Spionenfieber

In den ersten Augustwochen wurde von zahlreichen Spionen berichtet. Deshalb wurden auch in unserer Gemeinde, wie überall, die Strassen gesperrt. Den Wachdienst übernahm die freiw. Feuerwehr. Die Posten - bei Tage 2, bei Nacht 3 - zogen mit Gewehr auf bei Hildenhagen und an der Lippebrücke. In der Nacht waren an diesen Stellen die Chaussee durch Ketten und Wagen gesperrt. Doch wurde in unserem Dorf nichts Verdächtiges bemerkt. Da die Sperre den Verkehr sehr behinderte, so wurde sie nach einigen Tagen im Kreise Soest aufgehoben.

Im Kirchspiel Herzfeld wurde ein russischer Arbeiter abgefangen und Abends gegen 10 Uhr unter großer Beteiligung der Herzfelder und Hovestädter Jugend durch den hiesigen Wachtmeister in das Arrestlokal gebracht. Wie sich herausstellte, soll es sich um einen arbeitsscheuen Menschen handeln.
Die erste Siegesnachrichten bei Lagarde, Mühlhausen, Lüttich u.s.w. wurden in unserer Gemeinde mit großer Freude aufgenommen. Die Glocken läuteten, Böllerschüsse dröhnten aus der Ferne, fast an jedem Haus flatterten die Fahnen. Die Schulkinder zogen mit Trommel und Fahne singend durch die Strassen.
Ende November wurden auf Veranlassung des Kriegervereins 70 Weihnachtspakete an unsere Kameraden im Felde abgeschickt. Sie erhielten: Wollsachen, 1 Fl. Punsch - Essenz, Mutzpfeifchen, Tabak, Cigarren, Spekulatium, Nüsse u. dgl. Die Kistchen wurden auf dem Biele’schen Saale verpackt. Die nötigen Gelder wurden von den Vereinen und der Gemeinde zusammengebracht.

Am Sonntag, den 27.12.14, wurde auf dem Saale des Herrn Biele eine schlichte vaterländische Weihnachtsfeier veranstaltet. Der Saal war geziert mit einem Christbaum und der geschmückten Kaiserbüste. Herr Vikar Ruhrmann verband die von den Schulkindern vorgetragenen Gedichte durch passende Worte zu einem Gesamtbilde über den Verlauf des Krieges; dazwischen wurden mit Klavierbegleitung vaterländische Lieder gesungen. Ein kräftiges Hoch auf die beiden verbündeten Kaiser beschloß die sinnvolle Feier.
Heute wurde der Techniker Peter Ostersporkmann, Ritter des Eis. Kreuzes II., Gefreiter im Inf. Reg. 158 beerdigt. Er war auf dem westlichen Kriegsschauplatze verwundet und wurde später zur weiteren Heilung nach Kassel gebracht. Dort starb er am 14./.15 an Herzschwäche infolge einer Operation. Die Leiche wurde im Auto nach hier befördert. Bei der Beerdigung eröffneten die Schulkinder mit einem Kranze und schwarz-weiß-roten Schleifen auf der Brust den Trauerzug. Es folgten der Kriegerverein mit Fahne und Musik und viele Leidtragende. In Oestinghausen schloß sich der dortige Kriegerverein an. Herr Vikar Schulte hielt eine ergreifende Ansprache. Die Fahnen senkten sich über dem Heldengrabe, und 3 Ehrensalven gaben den letzten Abschiedsgruß. R.i.p.

Anfang April 1915 wurden unseren Vereinsmitgliedern ein Paketchen mit Cigarren und Tabak übersandt.

4. Mai 1915
Großer Sieg. 42000 Russen gefangen genommen. (Man sprach sogar von 160000). Nachm. 1 Uhr frohes Siegesgeläut. Aus den Nachbargemeinden hörte man Böllerschüsse, die Häuser sind beflaggt. Kinder ziehen mit der Schulfahne singend durch die Straßen.

4. Juni
Die Fronleichnams - Prozession wurde in gewohnter Weise abgehalten. Unter den Teilnehmern sah man auch invalide und beurlaubte Krieger.

14. Juni
Nachmittags 2 Uhr verkünden die Glocken von allen Kirchen einen neuen Sieg: Die Festung Przemysl ist wieder erobert. 6.15 Nachm. Wieder erklingen die Glocken. Die Front der Russen in Galizien ist durchbrochen, 16000 Gefangene.

Das Frühjahr 1915 war außergewöhnlich trocken. Faustbreite Risse zeigten sich im Boden. Das Getreide steht üppig, doch der Regen fehlt. Da, am 10. und 11. Juni bringen Gewitter das lang ersehnte Naß. In der Nachbargemeinde, namentlich Eickelborn, hat der Hagel, der glücklicherweise ohne Sturm fiel, einigen Schaden angerichtet. Hier fielen nur wenige Körner.

22. Juni
Abends 9.15. Die Kriegsandacht ist eben beendet, da verkünden die Glocken einen neuen Sieg: Lemberg ist erstürmt. Überall frohe Menschengruppen. Da setzen auch die Kirchenglocken in Herzfeld ein. Von Süden hört man Freudenschießen bis 11 Uhr. Die Kinder marschieren unter frohem Gesang durch das Dorf.

17. Juli
Frohes Siegesgeläut 8 Uhr Abends. Unsere Offensive auf der Gesamt - Front im Osten ist erfolgreich. Generalfeldmarschall v. Hindenburg hat 30000 Russen eingefangen.

19. Juli
Heute gegen Abend 8 Uhr wurden in dem nahen Berkhoff 3 russische Flüchtlinge (Kriegsgefangene) durch den Grafen von Plettenberg gelegentlich eines Pürschganges festgenommen. Sie waren vor 6 Tg. aus dem Gefangenen - Lager b. Kassel entwichen und hatten sich von Rüben, Korn ernährt. Der eine hatte im Taschentuch eine Karte von Europa. Offenbar strebten sie der holländischen Grenze zu. Die Gefangenen in grünlich - grauer russischer Uniform waren junge, untersetzte Kerls. Sie wurden durch den Wachtmeister Heitemeyer geschlossen zum Bezirkskommando Soest abgeliefert. - Die Leute sahen sich die fremden Krieger an, enthielten sich aber jeder Kundgebung.

5. August
Ein doppelter Siegestag. Die Festungen Warschau und Iwangorod sind gefallen. Nachmittags 2.30 setzen die Glocken von Herzfeld ein, 6 Pausen. Abends 6.20 wieder Siegesgeläut von allen Kirchen, auch Iwangorod ist erstürmt. Fahnen fallen von den Häusern, und Siegesschießen bis in die Nacht hinein.

18. August
Ein denkwürdiger Kriegstag: Kowno ist erobert. Über 400 Geschütze. Zwei weitere Forts von Nowo - Georgiewsk genommen. Zeppelin - Bomben auf die Stadt London. Ein deutscher Erfolg in der Nordsee. 11.50 Morgens verkünden Glockengeläut und Böllerschüsse diese großen Erfolge.
Roggen und Weizenernte sind beendet. Der Ertrag war gut. Im Anfang der “Hundstage” setzte der Regen ein. Fast täglich Gewitter, Regen. Der Hafer wächst aus.

20. August
Morgens 8.30 frohes Siegesgeläut von allen Kirchen. Nowo - Georgiewsk ist erstürmt.

September
Die Einnahme der Festungen Wilna und Belgrad wurden durch Glockengeläut verkündet.

15. Oktober
Die Kartoffelernte ist bei schönem Herbstwetter beendet. Der Ertrag ist sehr reichlich.

1915
Am 7.11. beschloß das Unterstützungs - Komitee, auch in diesem Jahr an unsere braven Krieger Weihnachts - Pakete zu schicken. Eine Sammlung in den Gemeinden Hovestadt - Nordwald ergab 455 M. für die 100 Kistchen (1 Dose Fleischkonserve, 1/2 Kg Schinkenspeck, 250g Butter, 1 Fläschchen “Alten”, Cigarren u. Pastillen gegen Husten u. Heiserkeit) auf dem Saale des Herrn Biele gepackt wurden. An 4 Gefangene wurden je 5 M gesandt.

Da es überall an Arbeitskräften fehlte, wurden auch in unserer Gemeinde Gefangene beschäftigt. Die Gutsverwaltung - hier - hatte zeitweise 10 Franzosen aus der Gefangenen - Unterkunft Herzfeld in Arbeit. Auch in Niederbauer war ein Gef.- Lager mit 40 Insassen, die bei den Landwirten gegen Kost u. 30 Pf. Vergütung arbeiteten. Überall sah man auf dem Felde die roten Käppis; abends wurden die Gef. von den Bewachungs - Manschaften wieder in ihr Lager gebracht. Man war mit den Leistungen zufrieden.