nach dem Bericht eines Nachfahren “vollkommenes Biedermeierleben in optima forma. In dem Wohnzimmer stand links an der Wand das große Biedermeiersofa, davor der rundliche Tisch mit zwei schwarzen Säulen, ringsherum alte Biedermeierstühle, alle aus Kirschbaumholz; vor den Fenstern lange Tüllgardinen, zwischen den Fenstern eine Konsole halbrundhohlgeschweifter Tür mit Einlegearbeit. Auf dieser Konsole stand eine ganz entzückende Spieluhr mit schwarzpoliertem Gehäuse, die mehrere Lieder spielte, wenn man einen Hebel verstellte. An der Wand Ölgemälde von Josef Jansen, Düsseldorf. An den Wänden hingen alte Kupferstiche, biblische Szenen darstellend. Vor dem linken Fenster stand der alte Lehnstuhl mit Ohrbacken, davor ein mit Perlen besticktes Fußkissen. Vor den Fenstern waren durchschimmernde Porzellanbilder angebracht, mit blauem Glase eingefaßt.”
Wertvolles, schmiedeeisernes Tor an dem Garten der alten Post an der Poststraße. Gehörte später August Kleine.
August Kleine litt viel unter einem Bronchialkatarrh, der seine bewährte Arbeitskraft beeinträchtigte. Sein Reitpferd, der alte treue Schimmel, der ihn oft auf seinen Reisen ins Ausland, ins Sauerland und ins Münsterland getragen hatte, blieb im Stalle stehen. Alle Briefe des ältesten in Lippstadt ansässigen Kleine erzählen von seinem regen Verkehr mit dem benachbarten westfälischen Adel. Alles, was man hier nicht kaufen konnte, besorgte er diesen Familien auf seinen Reisen nach Holland und England.
Unter den hinterlassenen Briefen befanden sich auch solche des Freiherrn von Hörde aus Schwarzenraben, des ersten Landrats des 1817 gebildeten Kreises. Einer dieser Briefe ist aus dem Grunde interessant, weil Freiherr von Hörde sich für einige Heringe bedankte, die damals als besondere Delikatesse galten. Die Neujahrswünsche beantwortete Freiherr von Hörde mit einem Brief. Darin hieß es: “Für den gütigen Neujahrswunsch danke ich sehr und erwidere, daß das neue Jahr Euer Wohlgeboren alles Glück, Heil und Wohlergehen verleihe und dero Wünsche erfüllen mögen. Es geht jetzt freylich kraus in der Welt zu. Man muß vieles erleben, was man sonst ohnmöglich gehalten hätte. Vieles, wofür man sonst geschaudert hätte, wird jetzt von vielen gesehen. Man wundert sich schier über nichts mehr. Bange werden muß einem für die Religion, wenn man sich nicht auf die Zusage Christi verließe, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen würden.”
In der Franzosenzeit war August Kleine Municipalitätsrat. Später wurde er Mitglied der städtischen Körperschaften und des Kuratoriums der höheren Bürgerschule sowie der Friedhofsdeputatien. In einem Brief an den Landbaumeister Pistor in Hamm vom 29. März 1818 schreibt er: “Nicht zelotischer Eifer, sondern Glück und Wohl der Menschheit zu fördern war von jeher mein stetes Bestreben”. Am Königsgeburtstage stiftete er mit Korinthen und Rosinen durchsetzte Stuten, die in den Schulen verteilt wurden.
In der Zeit der Kontinentalsperre verstand man es, den Befehl Napoleons zu durchbrechen und führte auf geheimen Wegen durch Holland englischen Kaffee ein, der, unter Sand verborgen, in großen Kähnen lag. J. D. Epping, die älteste Kolonialwarengroßhandlung Westdeutschlands, hatte ein Grundstück “Himmelreich” mit einem zweistöckigen Gartenhaus südlich der Landstraße nach Esbeck. J. D. Epping und August Kleine schmuggelten bei hellem Tage die scheinbar mit Sand beladenen Kähne an dieses Grundstück. Der Sand wurde abends in der Dunkelheit entfernt und die darunter befindlichen Kaffeeballen in dem Gartenhaus heimlich verstaut. Während der ganzen Zeit der Kolonialsperre haben sie es verstanden, die französischen Donaniers auf diese Weise hinters Licht zu führen. Unter gemähtem Gras verborgen, wurden die Kaffeesäcke nach und nach in die Lagerhäuser geschafft.
Eine Schwester des Herrn August Kleine war Barmherzige Schwester geworden. Sie schrieb mit dem Gänsestiel ebenso schön wie ihr Bruder. Aus den hinterlassenen Briefen geht hervor, daß königlich-preußische Prinzen vierzehn Tage in dem jetzt abgebrochenen Hause an der Poststraße gewohnt haben. Sie sandten als Dank kostbares Porzellan aus der Königlichen Manufaktur.
Am 4. September im “tollen” Jahr 1848 starb August Kleine, würdig auf seinen Tod vorbereitet, im 71. Jahre seines arbeitsreichen und deshalb köstlichen Lebens, jedoch leider viel zu früh. Sein ältester Sohn war erst zehn Jahre alt, der jüngste erst vier Jahre, als ihr Vater heimging. Bei der Beerdigung des edlen Verstorbenen hielt Pfarrer Rustemeyer am offenen Grabe eine Ansprache, worin er die besonderen Verdienste des Entschlafenen um die katholische Kirchengemeinde anerkannte. Außerdem sprach aber auch der evangelische Pfarrer Dreieichmann warme Worte der Verehrung für einen Mann, der auch für die Belange der Nichtkatholiken volles Verständnis gehabt habe - In seinem Testament vermachte August Kleine ein Legat von 2000 Talern der katholischen Kirchengemeinde, das bei seinem Tode zur Zahlung gelangte.
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