C - Regionalhistorische Voraussetzungen des Objekts /
Zögerliche und progressive Schulbau-Entscheidungsträger


1810 – zur Franzosenzeit - weist der Borgeler Amtmann Alexander Freiherr von Krane zu Brockhausen (04.09.1761- … 1834) in einem Schreiben an das Weslarner Kichspiels-Consistorium auf Schulbaurisse des Landbaumeisters zu Hamm Philipp Leonhard Pistor (1756-1828) hin. Aber auch die preußischen Behördenbescheide aus Hamm (1815) und Arnsberg (1817) und die sich auf den Schulbesuch, den Zustand der Gebäude und die Finanzlage betreffenden Inspectionsberichte des Dinkeraner Pfarrers und Domänen=Rats Carl F. C. Busch (BPW 917. 1768-1848) stützen, geben weiter der Tendenz zum Aufschub Ausdruck. (NB: Busch war der Schwiegervater von W. A. Pilger – Verf.).
 

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ASBU-69   Schreiben Alexander v. Kranes an das Kirchen-Consistorium Weslarn 1810

Erst am 6. Juni 1819 kann der (Borgeln-)Schwefer Interims-Bürgermeister J. D. Arnold Smiths (1762-1832) aus Haus Meyerich den „Bittsteller und Gutachter“ Pastor Pilger vorab über die noch von dem Herrn Landrat von Esselen zu bekräftigende Baugenehmigung eines „Schullehrerhauses“ im Kirchspiel Weslarn in Kenntnis setzen.
 

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ASBU-70   Schreiben des Bürgermeisters Arnold Smith 1819

Pfarrer Johann Diedrich Christoph Pilger (BPW 4769. 1756-1837) übte nicht nur pro forma die Schulaufsicht über die Lehrenden und die in Weslarn oder Brockhausen beschulten Kinder aus. Er wollte persönlich ein christlicher Erzieher sein, wie sein Gesangbuch für höhere und niedere Schulen, veröffentlicht 1806 bis 1818, belegt. Man findet darin u. a. von ihm selbst verfasste geistliche Liedertexte für Lehrer, Schüler und Schulsituationen, die nach damals bekannten Melodien zu singen, aber in einem eigenen Notensystem aufgezeichnet waren. - Ungewöhnlicher war aber die unternehmerische Veranlagung des aus Soest stammenden rationalistischen Predigers, dank derer die Familie über drei Höfe und die damals erforderlichen Ressourcen verfügte. Nur diese ermöglichten es dem Sohn Wilhelm Arnold Pilger (1793-1856), erster nichtadeliger Amtsbürgermeister zu werden, und das in Personalunion in dem überwiegend evangelischen Amtsbezirk Borgeln und dem katholischen Amt Oestinghausen. Gleichzeitig schätzte man auch ihn über die Grenzen der Börde hinaus als fortschrittlichen Ökonomen. Wegen der unüblichen Methoden im Anbau von Feldfrüchten, der Unkrautbekämpfung, der Einführung von Tiefställen oder einer ersten Zuckerfabrik nannte der Koblenzer Agrarwissenschaftler Nepomuk von Schwerz die Pilger, Vater und Sohn, „seine westfälischen Correspondenten“ und „Pioniere der Landwirtschaft“. – Der spätere Ehrenamtmann „residierte“ in dem heute wieder Pilgerhof genannten, preußisch anmutenden hochfenstrigen Fachwerkbau in der Ortsmitte. Bei der Renovierung wurde auf dem Boden das Bruchstück eines seltenen ökonomischen Werkes von 1801 mit dem für die Pilger typischen Aufsatz: "Ist das Bauen der weißen Rüben im Stoppelfelde vortheilhaft?" gefunden. Den saumseligen Bauern predigte der Alte "Wo kein Mistus, da kein Christus!" Und der Sohn belehrte die Landwirte im Hungerjahr 1846: "Wer vor Jahren den Schlendrian verließ, Stallfütterungen einführte, schlechte Weiden unter den Pflug nahm, … und mit sorgfältiger Düngung seine Erträge steigerte, verwertet nun eine mindestens mittlere Ernte." Die Hofbesitzer vertrugen Besserwisserei beim eigenen Metier schlecht, mussten aber die Erfolge anerkennen und nannten die Pilgersche Oekonomie „die Firma“. Besondere Zustimmung fand auch, dass ihr juristisch versierter Bürgermeister mit seiner bayrischen Kutsche täglich unterwegs war und den von jüdischen Händlern beeinflussten Bauern half, ihre Höfe von Schulden zu befreien. Pilger gehörte zu den Gründern der frühen ländlichen Sparkasse in Hovestadt


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ASBU-71   Titelseite des Gesangbuches für höhere und niedere Schulen

Bei der Pensionierung des Ehrenamtmanns verehrten ihm "die dankbaren Gemeinden des Amtes Oestinghausen" einen großen gravierten Silberpokal, der sich heute in Hannover im Familienbesitz befindet.
 

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ASBU-72   Wilhelm Arnold Pilger (1797-1865) Amtsbürgermeister

Die Regierung in Arnsberg und die Gemeinden beiderseits der Ahse erkannten und unterstützten auch die Bemühungen des mobilen Amtsbürgermeisters um die Besserung des Schulwesens. 1815 mussten die Thöningser auf den erkrankten jungen Dietrich Holtmann (s. oben), den sie auf Empfehlung „hatten Lehrer werden lassen“, verzichten. Sie wandten sich an W. A. Pilger, der damals als Landwehr-Major am Frankreichfeldzug teilnahm. Er schickte spontan seinen Thöningser Burschen Florenz Pape von Paris zurück aufs Soester Seminar und regelte so - zunächst durch Unterrichtserteilung auf dem Hofe Pape, ab 1837 in der Zwergschule nebenan - für 56 Jahre die Thöningser und Balkser (einschließlich der Ellingser und Hillingser) Schulverhältnisse. - Als praeses in externis bewegte er den Brockhauser Schulvorstand, die Finanzmittel der Gemeinde nicht nur für den Wegebau, sondern für ihr nachhaltigstes öffentliches Bauwerk einzusetzen. - Sein Sohn Carl Pilger, von dem vier wertvolle kolorierte Zeichnungen der St.-Urbanus-Kirche und der Entwurf eines neuen Weslarner Pfarrhauses stammen, wurde Regierungsbaumeister. -

Ideell unterstützt wurde der praeses in externis in beiden Amtsbezirken durch den Nachfolger seines Vaters, den Pastor Johann Philipp Schütz aus Arnsberg (BPW 5695, 1808-1878). Dieser konnte erst 1837 in Weslarn als Pfarrer wohnen, die geistliche Schulaufsicht nahm er aber – ganz im politischen Sinne Pilgers - bereits 1831 auch in katholischen Schulen des Amtes Oestinghausen wahr. –

Als Einlage des Protocollbuches des Schulvorstands 1831-1870 fand sich eine Liste der Hospitationen in Brockhausen im Zeitraum von 1831 bis 1861, die anfangs jährlich stattfanden, ferner die mehrseitige, mit offensichtlichen Abschreibefehlen behaftete Kopie von einem "Rundschreiben an die Herren Schullehrer der Inspection Schewe (=Schwefe), Borgeln und …" Sie ist unterzeichnet mit: "Soest, den 16ten Oktober 1831. Der Schulinspector Schütz“. -                
In dem wahrscheinlich allen besuchten Gemeinden (nicht den Schullehrern) zugegangenen Zirkular stellt der Inspector zurückhaltend Vorzüge und Schwächen in den damals präferierten Qualifikationsbereichen heraus. Aufschlussreich sind die Auswahl der Schulen, die Folge der Besuche und die berücksichtigten Disziplinen. Daten und Lehrernamen werden nicht aufgeführt.

Hervorgehoben wird bei der Schule...

 1. Borgeln, ev.

die Lesefertigkeit

 2. Weslarn, ev. 

die Lesefertigkeit

 3. Oestinnen (= Oestinghausen), kath.

die Lesefertigkeit

 4. Ostoenen, ev.

die Lesefertigkeit

 5. Brockhausen, ev., (trotz des Schulprovisoriums)

die Lesefertigkeit

 6. Meiningsen, ev.

die Ausdrucksfähigkeit

 7. Ostoenen, ev.

die Ausdrucksfähigkeit

 8. Borgeln, ev.

Kenntnis d. Bibl. Geschichte

 9. Dincker, ev.

Kenntnis d. Bibl. Geschichte

10. Weslarn, ev.

Kenntnis d. Bibl. Geschichte

11. Vellinghausen, ev.

Tafel- und Kopfrechnen

12. Welver, kath.

Gesang, (Gebet)

13. Vellinghausen, ev.

Gesang


Brockhausen wird nochmals wegen "richtiger Betonung" gelobt. Schütz hat die frühere oder die von Lehrer Grote d. Ä. in seinem Hause eingerichtete und gehaltene Schule schon 1831 besucht. Sein besonderes Interesse gilt aber der n evangelischen Bildungseinrichtung, nicht zuletzt deswegen, weil Brockhausen an der Grenze zum Münsterland liegt.

Der Inspector drängte alle Lehrer zum Besuch der Fortbildungsveranstaltungen und zur Anwendung der methodischen Hilfen des Seminardirektors Carl Gotthilf Ehrlich in Soest. Dort war jedoch nur an die Ausbildung der Elementarlehrer an evangelischen Schulen gedacht. Die einheimischen Lehrpersonen an den katholischen Schulen des Doppelamtes kamen von den entsprechend konfessionell ausgerichteten Seminaren Büren, Rüthen oder Warendorf. - Die weiten Wege auf Schusters Rappen, die Überlastung durch Nebentätigkeiten oder die Auffassung, ohne Fortbildung auszukommen, haben auch jüngere Dorfschulmeister vom eigenen Weiterlernen in den Ausbildungsorten abgehalten.

Im Protokollbuch des Schulvorstandes Brockhausen (1831-1870) ist die Eröffnung des Schulhauses von einem wenig geübten Schreiber festgehalten worden:

<1834 den 18 Decembr. ist das Schulgebäude in Brockhausen eingeweiht. Es waren bei dieser Feier zugegen der Herr Schul=Inspector Schütz aus Soest, der Herr Bürgermeister und fast sämtliche Hausväter der Gemeinde Brockhausen. Es begann der Einzug und (die) Versammlung aller Anwesenden… in der eigenen Wohnung des Lehrers Grote [: weil der Lehrer Grote 3 Jahr u. 4 Monat in seinem eigenen Hause Schule gehalten :], wo zum Abschied ein Lied gesungen: Mit Freude Vater danken wir für alles, was wir lernten hier u. s. w. Darauf gingen Kinder, Lehrer und die Versammlung zur Schule.

Hier wurde das Lied: Nun danket alle Gott gemeinschaftlich gesungen. Alsdann hielt der Schul=Insp. Schütz eine sehr passende Rede. Dann sangen Kinder und Lehrer ein Schullied: Singt ein heiliges Lied dem Herrn u.s.w.

Darauf hielt auch der Bürgermeister Pilger eine schöne u. zu diesem Zwecke passende Rede, besonders über die früheren und jetzigen Verhältnisse der Schule. [Er] lobte die freundliche Eintracht der Schulgemeinde Brockhausen, wodurch doch hauptsächlich und am beßten etwas Gutes bewirkt werden könnte. Desgleichen wurde auch diejenigen besonders gerühmt, die zu diesem Zwecke recht viel gewirkt hatten u. s. w, worauf dann das Lied: Lobe den Herrn gesungen wurde. Zum Schlusse sprach dann der Herr Schul=Inspt. Schütz den Seegen: Gott schütze das neue Gebäude, den Lehrer u. die ganze Schulgemeinde.>
 

Diese Objekt-Darstellung konzentriert sich auf die Geschichte und Gegenwart des Brockhauser Gebäudes. Den darin Wirkenden sollte eine eigene pädagogisch-genealogische Geschichte (vergleichbar einer Presbyterologie) gewidmet sein.                                        


Sieht man von den Überbrückungszeiten ab, so waren die letzten, auf Jahre mit dem alten Brockhauser Schul- und Lehrerhaus verbundenen Lehrkräfte:

ab 15.04.1925
Dietrich Düllmann, * Borgeln 09.10.1898, ebd. 19.10.1973
Heirat mit Johanne geb. Witthoeft,

ab 01.10.1945
Friedrich Weitekamp, * Sassendorf 25.03.1894, Soest 25.08.1977                                         
Heirat mit Grete geb. Linden,

ab 06.09.1959
Fritz Otto Peters, * Remscheid 12.09.1934,
Heirat mit Gisela geb. Krumme. -
 

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ASBU-73   Leiter der Brockhauser Schule

Menschen, denen das Haus Heim gewesen oder geworden ist, können sich am ehesten mit dem etwas flott gemalten Aquarell identifizieren.

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ASBU-75   Wohnseite des Brockhauser Schul- und Lehrerhauses. Aquarell 1961 (ohne Titel)

Der mit dem Schulneubau im Osterfeld befasste damalige Leiter des Soester Staatshochbauamtes, Regierungsbaurat August Dambleff, pflegte anlässlich der Einweihung öffentlicher Gebäude ein ihn ansprechendes örtliches Motiv darzustellen – eine liebenswerte, heute kaum noch zu beobachtende Geste.

1961 hat auch er sich für den Blick auf die Wohnseite der abgängigen Schule entschieden.   


Fritz Otto Peters