Allgemeine Entwicklungsgeschichte der Mühlen

                  Die Geschichte der Mühlen begann mit dem Anbau von Getreide durch sesshaft gewordene Nomaden, welche die Notwendigkeit der Zerkleinerung des Getreides entwickelten.

 Die Zerkleinerung des Getreides geschah anfangs mit Hilfe sogenannter »Reibsteine«. Auf einem flachen Bodenstein wurde mit einem zweiten, abgerundeten Stein das Getreide zerrieben.

   Etwa um 4000 v. Chr. ist in Altbabylon und später auch bei den Ägyptern und Assyrern diese frühe Mahlstein-Technik nachweisbar. Auf einer nächsten Stufe der Mahltechnik-Entwicklung finden sich Mörser, in denen das Getreide zerstampft wird. Aus diesen Mörsern entwickeln sich allmählich sog. Trog- bzw. Handmühlen (Querne), bei denen in einem gleichmäßig ausgehöhlten Bodenstein ein Drehstein mittels eines Handgriffs in Bewegung versetzt wird

   Die nächste Entwicklungsstufe zeigt durch Tierkraft angetriebene Mühlen. Der Dreh- oder Läuferstein wird mit einer Deichsel ausgerüstet und in einem immerwährenden Kreislauf dreht das Tier den Läuferstein auf dem Bodenstein und zermahlt dabei das Getreide zwischen den beiden Steinen. Anstelle der Tiere wurden vielfach auch Menschen für diese Arbeit eingesetzt.

   Eine weitere Stufe in der Entwicklung der Mühlentechnik stellte die Erfindung des Wasserrades dar. Rund 3000 Jahre v. Chr. legten die Sumerer im Zweistromland Mesopotamien Felder mit Bewässerungsgräben an. Treträder zum Schöpfen von Wasser auf die Felder sind bereits 1200 v. Chr. dort bekannt. Aus diesen Tretmühlen wurde, wahrscheinlich um 300 v. Chr., ein von Wasserkraft getriebenes Wasserschöpfrad entwickelt, die sog. »noria«. Damit macht sich der Mensch zum ersten Male in seiner Entwicklungsgeschichte diese Naturkraft zunutze. Das Wasserrad wurde weiter entwickelt, der römische Architekturwissenschaftler Vitruv beschrieb 10 v. Chr. den Funktionsmechanismus einer »molina«, einer Wassermühle.

   Die erste Wassermühle in Deutschland soll an einem Nebenfluss der Mosel gelegen haben. Das Vordringen der Wassermühlen bis in den Nordseeraum vollzog sich bis ca. 800 n. Chr. Die Müllerei gewann immer mehr an Bedeutung.

   Einige Jahrhunderte nach den Wassermühlen entstanden die Windmühlen. In Deutschland gab es die ersten Windmühlen im 11. Jahrhundert. Die älteste Form ist die sogenannte »Bockwindmühle« oder auch »Deutsche Mühle« genannt. Später kamen andere, leistungsfähigere Mühlentypen hinzu, insbesondere die »Holländerwindmühlen«.

   Das Ende der Wind- und Wassermühlen trat im Zuge der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert durch die Erfindung der Dampfmaschine, des Verbrennungsmotors und des Elektromotors ein. Vollautomatisierte Großmühlen bildeten mit ihrer um ein Vielfaches größeren Ausbaukapazität eine übermächtige Konkurrenz.

  Heute sind die Wind- und Wassermühlen nahezu vollständig von modernen Großmühlen verdrängt.

 

Die Kesseler Mühle

 Die Anlage einer Mühle in der Nähe des Hofes Kesseler ergab sich aus dem natürlichen Niveauunterschied der Lippe. Hier konnte der vorhandene Wasserfall für den Betrieb von Mühlenrädern benutzt werden, ohne eine künstliche Stauanlage bauen zu müssen.

 Die früheste Nachricht über die Existenz einer Mühle in Kesseler ist in der sogenannten »Willkommschatzung« des münsterischen Bischofs Conrad Graf von Rietberg von 1498/1499 zu finden. In dieser Liste aller schatzungspflichtigen Familien im Bistum Münster befindet sich in der Liste Herzfeld der Name »Dyrik Molner cum uxore (=Ehefrau)« und »uxore des Molnars to Kesler« und sind dort 1498 mit 36 bzw. 12 Silberpfennigen schatzungspflichtig.

  Wie der Hof Kesseler war auch die Mühle Eigentum des Klosters Abdinghof in Paderborn. Durch die Erbteilung der Brüder Rötger und Goswin von Ketteler gelangte sie 1455 an Goswin von Ketteler, Herr zu Neu-Assen und Burgmann zu Hovestadt. Ãœber Generationen sind die von Ketteler Burgmannen zu Hovestadt. Dietrich Ketteler ließ zwischen 1563 bis 1572 durch den Baumeister Laurenz von Brachum ein neues Schloss in Hovestadt im Stil der Lipperenaissance errichten. 1651 wird Gottfried von Heyden mit dem »Haus Hoffstatt« belehnt. Er ist verheiratet mit Ottilia von Ketteler, Erbin zu Hovestadt. 1726 erwirbt Friedrich Bernhard Wilhelm Graf von Plettenberg zu Lenhausen die Herrlichkeit Hovestadt für 180.000 Taler und nahm sie 1733 nach dem Tod der Loyse, Freifrau von Heyden in Besitz. Auch die Kesseler Mühle ging in den Besitz der Familie von Plettenberg über.
  


Öl- und Kornmühle mit Mühlengraben. Ansicht von Osten.

  Im Nordrhein-Westfälischen Staatsarchiv in Münster befindet sich eine Zeichnung aus dem Jahre 1773. Sie zeigt die Gebäude der Getreidemühle und rechts daneben das kleinere Gebäude der Ölmühle. Deutlich zu erkennen sind die drei eisernen Mühlenräder der Getreidemühle und das große Rad der Ölmühle. Der Grundriss zeigt die drei Mahlwerke mit den großen Tragebalken des Mühlengetriebes in der Aufsicht.
 

             

        Kesseler Mühle, Zeichnungen aus dem Jahre 1773.

 
  Im Quadergestein des Mühlengerinnes der 1937 abgebrochenen Getreidemühle befand sich die Inschrift »Graf Plettenberg 1830« und im oberen Teil der aus Ziegelsteinen bestehenden Stirnwand der Ölmühle waren eiserne Ziffern mit der Jahreszahl »1870« eingelassen. Diese Jahreszahlen dürften anlässlich von größeren Instandsetzungsmaßnahmen angebracht worden sein.

  Eine grundlegende Änderung der Eigentumsverhältnisse trat mit dem Abschluss von Verträgen zwischen der Königlichen Kanalbaudirektion in Essen und dem Grafen Josef Walter von Plettenberg Lenhausen vom 7. Januar 1914 ein.

  Der Staatsfiskus erwarb die auf der langgestreckten Insel – zwischen der Lippe und dem Schleusengraben – gelegene Parzelle Gemarkung Herzfeld Flur 27 Nr. 25 zur Größe von 11,22 ar mit den aufstehenden Gebäuden der Korn- und Ölmühle zum Preise von 17.000 Mark. Ausgenommen blieben die angrenzenden unbebauten Grundsstücke Nr. 27 und 28 westlich und östlich des Mühlengrundstückes; ebenso die nördlich des Schleusengrabens gelegenen Grundstücke Flur 27 Nr. 20, 21 und 22 mit dem aufstehenden großen Fachwerkhaus mit Gastwirtschaft, Wohnung und Stallungen.

   Der weitere Kaufkontrakt zwischen dem Fiskus und dem Grafen von Plettenberg betraf das Wasserkraftrecht, d. h. das wohl mehr als 700 Jahre alte Recht, das Wasser der Lippe zu stauen und für den Betrieb von Mühlen zu nutzen.Hierfür wurde ein Preis von 80. 000 Mark vereinbart.

  Ein farbig gehaltener »Lageplan der Mühle zu Keßler« im Maßstab 1:1000 vom 15. Juni 1914 veranschaulicht die damalige Situation der wasserbaulichen Anlagen und der Ãœbergänge über die Lippe, den Mühlengraben und den Schleusengraben. Zwei weitere Zeichnungen zeigen Ansichten, Grundrisse und Schnitte der Gebäude »Ölmühle« und »Getreidemühle« im Maßstab 1:100, schließlich das Getriebe der Getreidemühle. Zu den vorgenannten Plänen gehört eine umfassende »Gebäudebe­schreibung der Mühlen in Keßler«.
 


Die Kesseler Mühle um 1920-1930.

 


Lageplan der Kesseler Mühle von 1929.